"Der Sieg fühlt sich so unwirklich an"

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Bamberg — Der frühe Sonntagnachmittag hat Nora Gomringer um 25 000 Euro reicher und ein bedeutendes Stück bekannter gemacht. Der Ingeborg-Bachmann-Preis, den die 35-Jährige aus Bam...

Bamberg — Der frühe Sonntagnachmittag hat Nora Gomringer um 25 000 Euro reicher und ein bedeutendes Stück bekannter gemacht. Der Ingeborg-Bachmann-Preis, den die 35-Jährige aus Bamberg für ihren Text "Recherche" zugesprochen bekommen hat, zählt zu den wichtigsten und an Prestige reichsten Preise innerhalb der deutschsprachigen Literaturlandschaft.
Der Preis und die damit einhergehende Aufmerksamkeit katapultieren Gomringer endgültig in die erste Liga der deutschen Literatur.
Als Nora Gomringer am Sonntagnachmittag ihr Handy abnimmt, steht sie auf dem Dach eines Hauses, irgendwo in Klagenfurth. Sie wartet dort auf einen Hubschrauber, der sie für Dreharbeiten auf ein Schloss fliegen soll. Was genau sie dort machen soll, hat sie nie gewusst oder schon wieder vergessen. Es hat etwas mit ihrem Bachmann-Preis zu tun, das immerhin sei ihr gesagt worden. Es sind die ersten Momente nach dem großen Triumph - und vielleicht auch die vorerst letzten - ,in denen Nora Gomringer so etwas wie durchatmen kann.
Ist die Welt schon eine andere?
Nora Gomringer: Nein, sie ist noch dieselbe, aber ich bin jetzt einfach unglaublich kaputt. Die vergangenen Tage hier in Klagenfurth waren brutal anstrengend.

Was hat dermaßen an den Kräften gezehrt?
Es ist zum einen wahnsinnig heiß hier in Klagenfurth, aktuell 40 Grad und mehr. Und der ganze Bachmann-Wettbewerb geht natürlich mächtig an die Nerven. Das Lesen, die Kritik und die mediale Einschätzungen. Zudem überträgt sich auch die Anspannung der Mitstreiter und und auch der Jury auf einen selbst.

Das alles wird vor den Triumphgefühlen aber keinen Bestand haben.
Von Triumphgefühlen kann keine Rede sein. Mich plagt vielmehr das schlechte Gewissen meinen Mitstreiter gegenüber.

Das ist doch nicht Ihr Ernst.
Doch. Den Sieg hätten viele verdient, und am Ende bin ich es geworden. Das fühlt sich so unwirklich an. Besonders tut es mir für Teresa Präauer leid, die mit mir im Stechen stand. Sie hätte es verdient, sie war meine Favoritin. Ich glaube, es für sie eine große Katastrophe, dass sie nicht gewonnen hat.

Haben Sie Präauer schon getröstet?
Nein, dazu hatte ich keine Gelegenheit. Was hätte ich ihr auch sagen sollen?

Kam der Sieg völlig überraschend?
Mir war schon bewusst, dass ich ganz gute Papiere habe. Mein Stück und die Lesung waren gut angekommen am Donnerstag, das wusste ich. Aber am Samstag ist dann alles verschwommen. Ich konnte weder mein eigenes noch die Stücke der anderen weiter sinnvoll einordnen.

Wie wird der Sieg Ihr Leben verändern?
Vorrang vor allem hat meine Arbeit als Leiterin der Villa Concordia in Bamberg. Das Wichtigste ist, dass es den Stipendiaten gut bei uns geht. Sie sollen unter meinem Sieg nicht leiden müssen. Das wäre schrecklich.

Das Gespräch führte
Christoph Hägele.