Weil er Nachbarn rassistisch beleidigt, verurteilt das Amtsgericht einen 31-jährigen Soldaten zu einer Geldstrafe.
Vor etwas über einem Jahr feiert ein Bundeswehrsoldat seinen 30. Geburtstag. Am Ende der feuchtfröhlichen Stunden in einer Scheune im Landkreis Bamberg wird es laut und ungemütlich. Zwei Nachbarn, die sich drei Mal über die zu laute Musik beschwert haben, werden übelst beleidigt und rassistisch angegangen. Am Amtsgericht Bamberg hat man dafür kein Verständnis und verurteilt den Soldaten zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung.
"Ich habe voll Angst, dass etwas Schlimmes passiert." Es sind bange Minuten, die ein aus Bulgarien stammendes Ehepaar durchmachen muss. Sie ist gerade Mutter geworden, er schuftet als Lkw-Fahrer. Vor ihrem Schlafzimmerfenster irgendwo im Landkreis Bamberg grölen zwei offensichtlich betrunkene Männer herum. Einer zeigt einen erhobenen Mittelfinger, der andere lässt gar die Hosen herunter und reckt ihnen sein Hinterteil entgegen. Später hört das Ehepaar noch ein ganzes Arsenal an Schimpfwörtern.
Doch es bleibt nicht bei den Beleidigungen. Immer wieder stimmt einer der beiden Störenfriede mit drohend erhobenen Händen ausländerfeindliche Gesänge an und beschwört die "weiße Heimat". Der andere singt ab und an mit. "Ich lebe seit über 20 Jahren in Deutschland, habe die deutsche Staatsbürgerschaft, das muss ich mir nicht gefallen lassen", so die Ehefrau im Zeugenstand. "Wir leben doch im 21. Jahrhundert."
"Es wurde jedes Mal schlimmer"
Als die Polizeistreife in die Scheune kommt, hängt hier auch eine Reichskriegsflagge. Darauf prangt ein nationalistischer Text, den man im Ersten Weltkrieg zu propagandistischen Zwecken verwendet hat und der sich in rechtsextremen Kreisen großer Beliebtheit erfreut. Vor Strafrichterin Christine Schäl beteuern dennoch beide Männer, dass sie keine Neonazis seien. Auch Vorstrafen oder Hinweise, dass sie der rechten Szene angehören, finden sich nicht. Das wird dem Mitgröler später ein Urteil ersparen. Sein Verfahren wird gegen eine Geldauflage von 1500 Euro zugunsten des Vereins Lifeline Bamberg eingestellt. So viel "Glück" hat der Hauptschreihals nicht. Er entpuppt sich als Bundeswehrsoldat. Er hat nun ernsthafte Probleme mit der Dienstaufsicht.
An dem besagten Abend ist es in der Scheune bereits sehr laut geworden. Mehrmals muss die Landpolizei vorbeischauen, damit die Stereoanlage heruntergeregelt wird. Freilich nicht für allzu lange. Dann wird der 30. Geburtstag des Hauptgrölers weitergefeiert. "Es wurde jedes Mal schlimmer." Nebenan kann die nur wenige Monate junge Tochter des bulgarischen Ehepaares deshalb nicht schlafen. Erst nach dem Singen des Neonazi-Liedes löst die Polizei die private Feier auf. Da hat der lautstarke Terror bereits von vier Uhr bis zehn Uhr früh gedauert.
Für eine Volksverhetzung braucht es, vereinfacht gesagt, ein Publikum, das die Aussagen mitbekommen kann, und eine Aufstachelung zum Hass. Ersteres war nach Auffassung der Staatsanwältin Ursula Redler mit den Feiergästen, den Nachbarn, darunter zwei Asylbewerber, und wohl auch den frühmorgendlichen Besuchern eines gerade gestarteten Straßenfestes gegeben. "Es war doch nicht auf weiter Flur, sondern mitten im Ort." Letzteres ergibt sich ihrer juristischen Auffassung nach aus der Wortwahl, die man auf einem Smartphone-Video hören kann. "Da ist von Parasiten und Pack die Rede. Wie eindeutig soll es denn noch sein?"
Verurteilter ist jetzt vorbestraft
Den Anklagepunkt der Beleidigungen bekamen die beiden Verteidiger Thomas Drehsen und Thomas Gärtner nach einer Konferenz mit dem Vertreter des bulgarischen Ehepaares, Rechtsanwalt Jörg Händler, ganz elegant vom Tisch. Das Ehepaar zog seine Anzeigen zurück, bekam im Gegenzug dafür allerdings 3750 Euro Schmerzensgeld. Damit endete auch ein Zivilprozess vor dem Landgericht Bamberg.
"Sie brauchen vor uns keine Angst zu haben", beteuerte der Hauptschreihals. Mit dem Schuldspruch in Form einer Geldstrafe von 110 Tagessätzen à 80 Euro gilt er als vorbestraft. Wenn denn das Urteil rechtskräftig wird. Woran nach dem Prozessablauf zu zweifeln ist. Für den Bundeswehrsoldaten steht zu viel auf dem Spiel.