Demenz ist nicht ansteckend
"Demenz ist nicht ansteckend. Allerdings kommt man nicht mehr so oft raus, wenn man einen Partner pflegt. Da ist die Gefahr, dass man selbst verwaist", antwortet Seeger.
An diesem Morgen geht es um die Kommunikation mit Demenzkranken, denn diese kann nicht auf der Sachebene geführt werden. "Man muss immer gut sein und alles schön erklären", sagt eine Dame. Ein Mann antwortet: "Ja, und das manchmal 20 Mal." Da schüttelt eine andere Dame traurig den Kopf und meint: "Ich wäre froh, wenn mich mein Mann 20-mal etwas fragen würde. Bei uns herrscht das große Schweigen."
Die Angehörigen können sich im Kurs austauschen und erhalten eine neue Sicht auf ihre Situation. Eine Dame erzählt, dass ihr Mann, wenn sie hin und wieder ausgehen, dann plötzlich heim will. "Meiner sagt immer nur Ja oder Nein", ergänzt eine andere Kursteilnehmerin. Eine weitere Frau berichtet, dass ihr Mann einerseits nachfragt, andererseits dann schimpft, wenn sie etwas erklärt.
Eine Dame erzählt, dass sie ihren Mann nach der Tagespflege immer fragte, was er denn gegessen habe, und der antwortete "Hackbraten". Sie fragte bei der Tagespflege nach, ob es denn nichts anderes gebe, und erfuhr, dass es gerade an diesem Tag Apfelstrudel gegeben hatte.
Stephan Seeger erklärt den Teilnehmern, dass man mit Demenzkranken nicht auf der Verstandesebene kommunizieren könne: "Das ist wie mit einem Eisberg. Oben sind die wahrnehmbaren Äußerungen, aber es gibt viel mehr nicht sichtbare Bedürfnisse. Deshalb benötigen Demenzkranke eine einfühlsame Kommunikation."
Die große Frage sei: "Was ist Wahrheit bei der Demenz?" Der Kursleiter erklärt die sogenannte Bedürfnispyramide: Die Basis sind hier die körperlichen Bedürfnisse wie Essen, schmerzfrei sein oder Bewegung. Will der Demenzkranke beispielsweise heim, solle man nicht fragen, warum, sondern klären, ob er eben Hunger oder Schmerzen hat. Die nächste Ebene ist die Sicherheit. Das heißt, der Kranke möchte verstehen oder hat Angst. Auch das könnte ein Grund dafür sein, warum der Demenzkranke aus dem Beispiel heim will. Die dritte Ebene sind die sozialen Bedürfnisse; er möchte kommunizieren oder dazugehören. Im Beispiel fühlt sich der Kranke vielleicht nicht angenommen.
Die oberste Ebene
Die nächste Ebene ist das Geltungsbedürfnis. Hier möchte der Demenzkranke noch wichtig sein. Und die oberste Ebene ist die Selbstverwirklichung. Je weiter die Demenz fortgeschritten ist, umso mehr geht es um die unteren Ebenen. Das bestätigen auch die Teilnehmer. Und eine Dame meint: "Aber am wichtigsten ist es, ihm immer wieder zu sagen, dass man ihn gern hat."