Wer Christoph Seefeld sieht, traut ihm wohl vieles zu, aber keinen Triathlon - nicht mehr zumindest. Immerhin drei Disziplinen sind geblieben, denn der ehemalige Ausdauerathlet ist seit kurzem deutscher Schwergewichts-Meister in Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben.
Daniel Ruppert
Von 75 auf 120 in rund sechs Jahren. Für ein Auto wäre das ein Armutszeugnis, doch die Rede ist nicht von Kilometern pro Stunde und einem Fahrzeug, sondern von Kilogramm beim deutschen Meister im Kraftdreikampf (KDK), wenngleich Christoph Seefeld von seinen Arbeitskollegen gerne mal "Maschine" genannt wird. Noch beeindruckender ist die Steigerung der Gewichte, die der 37-Jährige stemmt. Inzwischen ist der aus Brandenburg stammende, in
Röttenbach wohnende, in Erlangen arbeitende und in Forchheim trainierende Seefeld bei 950 Kilo angelangt.
Oldie besiegt Jungspunde
Seefeld ist ein Spätstarter, die Konkurrenten in seiner Gewichtsklasse (105 bis 120 kg) bei der "Deutschen" in Lauchhammer, ganz in der Nähe seiner Heimat, waren im Schnitt zehn Jahre jünger als er. "Ich war früher Triathlet und Fußballer, hatte aber Knieprobleme. Der Arzt empfahl mir, Muskeln aufzubauen, also ging ich ins Fitnessstudio", erzählt er. Das Training dort machte ihm so viel Spaß, dass er sich nach Alternativen zu seinen bisherigen Hobbys umhörte und im Alter von 31 Jahren beim Kraftdreikampf landete.
"Egal, was ich mache: Ich gebe immer 100 Prozent und will so erfolgreich sein wie möglich", erklärt Seefeld. Diese Mentalität dürfte der frühere Boxer aus mehreren Tiefschlägen erworben haben. Bei der Geburt wickelte sich die Nabelschnur um seinen Hals. Als Jugendlicher in der DDR zog er sich eine Lungenentzündung zu. "Die Ärzte bewerteten meine Überlebenschance mit 50/50. Doch über Nacht habe ich mich plötzlich erholt", berichtet der 37-Jährige. 2003 lag er nach einem Autounfall drei Tage im Koma.
Immer neue Zielmarken
Schneller als viele andere kämpfte er sich ins normale Leben zurück. Schneller als viele andere machte er auch beim KDK Fortschritte, setzte sich immer wieder neue Zielmarken. Dank seiner 900 Kilo in der Summe aus Kniebeuge, Bankdrücken und Kreuzheben
(siehe Infokasten) knackte er bei der westeuropäischen Meisterschaft im September die B-Norm. Sein Siegergewicht bei den nationalen Titelkämpfen hievte den 1,71-Meter-Mann in die höchste Kategorie A. "Ich hatte Schmerzen am Unterarm, Probleme mit den Adduktoren und eine Erkältung. Anscheinend konnte ich mit dem Gefühl, nichts zu verlieren zu haben, meine Bestleistung abrufen."
Blindes Vertrauen in den Trainer
Sein Ergebnis erfährt Seefeld meist erst hinterher, denn wie viele Metallscheiben auf der Stange liegen, überlasse er seinem Trainer. "Ich vertraue Matthias Scholz blind. Wegen ihm fahre ich manchmal extra für eine Trainingseinheit nach Erfurt", sagt Seefeld. Seine Stimme höre er während des Wettkampfs aus dem johlenden Publikum heraus. "Runter, runter, runter", schreit Scholz bei der Kniebeuge und gibt das Signal "Rauf", sobald sein Schützling tief genug ist. Vor jedem Durchgang motiviert sich Seefeld mit einem Schrei, nach dem Versuch geht sein erschöpftes Hecheln im Geschrei der Zuschauer unter. "Im Prinzip sind wir moderne Gladiatoren", beschreibt der Sportler seine Rolle. "Wenn ich meine Nervosität im Griff habe, explodiere ich förmlich."
Einer der Helfer, die den Athleten und die Hantel im Notfall auffangen sollen, fährt die Gewichte, die Seefeld und Co. mit purer Körperkraft stemmen, nach dem Versuch mit einer Sackkarre von der Bühne. So viele Muskeln - da wurde doch nachgeholfen, lautet ein Vorurteil. Doch Seefeld unterliegt als Kadermitglied des Bundesverbands Deutscher Kraftdreikämpfer einer strikten Dopingkontrolle. Selbst auf legale Nahrungsergänzungsmittel verzichtet der Anti-Alkoholiker weitgehend. "Bei einem Dopingtest mussten wir angeben, welche Präparate wir zu uns nehmen. Bei mir blieb das Papier weiß, mein Konkurrent fragte, ob er auf der Rückseite weiterschreiben darf", erzählt Seefeld.
Erster Ersatz im Bundeskader
National hat Seefeld das Maximum erreicht, also blickt der 37-Jährige über die Grenzen hinaus. "Ich würde gerne international starten, im Moment bin ich im Bundeskader an dritter Position und damit erster Ersatz", erklärt der Metzgermeister. Zudem wolle er die 1000 Kilo vollmachen und deutscher Meister mit seiner Bundesliga-Mannschaft aus Oberölsbach (Oberpfalz) werden. Und ganz wichtig: "Ich habe vier bayerische Rekorde gebrochen. Den fünften und letzten hole ich mir auch noch", sagt der Wahlbayer aus der ehemaligen DDR.
Kein Schönheitspreis zu gewinnen
Inzwischen ist Seefeld verheiratet, seine Frau Julia lernte ihn vor zehn Jahren noch als "dünnen" Christoph kennen. "Ob das noch schön ist, sei dahingestellt", sagt Seefeld mit Blick auf seinen Körper, "aber im Moment fühle ich mich wohl und nach der Karriere werden es wieder weniger Kilo", verspricht er.
Bis dahin erfährt er Unterstützung von Familie, Freunden und Kollegen. "Das ist kein Fett. Das sind alles Muskeln", sagt die achtjährige Tochter Carolina und streichelt ihrem starken Papa über den Bauch.