Bamberger setzen ein Zeichen

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168 Bamberger jüdischen Glaubens wurden in der Nacht des 9. Novembers 1938 verhaftet, 81 von ihnen ins Konzentrationslager deportiert. Viele Bamberger gedachten der Opfer des Naziterrors vor dem Mahnmal am Synagogenplatz. Foto: Matthias Hoch
168 Bamberger jüdischen Glaubens wurden in der Nacht des 9. Novembers 1938 verhaftet, 81 von ihnen ins Konzentrationslager deportiert. Viele Bamberger gedachten der Opfer des Naziterrors vor dem Mahnmal am Synagogenplatz.  Foto: Matthias Hoch

Gedenken   Am Sonntagabend versammelten sich viele Bamberger am Synagogenplatz, um die Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 zu ehren. Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) mahnte zur Wachsamkeit gegen Rechtsradikale.

von unserer Mitarbeiterin 
Marion Krüger-Hundrup

Bamberg — Die Geschehnisse vom 9. November 1938 sind zwar Geschichte. Doch "wir sind noch lange nicht soweit, auch nach 76 Jahren auf Gedenktage wie den heutigen zu verzichten", betonte Martin Arieh Rudolph, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg. Dabei gehe es nicht allein um Erinnerung. "Es geht vielmehr auch darum, sich immer wieder neu bewusst zu machen, welche Folgen es haben kann, wenn wir nicht darauf achten, jeglichen antidemokratischen Strömungen entschieden entgegenzutreten", so Rudolph. Von Volksverhetzung und fundamentalistischen Strömungen jeglicher Art sei es nur ein kleiner Schritt zu Totalitarismus und Terror.
Dieses Zeichen des Erinnerns in Verantwortung für das Heute und Morgen setzten viele Bamberger am Sonntagabend just an der Stelle, an der in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die Synagoge von 1910 brannte. 168 Bamberger jüdischen Glaubens wurden in dieser Nacht verhaftet und ins Gefängnis verbracht, 81 von ihnen ins Konzentrationslager deportiert.
Von 1933 bis 1945 wurden 428 Bamberger Juden zu Opfern des nationalsozialistischen Terrors: "Ihrer wollen wir heute gedenken, deswegen stehen wir hier, auch um zu schwören, dass wir alles tun wollen, um Rechtsradikalen zu widerstehen und energisch entgegenzutreten", sagte Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD).
Systematische Verfolgung und Ermordung einer ganzen Gemeinschaft "darf sich niemals wiederholen, nicht in Deutschland, nirgendwo auf der Welt", so Starke. Es liege an jedem, für die Prinzipien der Demokratie, für Toleranz und Respekt, Menschenwürde und Gerechtigkeit einzutreten.
Der OB erinnerte an das "Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus", das vor zwei Wochen den engen Schulterschluss der Stadt für Asylbewerber gezeigt habe: "Wir lassen nicht zu, dass auf dem Rücken von wehrlosen, bedrängten Menschen Ressentiments bedient werden und ausländerfeindliche Parolen den Nährboden für rechte Propaganda bilden", erklärte der OB.
Auch Martin Arieh Rudolph würdigte die "demokratischen und unerschrockenen Bürger", die am 25. Oktober bewiesen hätten, dass Neonazis in Bamberg nicht gewollt sind. Rudolph nannte noch einen weiteren Grund für ein notwendiges Gedenken an die vergangenen Geschehnisse: "Je mehr der Überlebenden der Schoa hochbetagt sterben und ihre Erinnerungen mit uns nicht mehr teilen können", könne sich insbesondere die Jugend nicht mehr vorstellen, was Ausgrenzung, Entmenschlichung, Terror, der Kampf ums nackte Überleben bedeuteten.
Dass sich heutige Jugendliche aber durchaus mit einem der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte auseinandersetzen, stellten sie in der Gedenkstunde unter Beweis. Schüler und Schülerinnen des Franz-Ludwig-Gymnasiums hatten sich im Unterricht auf die Spuren des Holocaust in ihrer Schule gemacht und trugen einen Text von Günter Löbl - einer der einstigen 30 jüdischen Mitschüler - vor.
Schülerinnen der Maria-Ward-Schulen legten ein symbolisches Puzzle, mit dem ein Haus aus Frieden, Freundschaft, Respekt, Empathie und Verständnis entstand, in dem Liebe und Gemeinschaft wohnen.
Der Bamberger Synagogenchor unter der Leitung von Dimitry Braudo brachte gefühlvolle hebräische Lieder zu Gehör. Ganz still wurde es, als Martin Arieh Rudolph das "El male Rachamim" stimmgewaltig gen Himmel schickte. "Gott voller Erbarmen": Dieses jüdische, gesungene Gebet zum Gedenken an die sechs Millionen jüdischen Opfer des Holocaust ließ niemanden kalt. Auch nicht das Kaddisch, das Rudolph betete.
Vor dem Mahnmal am Synagogenplatz verharrten Oberbürgermeister Starke und Assia Spivak, zweite Vorsitzende der Kultusgemeinde, vor den niedergelegten Kränzen der Stadt Bamberg und der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg.
Auch etliche Anwesende - unter ihnen die Bürgermeister Christian Lange (CSU) und Wolfgang Metzner (SPD), Stadträte aller Fraktionen, Vertreter der Kirchen, Rabbinerin Yael Deusel, Migrationsbeiratsvorsitzender Mohamed Hédi Addala - bezeugten ihren Respekt.