Bergarbeiter (5) Appendix spielt sechs Tage auf dem Berg. Ob acht Stunden Musik spielen pro Tag wirklich ein Vergnügen ist, versuchte unser Bergreporter selber herauszufinden.
von unserem Redaktionsmitglied
Michael Busch
Berg — Okay - ich gebe es zu. Die Idee, bei einer Band auf dem Berg zu arbeiten, lag hauptsächlich in der Idee begründet, berühmt zu werden. Wochenlang habe ich vor dem Spiegel und in der Badewanne atemlos "Atemlos" geträllert. Da das Publikum in den heimischen vier Wänden eher ungebildet kommentiert (zehnjährige Tochter: "Papa, hast du große Schmerzen?"), entwickelte sich die Idee, ein Fachpublikum zu finden, zum Beispiel die Tausende von Bergbesuchern.
Die Bühne wartet Die ideale Band war Appendix, und überraschenderweise antworteten die Bandmitglieder mit einem spontanen "Ja". Ich hatte lediglich gefragt, ob sie jemanden brauchen könnten, der mit Appendix mal professionell zusammenarbeiten möchte. Und so startete mein Gig um exakt 14 Uhr am Erich-Keller. Auf der neuen Bühne, da die "alte Bühne" dem Sicherheitskonzept der Stadt weichen musste.
Es sind nicht alle Plätze besetzt. Dort, wo die Sonne durch die Bäume bis auf den Boden kommt, sitzt selten ein Besucher. Die Bühne selber ist deutlich schmaler als in den Jahren zuvor. "Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr ein wenig mehr in die Breite gehen können", hofft Bernd Meier, Gitarrist und Sänger.
Die siebenköpfige Truppe begrüßen mich nett, die Namen sind mir aus dem Internet bekannt, ich habe mich auf www.appendix.de natürlich rechtzeitig über meine neuen Musikerkollegen informiert. Da ist zum Beispiel Jackson. Der heißt einfach nur Jackson - so ganz ohne weitere Namen. Der möchte zum Beispiel gerne mal Paris Hilton treffen und gibt freiwillig zu, dass seine erste CD "Looking for freedom" von David Hasselhoff war.
Oder Christian Griebel (der hat wenigstens einen Nachnamen), der vom Bandkollegen Bernd ein paar gute Tipps haben möchte, um sein Geld anzulegen. Der wiederum ist neben seiner Musikkarriere Banker in Herzogenaurach.
Aber sie haben alle mal klein angefangen und wissen um den Stress beim ersten Auftritt. Damit dieser sich legt, bekomme ich meinen ersten Job. Noch nicht auf der Bühne, aber irgendwie auf dem Weg dorthin. "Du holst erst mal einen Kasten Wasser und Apfelsaftschorle, wenn du dann wieder da bist, gibt's noch ein Radler für Jackson und zwei Russenhalbe für unsere Keyboarder." Ich hatte mir meinen ersten Auftritt zwar etwas anders vorgestellt, aber gut - ich will mir die Jungs ja auch nicht gleich verärgern.
Beim Getränkeholen bietet sich wenigstens mal die Chance, in den Erich-Keller zu schauen. Unendlich lange Gänge, Temperaturen, gefühlt knapp über dem Null-Punkt, ein Haufen Betrieb und ein gesunder Biergeruch. Der Backstage-Bereich liegt am Tunnelende - ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Starwerden.
Backstage-Luft geschnuppert, den Kasten geholt, die Biere geschnappt und zurück auf die Bühne. Vorbei an den beiden Festwirten Thomas und Axel Fischer. Diese können es kaum fassen, einen Reporter zu sehen, der körperlich arbeitet. Auf dem Weg in den Pop-Himmel muss man eben einiges in Kauf nehmen.
Und dann ist der Moment da, plötzlich, unverhofft: der erste Schritt auf die Bühne. Ein Blick auf die Menschenmassen, die am sogenannten Erlanger Tag auf den Berg gestürmt sind. Ich spüre diese interessierten Blicke, die auf mir ruhen. Die unerträgliche Spannung. Dann gebe ich Thomas Götz seinen "Russen" und muss erstmals wieder die Bühne verlassen.
Irgendwann, irgendwo Noch ohne geschmettertes Lied, aber zumindest den "Abgang" übend. Bei den vielen Kabeln, Kisten und Instrumenten gar nicht so einfach. Frontfrau Jenny Hupka weiß von der Enge ein Lied zu singen: "Die blauen Flecken sind alle von hier oben!" Zusätzlich sorgen die Scheinwerfer dafür, dass die Temperatur auf der Bühne nochmals fünf Grad heißer ist als auf dem erwähnten Sonnenplatz an der Bierbank.
Jenny singt bei den Volksliedern, die Appendix die ersten drei Stunden spielt, nicht oft mit. "Das sollen die Jungs ruhig machen. Obwohl ich diese Musik bei so einem Volksfest schon ganz gerne höre!" Das ist für mich die Chance, Jenny auf die Seite zu nehmen, um sie abseits des Trubels schon mal an meine sanfte Sangesstimme zu gewöhnen. Neben ihr auf der Treppe sitzend, gebe ich mein Bestes in die mikrofondarstellende Cola-Flasche.
Ich bin mir ganz sicher: Es war sicher nicht meine Gesangskunst, die Jenny dazu bewegte, meinen Auftritt so weit nach hinten zuschieben, bis nur noch der Sicherheitsdienst da war. Es war etwas anderes - und das wusste ich nicht: Sie hasst "Atemlos". Nächstes Jahr probiere ich es mit einem anderen Lied.