Das Traumpaar nimmt Abschied

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Vor historischer Kulisse: Osborne House, Isle of Wight. Foto: Coburg Marketing
Vor historischer Kulisse: Osborne House, Isle of Wight. Foto: Coburg Marketing
Die historischen Vorbilder: Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, seine Gemahlin Victoria, Königin von England. Foto: CT-Archiv
Die historischen Vorbilder: Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, seine Gemahlin Victoria, Königin von England. Foto: CT-Archiv
 
Im Schützen-Auszug auf dem Schlossplatz: Wegen der BR-Radltour wählten die Schützen für ihren Auszug eine andere Route als sonst. Foto: Wolfgang Desombre/CT-Archiv
Im Schützen-Auszug auf dem Schlossplatz: Wegen der BR-Radltour wählten die Schützen für ihren Auszug eine andere Route als sonst. Foto: Wolfgang Desombre/CT-Archiv
 
 
 
Auftritt bei der Weihnacht der Generationen im Kongresshaus. Foto: Manja von Nida/CT-Archiv
Auftritt bei der Weihnacht der Generationen im Kongresshaus. Foto: Manja von Nida/CT-Archiv
 
Termine, Termine: Übergabe eines "Goldenen Parktickets". Foto: CT-Archiv
Termine, Termine: Übergabe eines "Goldenen Parktickets". Foto: CT-Archiv
 
Krönchen und Kärtchen verteilen: Einsatz fürs Stadtmarketing. Foto: CT-Archiv
Krönchen und Kärtchen verteilen: Einsatz fürs Stadtmarketing. Foto: CT-Archiv
 

Queen Victoria und Prinz Albert werben in ihrem 200. Geburtstag für die Stadt Coburg: Neun Monate lang sind Lou Leimeister und Jerry Paramo in diese Rollen geschlüpft. Am erfolgreichsten waren sie allerdings bei den Coburgern selbst.

Meistens mussten sie gar nichts tun. Nur dastehen, lächeln und huldvoll gucken. "Dann hatte man schon diesen Uii-Moment", sagt Jerry Paramo. Knapp ein Dreivierteljahr trat er in einer Art Gala-Uniform auf, mit heller Hose und großen Stiefeln, und neben ihm Lou Leimeister im apricotfarbenen Spitzenkleid mit weit ausladendem Rock. Sie mimten Prinz Albert und Queen Victoria, die vor 200 Jahren geboren wurden - Victoria im Mai in England, Albert im August 1819 auf Schloss Rosenau. Seit 1840 waren beide ein Ehepaar, das sich für die Öffentlichkeit auch bewusst als Traumpaar inszenierte.

Die Sehnsucht nach royalem Glanz scheint groß zu sein. Nicht nur in Coburg. Auch auf der Isle of Wight, wo am 24. Mai des Geburtstags der Queen gedacht wurde. Lou Leimeister und Jerry Paramo fuhren im Kostüm in einer Kutsche mit der historischen Parade durch East Cowes, dem kleinen Ort direkt neben der königlichen Residenz Osborne-House. "Das war berührend", sagt Jerry Paramo. "Vor allem die Senioren aus dem Heim, die im Rollstuhl an der Straße saßen und sich freuten und Fähnchen schwenkten." Paramo, der als Sohn eines Amerikaners zweisprachig aufgewachsen ist, genoss es außerdem, auf der Isle of Wight mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen. "Mit einigen haben ich seither über Facebook Kontakt."

Sie schnitten in einer Coburger Konditorei die "Prinz-Albert-Torte" an, sie feierten mit den Bewohnern des Ernst-Faber-Hauses Weihnachten, sie durften beim Coburger Schützenauszug mitlaufen: Dass sie bei so vielen verschiedenen Anlässen auftreten durften, so viele Menschen kennenlernten, Erfahrungen sammeln konnten mit Presse, Funk und Fernsehen - "ich würde es nicht missen wollen", sagt Lou Leimeister im Rückblick. "Aber ich war insgeheim froh, dass wir nicht aufs Samba-Festival mussten", ergänzt Jerry Paramo. "Die Open-Airs haben wir auch abgelehnt. Das hätte nicht gepasst", erzählt Lou Leimeister. "Es hat uns auch keiner vermisst", sagt Jerry Paramo.

