Mit Martin Wissel nimmt ein Seelsorger Abschied von Kirchlauter und den "Heiligen Ländern", der mit seiner Volksnähe besonders gut ankam.
Pfarrer Martin Wissel (52), Koordinierender Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft "Maintal - Heilige Länder, Kirchlauter", nimmt Abschied von der Pfarrei Kirchlauter und wird zum 1. September Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft "Maria im Grund, Leidersbach" (Kreis Miltenberg). Vom Jahre 2000 bis 2016 hat er als Priester in den "Heiligen Ländern" gewirkt. Über diese Zeit und seine Zukunft sprach er mit unserer Zeitung.
In den 16 Jahren Ihres Wirkens in den "Heiligen Ländern" haben Sie ja reiche Erfahrungen gemacht. Sind die "Heiligen Länder" wirklich so heilig, wie der Name sagt?
Martin Wissel: Im gewissen Sinn kann man dies sicherlich sagen, denn kirchliche Traditionen werden hier in den Ortschaften noch hoch gehalten.
Siehe Feier eines Dorfpatrons in Neubrunn oder dort ebenfalls die Kirchenparaden! Die Kirche gehört noch selbstverständlich mit dazu, und wenn der Pfarrer etwas sagt, wird darauf auch gehört oder zumindest im Wirtshaus darüber diskutiert. Die Zusammenarbeit mit den politischen Gremien, besonders mit den verschiedenen Bürgermeistern, war immer problemlos. Ansonsten gibt es natürlich dieselben Umbrüche wie in vielen anderen Gemeinden, wo die Kinder und Jugendlichen oder die Generation bis 50 fehlen.
Was waren für Sie die Höhepunkte Ihres Wirkens und welche Erinnerungen werden Sie immer mit den Orten in den Haßbergen verbinden?
Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten.
Aber an erster Stelle würde ich meine beiden runden Geburtstage setzen, dann sicherlich die Kreuzweg-einweihung durch den Herrn Bischof oder die Gottesdienste im Winterhöfer Wald als Sternprozession an Christi Himmelfahrt. Unsre Pfarreifahrten, Pfarrfeste und Familien - und Besinnungs-Wochenenden, Kinderbibeltage, Ministranten- und sonstige Ausflüge. Viele kleine Jubiläen, seien es kirchliche, Geburtstage, Vereine und so vieles mehr, aber so viel Platz hat die Zeitung nicht.
Noch heute erzählt man sich so manche Geschichten des legendären Pfarrers Karl Glockner (1915 bis 1949 in Kirchlauter), der gerne auch als "Großglockner" oder "Bischof der heiligen Länder" bezeichnet wurde. Sie sind ja einer seiner Nachfolger gewesen.
Auch bei Ihnen schätzte man Ihre "Volksnähe". Was hat Ihnen dabei besonderen Spaß bereitet? Und können Sie sich vorstellen, dass man sich auch bald bei Ihnen an so manche Anekdoten erinnert?
Da gibt es sicherlich einiges zu erzählen: Sei es meine Aussage bei der Einweihung des Kneippbeckens in Neubrunn: "Ich gehe lieber in die Kneipe statt zum Kneippen." Oder vor einigen Jahren habe ich bei einer Hochzeit auf meinen seligen Vorgänger Glockner angespielt. Eine Predigt habe ich begonnen: "Einer meiner Vorgänger hat mal folgenden Satz gesagt..." Da ging schon ein Murren durch die Kirche, so dass ich weiter fortgeführt habe: "Scheinbar scheint der Satz hier noch bekannt zu sein und weil ich im Hause Morgenroth sonst keine Pizza mehr bekomme, führe ich den Satz nicht aus, sondern sage nur: Es ist nicht wichtig, ob sie aus derselben Ortschaft kommen, oder aus verschiedenen Kulturkreisen.
Wichtig ist es, dass sie sich lieben." (Bei dem umstrittenen Satz, den die Zeitung an der Stelle nicht wiederholen möchte, ging es ums Heiraten, d. Red.) Vielleicht werden mir ja auch mal in 30 Jahren Sätze angedichtet, wie sie dem Pfarrer Glockner angedichtet worden sind. Zum Beispiel die Aussage der Pfarrerin Rottenberg: "In Neubrunn ist anders sein normal."
Die Pfarrei Kirchlauter besteht schon seit langem aus den vier Filialgemeinden Kirchlauter, Breitbrunn, Lußberg und Neubrunn. Zukünftig sollen die Pfarreien oder Pfarrverbände noch größer werden. Wie stehen Sie zu dieser Strukturreform und was bedeutet dies für einen Pfarrer?
Ich schaue schon manchmal mit Angst auf das Jahr 2030, aber auf der anderen Seite werde ich da 67 und habe nicht vor, da noch als Leiter einer dann zukünftigen Großpfarrei zu wirken, sondern als Pfarrvikar (Priester ohne Gemeindeleitung, aber mit
Seelsorgeauftrag).
Verwalter sein ist nicht mein Anliegen, sondern mit den Menschen unterwegs zu sein und den Glauben an Jesus Christus in ihnen zu mehren.
Sie werden nun Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft "Maria im Grund Leidersbach" und wechseln damit vom Osten der Diözese Würzburg ganz in den Westen. Gab es dafür besondere Gründe?
Der wichtigste Grund sind meine Eltern, die ja in Mömbris wohnen (von Leidersbach nur noch eine halbe Stunde entfernt). Der Vater ist teilweise ein Pflegefall und in der räumlichen Nähe kann ich meine Mutter unterstützen. Anstoß kam aber von der Diözese, die mich angefragt hat, ob ich wechseln möchte. Ihre Zusage den Heiligen Ländern gegenüber konnten sie irgendwie nicht einhalten, was mich menschlich enttäuscht und ein Stück mit Wehmut gehen lässt.
Es fällt nicht leicht, nach gut 16 Jahren die Heiligen Länder zu verlassen, denn ich war gerne der Pfarrer der Heiligen Länder. Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt, habe meine Freiheiten gelebt und habe mir auch mal die Zeit zum Karten im Gasthaus Morgenroth genommen. Hier, in Kirchlauter, war ich Pfarrer und Mensch.
Gute Wünsche werden Sie sicherlich von den Haßbergen oder Heiligen Ländern in den Spessart begleiten. Gibt es auch besondere Wünsche von Ihnen an Ihre nun ehemalige langjährige Pfarrei?
Ich wünsche natürlich, dass es von der seelsorgerischen Betreuung in den Heiligen Länder weiter gut geht und nicht schon 2030 vorweggenommen wird. Bleibt katholisch, liebenswert und der Kirche und vor allem unserem Herrn Jesus Christus treu, denn Er ist derselbe - gestern, heute und in Ewigkeit!
Die Fragen stellte unser
Mitarbeiter Günther Geiling