Den Tanz vergessen die Beine nicht

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Alte Standardtänze der Jahrhundertwende zeigten vier Paare in historischen Kostümen, vorn Franz und Sylvia Rößner (Seßlach), den Bewohnern des Seniorenheims der Flenderschen Spitalstiftung in Seßlach. Die Einrichtung plant einen regelmäßigen Tanztee. Fotos: Bettina Knauth
Alte Standardtänze der Jahrhundertwende zeigten vier Paare in historischen Kostümen, vorn Franz und Sylvia Rößner (Seßlach), den Bewohnern des Seniorenheims der Flenderschen Spitalstiftung in Seßlach. Die Einrichtung plant einen regelmäßigen Tanztee.  Fotos: Bettina Knauth

Idee  Im Seniorenheim der Flenderschen Spitalstiftung wird zukünftig regelmäßig getanzt - auch aus therapeutischen Gründen. Den Auftakt gestalteten Akteure der Tanzschule Weinberg.

von unserer Mitarbeiterin Bettina Knauth

Seßlach — "War das schön!" Maria Bude ist begeistert. Gerade haben vier Tanzpaare, beobachtet von vielen Bewohnern, im großen Speisesaal des Seniorenheims der Flenderschen Spitalstiftung Standardtänze des späten 19. Jahrhunderts gezeigt. "Die haben wirklich etwas geleistet, so etwas können die Jungen gar nicht mehr", ist die 88-Jährige überzeugt. Im Juni 2014 ist sie von Bamberg in die Einrichtung mitten in der Seßlacher Altstadt gezogen. Auch für die "tollen Kleider" der Formationstänzer von der Coburger Tanzschule Weinberg ist die rüstige Seniorin des Lobes voll.
Die Kostüme sind der Zeit vor über 100 Jahren nachempfunden: Die Damen tragen lange Roben in Beige, Rot und Lila, die Männer schwarze Fräcke, Zylinder und Gamaschen. Der 89-jährige Coburger Werner Döhler kennt die Festkleidung aus der Residenzstadt, wo sie früher nicht nur von Angehörigen des Herzoghauses getragen wurde. "Das war ja auch eine schöne Zeit!", denkt Johanna Bätz mit verklärtem Lächeln zurück. Mit 98 Jahren ist sie die zweitälteste Bewohnerin der Flenderschen Spitalstiftung und mit Abstand die älteste Zuschauerin im Raum. Für die "schönen Tänze", die ihr "allesamt gefallen haben", hat Johanna Bätz an diesem Samstag sogar auf ihre Mittagsruhe verzichtet.
Vielleicht wird sie ihre Siesta in Zukunft häufiger verpassen, denn die Vorführung vom Wochenende ist als Auftakt für einen regelmäßigen Tanztee im Altenheim gedacht. Zweimal im Monat, so plant es Monika Hammerla-Claassen, sollen auch die Bewohner tanzen können. "So wie diese Paare werden wir es natürlich nicht mehr schaffen", weiß die gerontopsychiatrische Fachkraft, aber darauf komme es auch gar nicht an. Monika Hammerla-Claassen erläutert: "Tanzen ist einfach gesund, es ist wichtig für die Geselligkeit und stimuliert emotional im positiven Sinne."
Schon die Musik motiviere die Bewohner zur Bewegung, durch sie könnten gespeicherte Erinnerungen an motorische Abläufe abgerufen werden. "Die Füße kennen die passende Bewegung zur Musik", erläutert Hammerla-Claassen. Tatsächlich klatschen etliche Zuschauer im Rhythmus mit oder wippen mit den Füßen. Soweit möglich, eventuell auch mit Rollstuhl, sollen die Bewohner einbezogen werden, wenn es im April losgeht, fügt Anna Winkelmann hinzu. Selbst nicht in der Einrichtung lebende Partner könnten dazukommen.

Positiver Effekt der Bewegung

Tanzerlebnisse gehörten zu den Biografien der Senioren, an die beide gerontopsychiatrische Fachkräfte der Flenderschen Spitalstiftung gern anknüpfen, besonders wenn es um die Arbeit mit den Demenzerkrankten geht. Neueste Forschungen belegten zudem die positiven Effekte der Tanzbewegungen, sagen sie. Wichtig sei ein standardisierter Ablauf, meint Winkelmann. Für sie gehört neben der Bewegung zur Musik auch das Gespräch zum Tanztee fest dazu - wie es etwa im früheren Tanzcafé am Rosengarten der Fall war.
Nicht nur für die Bewohner, auch für die Tänzer stellt der Auftritt im Altenheim eine Premiere dar. "Normalerweise haben wir mehr und jüngere Zuschauer", kommentiert Franz Rößner. Üblicherweise zeigen der Seßlacher und seine Frau Sylvia Helbig-Rößner diese traditionellen Tänze bei Abschlussbällen, um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ihre Kostüme haben alle Paare, die seit einem Jahr als Formation etwa den französischen Kontratanz, den Figurentanz Kreuzpolka, die ruhigere Tyrolienne oder die polnische Mazurka vorführen, historischen Vorbildern nachschneidern lassen.
Spätestens beim Wiener Walzer, freut sich die Coburgerin Sabine Garlin, habe sie "das eine oder andere Lächeln" über die Gesichter der Zuschauer huschen sehen. Nach den abschließenden Tänzen Rheinländer und Galopp, sind alle acht Tänzer ein wenig aus der Puste. Kein Wunder, dass gerade der lebhafte Galopp früher oft den Kehraus am Ende eines Balls bildete. Sylvia Helbig-Rößner freut sich, dass ihr Auftritt den Auftakt zu einem regelmäßigen Tanztee darstellen soll: "Zum Tanzen ist man nie zu alt", ist die Seßlacherin überzeugt, "selbst wenn man es noch lernen muss."
Und Maria Bude freut sich schon auf den Tanztee: "Ich bin immer wieder überrascht, was hier so geboten wird", sagt die 88-Jährige.