"Die Weiber heulten und schrien"

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Bezirksheimatpfleger Günter Dippold hatte Spannendes und Unterhaltsames zur Staffelsteiner Kirchengeschichte zu berichten. Foto: Gerda Völk
Bezirksheimatpfleger Günter Dippold hatte Spannendes und Unterhaltsames zur Staffelsteiner Kirchengeschichte zu berichten. Foto: Gerda Völk

Bezirksheimatpfleger Günter Dippold gewährte wieder intime Einblick in die Staffelsteiner Kirchengeschichte.

Im zweiten Teil seines Streifzugs durch die Staffelsteiner Kirchengeschichte vor der Kolpingsfamilie nahm Bezirksheimatpfleger Günter Dippold seine Zuhörer mit auf eine spannende Reise, die etwa um 1800 startete. Es war eine Zeit, die von gewaltigen Umwälzungen geprägt war.

In Frankreich war kurz zuvor die Revolution ausgebrochen, in deren Folge die napoleonischen Kriege Europa nachhaltig verändern sollten. Zu dieser Zeit existierte Deutschland aber noch nicht als moderner Nationalstaat mit festen Grenzen, sondern aus Ansammlung aus Klein- und Mittelstaaten. Mit dem 1803 erlassenen Reichsdeputationshauptschluss gestaltete Napoleon die deutsche Landkarte radikal um. Die linksrheinischen Gebiete fielen an Frankreich. Im Zuge der Säkularisation wurden Domkapitel und Klöster aufgehoben.

"Die geistlichen Fürstentümer wurden geopfert", erklärte Dippold. Mitte 1803 traf es Kloster Langheim, wenige Monate später Kloster Banz. Beide Klöster verfügten über einen beachtlichen Grundbesitz.

Staffelstein kein Behördensitz

Allein zum Kloster Langheim gehörten etwa 200 Dörfer. Staffelstein hörte auf, Behördensitz zu sein. Plötzlich war der Abt nur noch Privatmann und ein Untertan von Bayern. Die eigentlichen Leidtragenden dieser Entwicklung waren aber die Handwerker wie der Uhrmacher Lippert oder die Baumeisterfamilie Weber. Die Säkularisation hatte aber noch weiterreichende Folgen. Staatlicherseits wurden religiöse Handlungen verboten. "1803 wurde untersagt, an Weihnachten Krippen aufzustellen", berichtete Dippold. Bereits im April wurden mehrtägige Wallfahrten verboten, weil sie die Menschen, salopp gesagt, von ihren Pflichten abhielten. Ab 1804 war eine Prozession nur noch an fünf Tagen im Jahr gestattet, und auch dann nur zur nächstgelegenen Pfarrkirche. Diese Andachten sollten sich auf dem Vormittag beschränken. Die Ortsvorsteher wurden angehalten, das "bey der Rückkehr niemand in den Wirtshäusern oder Schenken zurückbleibe". Damit waren Wallfahrten zu entfernten Orten, wie beispielsweise Gößweinstein, praktisch verboten.

Friedhof nur noch am Ortsrand

Bis 1804 wurden die Toten seit Jahrhunderten im Umfeld der Pfarrkirche St. Kilian begraben. Dies war plötzlich nicht mehr möglich. Der Friedhof wurde am Rande Staffelsteins (wo er sich noch heute befindet) verlegt. In Vierzehnheiligen wurde ein Aussterbekloster (ein Kloster, das aufgrund staatlicher Regulierung keine Novizen mehr aufnehmen darf) für Dominikaner eingerichtet, die auch die Wallfahrt betreuten.

Die Pfarrsprengel wurden neu zugeschnitten. Unter dem Motto "Nützlichkeit und Vernünftigkeit" wurde Seubelsdorf von der Pfarrei Staffelstein abgetrennt und der Pfarrei Lichtenfels zugesprochen. Die ablehnende Haltung gegenüber der Kirche wird laut dem Referenten besonders deutlich, als es 1835 in Vierzehnheiligen brennt und es bis zur Beseitigung der Brandschäden etwa 13 Jahre dauert.

Nachdem der revolutionäre Funke im Februar 1948 auch auf das Königreich Bayern übergesprungen ist, fanden im Laufe des folgenden Monats mindestens drei Volksversammlungen statt. Damals entstanden, wie Dippold berichtete, die bürgerlichen Eliten, die ihren Anteil an der Macht haben wollten und sich in sogenannte "Ortsvereine" organisierten. Erstmals gab es einen Konflikt zwischen gut ausgebildeten jungen Männern und Pfarrern, als sich Pfarrer Georg Heinrich Daig offen von der Kanzel gegen demokratische Bestrebungen aussprach. In Staffelstein gab es zwei Gruppierungen: Die Anhänger der alten Ordnung, zu denen neben Pfarrer und Stadtschreiber auch die Magistraträte zählten, und die Verfechter eines republikanisch-demokratischen Gedankenguts, die gegen Ende 1848 Anfang 1849 immer mehr an Gewicht gewannen. 1862 wurde Staffelstein wieder Mittelpunkt einer Verwaltungseinheit mit Bezirksamt, Amtsgericht und nach einigen Jahren auch eines Rentamts. Die Versetzung protestantischer Beamter führte zur Entstehung einer evangelischen Gemeinde in Staffelstein.

Bezirksamtmann Franz Michael von Rudhart, obwohl selbst katholisch, lehnte ganz im Sinne der vom König eingesetzten liberalen Regierung die Umtriebe der Bayerischen Patrioten-Partei und ihrer geistlichen Protagonisten entschieden ab. Rudhart wertete einen Vorfall im Mai 1874 als "elende Gaukeleien" einer von "religiösen Fanatismus aufgestachelten klerikalen Partei." Was war passiert? Die Fensterscheibe eines Zapfendorfer Hauses zeigte das Bild einer Madonna mit Kind. Als Rudhart dem Eigentümer verbot, diese zu zeigen, kam es zu einem Handgemenge. Später schilderte Rudhart die Ereignisse der Regierung von Oberfranken mit drastischen Worten: "Die in großer Zahl versammelte Volksmenge zeigte sich aufs Äußerste fanatisiert, die Weiber heulten und schrien und die Männer fluchten und tobten ..." Im weiteren Verlauf des Schreibens wies Rudhart darauf hin, dass bei derartigen Angriffen "ein geladener sechsläufiger Revolver sein treuer Begleiter ist". Dafür wurde er von der katholischen Presse als "aufbrausend, autoritär und zu unverhältnismäßig scharfen Mittel greifend" gerügt.

Dippold berichtete über weitere Vorfälle, die von Rudharts tiefer Abneigung gegen die Geistlichkeit geprägt war, besonders aber gegen den damaligen Stadtpfarrer Franz Link. "Beide waren schon seit der Schulzeit bekannt und verfeindet", so Dippold.