Nach dem Tod der elfjährigen Janina in Unterschleichach ermittelt eine Sonderkommission der Polizei. Dorfbewohner trauerten in einer Gebetsstunde und besuchten den Unglücksort. Das Thema Waffenbesitz wird im Internet diskutiert.
Ein Dorf steht unter Schock. Am gestrigen Montagabend trafen sich die Bewohner von Unterschleichach zu einem stillen Gebet und einen gemeinsamen Gang zu der Unglücksstelle. Anlass war der tragische Vorfall in der Silvesternacht, bei dem die elfjährige Janina nach Ermittlungen der Polizei von einem Projektil aus einer Kleinkaliberwaffe tödlich am Kopf getroffen worden war. Das Mädchen hatte in dem 450-Einwohnerdorf in der Gemeinde Oberaurach bei Bekannten Silvester gefeiert. Sie und ihre Familie stammen aus Burgebrach im Landkreis Bamberg.
In Unterschleichach, wo das Unglück gegen 1 Uhr nachts am Neujahrstag geschah, herrscht nach wie vor Fassungslosigkeit, die Einwohner versuchen, die tragischen Ereignisse irgendwie zu verarbeiten.
Wie die Organisatorin der Pfarrei und Dritte Bürgermeisterin Sabine Weinbeer erklärte, wollte man mit der Gebetsstunde am gestrigen Montagabend vor allem den Dorfbewohnern eine Möglichkeit bieten, ihren Schrecken und das Geschehen gemeinsam zu verarbeiten. Die Stunde in der Kapelle Maria Heimsuchung solle bewusst nicht überemotionalisiert werden. Die Pfarrei wolle auch nicht die Trauer der Familie institutionalisieren, vielmehr wolle die Gemeinschaft beten, um der Familie Kraft zu spenden.
Sonderkommission ermittelt
Unterdessen hat die Kriminalpolizei (Kripo) Schweinfurt eine Sonderkommission mit rund 50 Beamten eingerichtet.
Die Soko "Unterschleichach" ermittelt laut Polizei in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Bamberg "mit Hochdruck an der Aufklärung der genauen Tatumstände".
Polizeibeamte hatten in den vergangenen Tagen bereits Anwohner befragt und registrierte Waffenbesitzer in dem Ort überprüft. Allerdings ohne konkreten Hinweis auf einen Täter, wie Kathrin Thamm von der Pressestelle des Polizeipräsidiums auf Anfrage dieser Zeitung erklärt. Dass man nach der Überprüfung der registrierten Waffen im Umkreis noch keinen Erfolg vermelden könne, heiße nicht, dass es sich bei der gesuchten Waffe um eine illegale (nicht registrierte) gehandelt habe. "Es ist nicht so, dass der Täter aus Unterschleichach kommen muss", sagte sie. Man ermittle deswegen weiter in alle Richtungen. Die Soko "Unterschleichach" werde nun weitere zahlreiche Vernehmungen durchführen.
Weiterhin laufen nach Angaben der Polizei und Staatsanwaltschaft "unter anderem auch Überprüfungen bei Personen, die in der Nähe des Tatortes wohnen oder sich in der Silvesternacht dort aufgehalten haben". Außerdem gingen die Ermittler genauestens den Hinweisen aus der Bevölkerung nach, die bereits bei der Kripo Schweinfurt eingegangen sind.
Das Polizeipräsidium Unterfranken in Würzburg betont in seiner mit der Staatsanwaltschaft Bamberg herausgegebenen Pressemitteilung, dass die Ermittlungen durch Hinweise aus der Bevölkerung möglicherweise entscheidend vorankommen. "Die Kripo Schweinfurt sucht weiterhin dringend nach Zeugen", heißt es.
Wer Angaben machen kann, soll sich unter Telefon 09721/2021731 melden.
Schärferes Waffengesetz?
Im Internet wird auf der Facebookseite von
infranken.de unter den Berichten zu dem tragischen Vorfall unter anderem darüber diskutiert, ob es nicht eine Verschärfung des Waffenrechts brauche.