Wie viele Termine sie im Kostüm absolviert haben, wissen sie gar nicht genau. Waren es 30? 42? Angedacht waren jedenfalls nicht so viele, vielleicht einer im Monat, hatte es beim Casting Ende März geheißen. "Du zählst es nicht wirklich", sagt Jerry Paramo.

Er hatte sich allein als Albert beworben, Lou Leimeister unabhängig davon als Queen Victoria. Das Coburger Stadtmarketing spannte die beiden zusammen. "Menschlich hat es gepasst", sagt Lou Leimeister, die 13 Jahre jünger ist als Jerry Paramo. Damit entsprechen sie nicht ganz den historischen Vorbildern, aber das spielte bei den Auftritten keine Rolle. Jerry Paramo ließ sich Koteletten wachsen wie Prinz Albert und passte die Frisur an. "Ich werde schon manchmal ohne Kostüm erkannt", sagt er mit einem Schmunzeln. Lou Leimeister mit ihren langen blonden Haaren kommt dagegen meist unerkannt durch. Als "Victoria" trug sie eine Perücke.

Nun ist das Jubiläumsjahr vorbei, und ihre Auftritte als Victoria und Albert auch. Sie finden es richtig so. "Es würde seinen Charme verlieren", sagt Jerry Paramo. Dass sie manchmal erklären mussten, wen sie da verkörpern, störte nicht. "So war man sofort mit den Leuten im Gespräch." Lou Leimeister, die einen Werbeauftritt in London ohne "Albert" absolvierte, wurde in ihrem hellen Kleid eher für "Belle" aus "Die Schöne und Biest" gehalten als für Queen Victoria. Die Coburger jedoch wussten Bescheid, selbst als Lou Leimeister zu einigen Auftritten im Kostüm mit dem Stadtbus fuhr. "Da hab ich mich gefühlt wie in dem Film ,Zurück in die Zukunft‘. Die Leute haben geguckt, aber nichts gesagt. Nur die Kinder waren begeistert: ,Die Queen fährt Bus!‘"

Die Auftritte im Ernst-Faber-Haus und bei der "Weihnacht der Generationen" waren die letzten für Victoria & Albert. Seither hängen "die Uniform und das Kleid ganz traurig im Schrank", sagt Lou Leimeister. Seitens des Coburg Marketing ist nicht an eine Verlängerung gedacht. "Wir haben die zwei bewusst nur für dieses Jahr ausgesucht", sagt Horst Graf, Leiter des Coburg Marketing. "Natürlich überlegen wir, ob wir bei besonderen Anlässen mit royalem Bezug Lou und Jerry reaktivieren, da beide eine enorme Ausstrahlung haben und immer die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben." Aber dafür müssten die beiden einverstanden sein.

Sie zeigen sich zumindest nicht grundsätzlich abgeneigt. Beim Coburg Marketing hätten sie sich immer gut aufgehoben gefühlt, betonen beide. Dass auf der einen Seite klar beschrieben war, was von ihnen erwartet wurde, sie aber auf der anderen Seite viele Freiheiten hatten, ihre Rollen zu gestalten, empfanden sie als angenehm. "Dadurch hat es an Leben gewonnen und wurde authentisch", sagt Lou Leimeister.

Beruflich und privat haben sich beide inzwischen etwas von Coburg entfernt. Lou Leimeister macht in Berlin eine Ausbildung zur operationstechnischen Assistentin und will danach Medizin studieren. Jerry Paramo unterrichtet seit September an einer Schule in Nürnberg, wohnt aber noch in Lichtenfels. Dort hat er für sich selbst seinen letzten Auftritt als Albert inszeniert: Er zündete - im schwarzen Anzug - die Kerzen des Weihnachtsbaums an, so, wie es der historische Albert vielleicht auch in Windsor getan hatte. Die Bilder von der königlichen Familie mit den Kindern unterm Christbaum machten diesen deutschen Weihnachtsbrauch in Großbritannien populär.

Ein bisschen muss Jerry Paramo angesichts dessen über sich selbst schmunzeln, denn im Laufe des Jahres hat er bei sich einige Ähnlichkeiten zu Albert entdeckt: "Den Wissensdurst. Das Korrekte." Er spielt sogar Klavier - wie Albert auch. Aber nun ist Schluss. "Die Koteletten kommen wieder ab."