Norbert Neugebauer Effeltermühle/Wilhelmsthal — Wenn ein oberbayerisches Duo in Mittelalterhemd und Schlabberpullover mit Tuba und Keyboard in einer Scheune im tiefsten Frankenwald auftritt - was für Musik wird gespielt? Natürlich Klassik. Und das von zwei Virtuosen!
Andreas Martin Hofmeir und Barbara Schmelz geben sich die Ehre. Genauer gesagt ihrem Gastgeber Lars Hofmann und seinen rund 140 Gästen in der vollbesetzten Tenne der Effeltermühle. Der zeigt sich auch glücklich über den Zuspruch: "Ich hätte vielleicht mit der Hälfte gerechnet, aber so viele Zuhörer an einem Mittwochabend in der Urlaubszeit, das ist absolut toll!" Von geschätzt fünf Lebensmonaten bis 95 Jahren reicht sein Publikum, das wohl aus dem ganzen Landkreis Kronach in den idyllischen Talgrund gekommen ist, um den mittlerweile dritten Auftritt des weltbekannten Tubisten mit Partnerin in hiesigen Gefilden mitzuerleben. Sie bekommen ein Kontrastprogramm mit vorwiegend elegischen Musikstücken und kabarettistischen Vorträgen aus der Autobiografie des bezopften Professors, der im Mozarteum in Salzburg lehrt. Der erzählt von Erlebnissen bei Reisen mit seinem voluminösen Instrument.
Dass "sie", von ihm liebevoll als "Fanny" vorgestellt, Aufmerksamkeit als Flugzeug- oder Bahn-Mitpassagier erregt und dabei allerhand Situationskomik erzeugt, vermittelt er locker in seinem oberbayerischen Heimatideom ("I bin in Geisnfeld in der Hallerdau aufgwachsn ...") und mit Polt'schem Humor. Ein umgänglicher, bodenständiger Typ, den man sich schwer im Frack vor einem internationalen Orchester vorstellen kann.
Seine Partnerin auch im richtigen Leben und Mutter des mitgebrachten Babys beschränkt sich dagegen nur auf ihren Part am E-Piano. Eigentlich tritt das Duo in der Kombination Tuba und Orgel auf, aber ihre Stücke funktionieren auch so bestens. Barbara Schmelz braucht sich nicht hinter dem Hauptprotagonisten zu verstecken, die Kirchenmusikdirektorin des Stifts Nonnberg in Salzburg, bereitet auf hohem Niveau die Basis für die Tuba-Exkursionen.
Auch wenn diese von Hofmeir als "Krone der Musikinstrumentenentwicklung" Bezeichnete zumeist nur in Adaptionen anderer Stimmen gespielt wird, klingt das wie "dafür gemacht". Die keineswegs nur tiefen Töne vibrieren gleichzeitig in Zwerchfell und Rückenmuskulatur, wenn man am mitschwingenden Holz der heimeligen Scheune sitzt. Das kann man so in einem regulären Konzertsaal nicht erleben.
Überhaupt ist das für den weitgereisten Star nach eigenem Bekunden "die schönste Bühne der Welt", auch wenn er grad von anderen Auftritten in Argentinien, Brasilien und dem großen Schleswig-Holstein-Musik-Festival kommt. Zumindest für diesem Abend stimmt das sicher ...
Übrigens bekommen auch die Frankenwäldler ihr Fett weg, die er emotional mit den Finnen auf eine Stufe stellt, die angeblich den Tango erfunden haben.
Musikalisch geht es Moll-lastig und weltumspannend zu, mit Schwerpunkten auf nordischer und südamerikanischer Auswahl. Aber auch auf englischer und ungarischer Volksmusik basierende Stücke werden interpretiert. Von der mit einer überaus beseelten Tuba intonierten Bach-Träumerei "Air" reicht das Repertoire über Romantiker wie Rachmaninow und Saint-Saëns bis hin zum zeitgenössischen Jugendfreund Jörg Duda, der die ersten Tuba-Konzerte überhaupt komponiert hat.
Was der Ex-LaBrassBanda-Basser da aus seinem Instrument hervorbringt, ist schlichtweg atemberaubend. Gefühlvollste Tremoli in höchsten Stimmlagen ebenso wie tiefste Grummeltöne in schnellen Tempi. Nach der etwas großzügig bemessenen Pause kommt der Tango zum Zug, zwischendurch auch ein schnellerer Titel ("... bevor sich der Lars schwermütig von der Balustrade stürzt!"), aber insgesamt hätte es schon ein wenig lebhafter werden dürfen. "Aber wer sich zum Geburtstag ein Tuba-Konzert bestellt, dem ist sowieso nicht zu helfen", stellt der Maestro von vornherein klar.
Egal, dem Publikum hat's bestens gefallen und die beiden Künstler wurden mit stehenden Ovationen gefeiert, nachdem sie bei ihrer Zugabe noch einmal melodramatisch geschwelgt hatten.