So empört sich etwa ein Nutzer mit folgendem Beitrag (Rechtschreibung wurde korrigiert): "Nur noch Vollpfosten und Hobbycowboys! Unser Gesetzgeber sollte endlich alle Waffen von den Leuten, die keine von Berufswegen her brauchen, einziehen! Wäre schon mal ein guter Anfang zum Thema Sicherheit in Deutschland." Darauf antwortete ein anderer Nutzer: "Und wenn niemand mehr eine Waffe besitzen darf, wird niemand mehr eine Waffe besitzen? Glaubst du auch an den Weihnachtsmann?"
Das Thema Waffenrecht ist in solchen Situationen meist Thema, aber würde eine
Verschärfung der Regeln tatsächlich verhindern können, dass es zu (grob)fahrlässigem oder sogar vorsätzlichem Fehlverhalten im Umgang mit Waffen kommt? Dass im Internet viel spekuliert und auch geschimpft wird, sei keine große Überraschung, sagt Roland Wiltschka.
Spekulieren und Schimpfen
Der Rentweinsdorfer war 23 Jahre lang Richter am Amtsgericht in Haßfurt (jetzt im Vorruhestand) und er ist auch Jäger, weiß also um die Gefährlichkeit und die Verantwortung im Zusammenhang mit Waffen. Aber Spekulieren und Schimpfen "führt ja nicht weit. Es sind verständliche Emotionen, die da hochgehen. Aber es bringt nichts, Pauschalverurteilungen abzugeben", sagt er.
Man sollte auf die endgültigen Ermittlungsergebnisse der Polizei warten und dann überlegen, ob es Möglichkeiten gebe, solchen Ereignissen vorzubeugen.
In der Verschärfung des Waffengesetzes sieht er nicht die Lösung, denn das sei bereits sehr streng. Wenn jemand, wie in dem Fall in der Silvesternacht, eine Waffe zweckentfremdet nutze (also nicht etwa zur dafür vorgesehenen Ausübung zum Beispiel des Schießsports oder der Jagd), dann hat dieser "illegal eine Waffe genutzt" und gegen das Waffengesetz verstoßen. Jemand, der eine Waffenbesitzkarte hat, und zum Beispiel verurteilt wird etwa im Zusammenhang mit Alkohol oder anderen Drogen, wird von der Staatsanwaltschaft automatisch bei der zuständigen Waffenbehörde, also dem Landratsamt, gemeldet. Die überprüfen dann, ob derjenige noch zum Waffenbesitz geeignet ist.
Diese Überprüfung auf Zuverlässigkeit müssen außerdem generell alle Waffenbesitzer alle drei Jahre vom Landratsamt ertragen. Roland Wiltschka erklärt, ein strengeres Gesetz sei wenig sinnvoll. "Es sei denn, Sie sagen: Keiner darf eine Waffe benutzen. Dann wären halt Waffen illegal im Umlauf."
Dass etliche Kleinkaliberwaffen tatsächlich unregistriert in privatem Besitz sind, davon ist allerdings auszugehen; denn wegen der strengen Auflagen zum Waffenbesitz wird sich nicht jeder Eigentümer einer solchen Waffe, die zum Beispiel aus einer Erbschaft kommen kann, bei den Behörden gemeldet haben. Ein erfahrener Jäger aus dem Bereich Ebern, der namentlich nicht genannt werden möchte, erklärt: "Kleinkaliber nutzen zumindest die älteren Jäger alle noch und haben so ein Gewehr daheim." Dafür brauche man natürlich einen Waffenschein.
Fatale Folgen
"Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dies früher nicht so strikt gehandhabt wurde. Ich möchte nicht wissen, wie viele Gewehre und Pistolen unregistriert da irgendwo rumliegen", sagt er.
Eines sei auf jeden Fall sicher: Bei einem Schuss aus bis zu 200 Metern auf den Kopf hätte das fatale Folgen, auch wenn nicht direkt auf den Kopf gezielt wurde, sondern beispielsweise im flachen Winkel über ein Hausdach geballert wurde, erläutert der Mann.