"Setz' dich und träume" steht auf dem roten Stuhl geschrieben. Adrienne Dörnhöfer, Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes der Petrikirche, lässt sich nicht zweimal bitten und setzt sich vor den Spiegel. "Ich freue mich darauf, glücklich und zufrieden alt werden zu dürfen", schreibt die Kulmbacherin in das Gästebuch der Ausstellung. Umrahmt wird die Sitzecke von Schautafeln, auf denen Menschen aus der Region, die im Herbst ihres Lebens stehen, über die Träume ihres Lebens sinnieren. Anvertraut haben sie diese der Bayreuther Pfarrerin Angela Hager. Diese hatte sich mit dem Bibelvers "Eure Alten sollen Träume haben" aus dem Buch Joel des Alten Testaments zu Senioren aus der Region aufgemacht.

Die Geistliche, begleitet von der Fotografin Martina Schubert aus Gumpersdorf, tauchte in faszinierende Lebensgeschichten ein, filterte die Quintessenz eines langen Lebens heraus und erfuhr obendrein, das man auch im hohen Alter noch Träume haben kann. Daraus wurde eine 58 Seiten umfassende Broschüre, in dem die Lebensgeschichten von sechs Frauen und sieben Männern mit all ihren Träumen und Hoffnungen für die Ewigkeit festgehalten wurden.

"Keine blauäugige Traumtänzerei"

"Sie inspirieren uns, zu träumen von dem, was sein könnte auf dieser Welt", schreiben Hager und Schubert im Vorwort zu ihrem Werk. Entstanden ist aber auch eine Wanderausstellung, die seit vergangenem Samstag in der Kulmbacher Petrikirche zu sehen ist. Das evangelische Bildungswerk Oberfranken-Mitte mit Sitz in Bayreuth und der Kulmbacher Freundeskreis der evangelischen Akademie Tutzing hatten zu der Vernissage mit Gottesdienst eingeladen.

Für Hager steckt in dem Satz des Propheten Joel ein Körnchen Wahrheit. An alten, lebenserfahrenen Menschen werde nämlich besonders deutlich, was Träumen in Gottes Namen bedeutet: "Keine blauäugige Traumtänzerei, kein Wolkenkuckucksheim. Alte Menschen, schwer von Geschichten, wissen genug von zerbrochenem Glück und geplatzten Hoffnungen", sagt die Pfarrerin. Hager erzählt von der 71-jährigen Rosi Heller aus Himmelkron, die ihr Leben lang in Heimen verbracht hat und so gerne musiziert. Die Rednerin skizziert das Bild eines lebensfrohen Menschen, der von einer freundlicheren Welt träumt, in der alle als Menschen wahrgenommen und nicht daran gemessen werden, inwieweit sie behindert sind oder nicht.

Als weiteres Beispiel greift sie den Thurnauer Altbürgermeister Rudi Hofmann (Jahrgang 1937) heraus. Als Achtjähriger kletterte er mit seiner Großmutter auf den Kirchturm seines Heimatdorfers Limmersdorf, um ein weißes Betttuch zu hissen. Für die heranrückenden Amerikaner war dies das Signal, dass das Dorf sich ergeben wird. Auf seinen Traum angesprochen, habe er kurz und knapp geantwortet: "Frieden. Es gibt kein besseres Wort."

Zuversicht spenden auch die Biografien der im Buch und der Ausstellung porträtierten Mitmenschen. Dekanatskantor Christian Reitenspieß (Klavier und Orgel), Dagmar Besand (Gesang und Flöte) und Martina Schubert (Geige) erfüllen das Gotteshaus mit romantischen Klängen.

Die inspirierenden Porträts und Geschichten sind bis zum 25. Juli in der Petrikirche zu sehen. Am 8. Juli findet ab 19.30 Uhr unter dem Motto "Alter, Träume, Erinnerungen" ein Abend mit Lesungen und Musik statt, gestaltet von Autoren des Kulmbacher Literaturvereins unter der Leitung von Karin Minet. stö