Gerhard Amend wird heute 70 und kandidiert derzeit das sechste Mal für einen Sitz im Coburger Stadtrat.
Simone Bastian Er könnte sich zur Ruhe setzen. Aber: "Ich will noch mal", sagt Gerhard Amend. Seit 30 Jahren gehört er dem Stadtrat zu Coburg an, und in seiner politischen Vita spiegelt sich vieles, was Coburg in den vergangenen 30 Jahren bewegte.
Gestartet ist er mit der CSU: Nach Stationen im Umweltministerium und am Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe kehrte Amend 1989 nach Coburg zurück. Hier hatte er 1971 Abitur gemacht; den Schüler aus Wasmuthhausen (Gemeinde Maroldsweisach) hatte ein engagierter Lehrer für Politik interessiert. "Wir waren alle links damals." Während des Jura-Studiums in Erlangen schloss sich Amend dem Ring christlich-demokratischer Studenten an. "Ohne politische Ambitionen", wie er betont, und er sei auch nicht gleich in die CSU gegangen. Anfang der 80er-Jahre war er aber drin. 1990 kandidierte er das erste Mal für den Stadtrat auf Platz sechs. "Ich bin ganz gut gewählt worden", sagt er rückblickend und führt das darauf zurück, dass er seinerzeit als Fußball-Schiedsrichter recht bekannt war.
1990 war das Jahr, in dem die Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten ganz verschwand, das Jahr, in dem Coburg mit Norbert Kastner (SPD) den jüngsten Oberbürgermeister Deutschlands wählte. "Es war eine Aufbruchstimmung da", sagt Amend. "In Coburg musste vieles neu gestaltet werden", auch, weil es plötzlich wieder ein Hinterland gab. "Wir haben Boden-Vorratspolitik betrieben. HUK Coburg und Brose konnten sich im Stadtgebiet nicht mehr erweitern." Für Brose räumte die Stadt in den 90er-Jahren ihr Busdepot; für die HUK Coburg wurde die Bertelsdorfer Höhe erschlossen. "Das war eine Meisterleistung, dass wir 50 Hektar in so kurzer Zeit erschließen konnten", sagt Amend. "Damit haben wir der Coburger Wirtschaft sehr genutzt und es kam über die Gewerbesteuerzahlungen zurück." Die Stadt habe aber nicht nur für Gewerbegebiete Land aufgekauft, sondern auch für Wohnungen. "Die Flächen für den Eigenheimbau haben wir ohne Gewinn weitergereicht."
Die Lauterer Höhe sei damals gezielt gekauft worden für Einzelhandelsgroßprojekte, sagt Amend. Ein großes Einkaufszentrum verhinderten die Coburger jedoch per Bürgerentscheid. "Gottseidank, sage ich mittlerweile." Die Stadt gab sich ein Einzelhandelskonzept, das regelt, welche Sortimente auf der Lauterer Höhe zulässig sind. "Wir haben viel abgelehnt", betont Amend.
Die Lauterer Höhe war aber indirekt auch der Auslöser dafür, dass Amend der CSU nicht mehr angehört: Der Stadtrat hatte 2006 beschlossen, eine Multifunktionshalle für Sport und Großveranstaltungen auf der Lauterer Höhe zu errichten. Der Unternehmer Michael Stoschek (Brose) führte zusammen mit dem damaligen Sprecher der HUK-Vorstände, Rolf-Peter Hoenen, die Initiative dagegen an: Veranstaltungen sollten in der Innenstadt stattfinden, die Multifunktionshalle mithin am Anger errichtet werden. Das war die Grundlage des "Neuen Innenstadtkonzepts", das auch die Verlagerung der Sportstätten vom Anger in den Norden der Altstadt vorsah. Die Diskussion spaltete seinerzeit halb Coburg und auch die CSU-Fraktion: Amend und sechs weitere Fraktionsmitglieder traten aus und gründeten die Vereinigung Christlich-Soziale Bürger (CSB).
Ob sich diese Spaltung wieder überwinden lässt? Amend weicht aus: "Kein Ding ist unmöglich, sagte mein Klavierlehrer immer." Dieser Klavierlehrer war seinerzeit Hans Dieter Bauer, der heute noch Konzerte gibt. Aber derzeit ist keine Wiederannäherung zu erkennen, auch wenn es hie und da persönliche Verbindungen zu CSU-Leuten gibt. Die CSB treten am 15. März zum dritten mal mit einem eigenen Oberbürgermeisterkandidaten und einer eigenen Liste an. Amend steht auf Platz zehn, wie schon 2014. "Ich hatte trotzdem die meisten Stimmen." Er wollte anderen, die für die CSB antreten, "eine reelle Chance geben", sagt er und klingt dabei nicht mal kokett.
Nach 30 Jahren sieht er Zeit für Neues: "Wir müssen mit einer neuen Offenheit an die Dinge rangehen", fordert er und meint damit eine größere Beteiligung der Bürger an Diskussionen und Entscheidungen. "Viele haben das Gefühl, dass sie nicht gehört werden." Außerdem müsse man sich Gedanken machen über Stadtsanierung und Stadtgestaltung unter Berücksichtigung des Klimaschutzes.