Premiere Das Theaterteam der Pfarrei St. Gangolf schafft mit Molières zeitloser Komödie vom "eingebildet Kranken" eine beachtliche Inszenierung der Kreuzgangspiele in wunderbarem Ambiente.
von unserem Redaktionsmitglied
Rudolf Görtler
Bamberg — An schönen Spielstätten ist diese Stadt wahrlich nicht arm. Die Alte Hofhaltung als Schauplatz der Calderón-Spiele kennt jeder, den Innenhof von Schloss Geyerswörth bespielt der "Fränkische Theatersommer" regelmäßig im August, das "Theater im Gärtnerviertel" reüssierte jüngst in eben demselben.
Ein Geheimtipp jedoch ist der Kreuzgang von St. Gangolf, Bambergs ältester Kirche. Das heißt: Bühne ist die eingehegte Rasenfläche. Und die nutzt seit 20 Jahren die Theatergruppe der Pfarrei, die sich zu einem nicht geringen Anteil aus Anwohnern rekrutiert. Hut ab vor diesen engagierten Laien! Das fängt schon an bei der Stückauswahl. Kein Bauerntheater, kein "heiterer Schwank", sondern gehobener Boulevard bis Weltliteratur von Dürrenmatt über Frisch bis - Molière.
Sei es der "Geizige" oder, wie in diesem Jahr, der "eingebildet Kranke". Der bzw. die gleichnamige Komödie ist wahrhaft unsterblich.
Denn Krankheiten und Ärzte gibt es auch 330 Jahre nach der Entstehung des Stücks. Freilich hat sich vieles verändert, ja entscheidend gebessert. Zu Zeiten Molières gab es noch keine wissenschaftliche Medizin; ein goldenes Zeitalter für Scharlatane und Betrügern jedweder Couleur. Fast bekommt man Mitleid mit den armen Ärzten, auf die Béralde (Argans Bruder) verbal einprügelt und die in Gestalt des tölpelhaften Thomas Diafoirus (Christian Dieter) und des verkleideten Dienstmädchens Toinette (Laura Croes) karikiert werden. Denn schadenfroh glucksen die 120 Zuschauer, wenn die Mediziner ihr Fett abbekommen. Offenbar ein zeitloses Thema. Freilich werden widerborstige Töchter nicht mehr ins Kloster gesteckt.
Egal, was die Laien da schaffen, ist ganz beachtlich.
Volker Bachsteffel stakst in der Titelrolle des hypochondrischen Argan wie ein fränkelnder Groucho Marx durch den mit wenigen Requisiten ausgestatteten Kirchgarten. Uli Isselhard spielt Tochter Angélique schön naiv, Christian Dieter gibt den Tölpel Thomas Diafoirus so komödiantisch wie nötig, ohne zu überziehen, und Michael Kerlings Dr. Purgon wirkt so authentisch wie der weiße Kittel, den er trägt. Besonders aber Laura Croes' schnippische Toinette war auch so gut, dass sie besonderen Applaus einheimste. Alle, auch Regie und die Leute hinter der Bühne, boten eine beachtliche Leistung. Alles bestens also? Man hätte den Spielern vielleicht noch etwas Mut zu aktuellen Anspielungen gewünscht. Wenn heute auch nicht mehr mit Klistieren kuriert wird: Scharlatane und eingebildet Kranke gibt es immer noch.