Im Jahr 1930 spitzte sich die wirtschaftliche Entwicklung im Frankenwald dramatisch zu und führte zu einem verzweifelten Hilferuf nach München. In der "Denkschrift Not im Frankenwald" machten die Autoren auf die fatale Situation der Region aufmerksam.
Die Menschen im Frankenwald hatten schon zu allen Zeiten mit schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen zu kämpfen. 1930 und dann 1950 kam es allerdings ganz dick, die Situation spitzte sich dramatisch zu. Die Zahl der Arbeitslosen beziehungsweise Wohlfahrtsempfänger wuchs und wuchs. Deshalb richteten 1930 die Bezirke Kronach, Teuschnitz, Naila und Stadtsteinach einen verzweifelten Appell nach München und baten um schnelle Hilfe in den Bereichen Landwirtschaft, Handwerk, Gewerbe und Industrie. In der 34-seitigen Denkschrift unter der Überschrift "Not im Frankenwald" wiesen die Autoren insbesondere auf die schwierige Situation in der Frankenwaldregion mit völlig unzureichenden Verkehrsverhältnissen hin.
"Arm von Natur aus"
"Der Frankenwald", so die Argumentation, "gehört von jeher zu den ärmsten deutschen Landstrichen. Wie arm er von Natur aus ist, erhellt sich am besten aus der Tatsache, dass weite Teile seines Gebietes erst vom zwölften Jahrhundert an besiedelt worden sind. Schon im Bamberger Urbarium von 1348 lesen wir, dass man zahlreiche Dörfer und Weiler wieder eingehen und mit Wald überwachsen ließ. Der Wald war für den Landesherrn wertvoller als die armseligen Siedlungen". So schrieb man vom Frankenwald zu einer Zeit, als sonst überall in Deutschland die Bevölkerung sich verdichtete, Wohlhabenheit und Kultur im Steigen waren.
"Kinderstube und Armenhaus"
Die Autoren erwähnten unter anderem auch die Abwanderung sowie die Auswanderung in den letzten zwei Jahrhunderten nach Nordamerika. Diese Ab- und Auswanderung entzog dem Frankenwald fortgesetzt die tüchtigsten Kräfte. "Was dann draußen nicht gedieh, kehrte körperlich und moralisch gebrochen in die alte Heimat zurück und musste mit vielen daheimgebliebenen "Minderwertigen" von den Familien und Gemeinden unterhalten werden. Kinderstube und Armenhaus, so konnte und kann man vom Frankenwald wohl sagen. Das Heimatdorf hatte oft nur die Lasten der Kinderaufzucht und der Fürsorge, nicht aber den Nutzen aus der Arbeitskraft", lautete die Argumentation der Verfasser.
In der Denkschrift wurden als ärmste Gemeinden Wilhelmsthal (854 Einwohner), Johannisthal (628), Schneckenlohe (500), Thonberg (530), Ziegelerden (558), Gehülz (1116), Buchbach (568), Kehlbach (407) und Kleintettau (402) aufgeführt.
Beängstigende Arbeitslosenzahl
Eine dramatische Entwicklung erfuhr aber auch die einstige Industriegemeinde Stockheim. Mit der Stilllegung der Champagnerfabrik Sigwart & Möhrle im Februar 1930 sowie mit dem Stillstand des Steinkohlenbergbaus und der Puppenfabriken schnellte die Arbeitslosenzahl zeitweilig auf beängstigende 75 Prozent empor.
Bescheidenheit war bei den Flößern, den Sägewerkern und den schließlich noch vorhandenen 80 Mühlen angesagt. Überall kämpfte man ums nackte Überleben. Und in der Landwirtschaft herrschten tiefste Armut, Geldnot, Verschuldung und Verbitterung. Schließlich wirkten sich die miserable Infrastruktur sowie der Mangel an Betriebskapital bei den Industriebetrieben aus. Zahlreiche Stilllegungen und Konkurse waren die Folge.
Auf Eigeninitiative gesetzt
Bemerkenswert ist jedoch, dass die Autoren trotz der schwierigen Lage auf Eigeninitiative setzten. In der Denkschrift heißt es unter anderem: "Zunächst sei aber noch betont, dass die Bevölkerung des Frankenwaldes sich nicht darauf beschränken will, nach Staatshilfe zu rufen und auf Staatshilfe zu warten; sie ist vielmehr gewillt, all ihre Kräfte anzuspannen, um sich gegen die widrigen Verhältnisse zu behaupten und zur Besserung ihrer Lage selber ihren Teil beizutragen. Die Bewohner des Frankenwaldes sind außerordentlich arbeitsam, beweglich und rührig, gewandt und anstellig, unternehmend und findig. Wird ihnen die erforderliche Hilfe gebracht, um aus dem Elend der jetzigen Notzeit herauszukommen, dann werden sie sich später schon wieder weiterhelfen aus eigener Kraft."
Neben der Denkschrift wurde die "Notgemeinschaft für den Frankenwald" mit Ausstellungen 1930/31 in München und Berlin unter dem Motto "Das unbekannte Land" aktiv. Die Vorstände der Bezirksämter Kronach, Teuschnitz, Münchberg, Naila und Stadtsteinach erinnerten ebenfalls an die Arbeitsnot. "Immer näher rücken hier Zustände, wie sie Deutschland nur in den Hungerjahren der schlesischen Weber 1844/46 gekannt hat. In seiner Not wendet sich der Frankenwald an die bayerische und deutsche Öffentlichkeit."
"Wir brauchen Arbeit!"
"Die Not im Frankenwald" war übrigens auch der Titel einer Denkschrift vom Februar 1950. Darin machte der Landkreis Kronach auf seine "außerordentlich schwierige Lage" infolge des Krieges, des Zustroms von Heimatvertriebenen und der Zonengrenzziehung aufmerksam. Bereits ein Jahr zuvor hatte die 3000 Einwohner zählende Flößergemeinde Wallenfels mit damals 900 Arbeitslosen (75 Prozent Arbeitslosigkeit) einen verzweifelten Hilferuf an die Öffentlichkeit mit der Bitte gerichtet: "Wir wollen nicht stempeln! Wir brauchen Arbeit!"