Mit Maschinengewehren begrüßten einige Bamberger 1919 das neue Jahr. Das Neujahrsschießen mit der Altenburg-Kanone sorgte 1953 für wilde Spekulationen. Und mit dem Zwiebel-Orakel wagte man in der Stadt der Zwiebeltreter einst den Blick in die Zukunft.
Der Countdown zum Jahreswechsel läuft. Was 2016 bringt, steht aber in den Sternen. Einst lasen die Menschen die Zukunft an Silvester aus dem Zwiebelorakel. Eine Tradition, die man in der Stadt der Zwiebeltreter nicht vergessen sollte. Andere ließen's zum Jahreswechsel lieber ordentlich krachen. Den spektakulärsten Effekt erzielten Bamberger wohl in den ersten Minuten des Jahres 1953: Damals legten Feuerwerker mit der Altenburg-Kanone angeblich sogar den "UKW-Betrieb des "Bayerischen Rundfunks" lahm, wie der Fränkische Tag nach dem "Volltreffer beim Neujahrsschießen" augenzwinkernd berichtete.
"Weil's lauter knallt"
Ja, es war eine Schießübung der besonderen Art, die sich ehemalige Abiturienten der höheren Handelsschule einfalen ließen. Als "geprüfter Feuerwerker" beaufsichtigte der Bamberger Eisenhändler Grosser das Geschehen.
Und wünschte sich sogar noch Schwarzpulver für die Altenburg-Kanone, "weil's lauter knallt". Wie viele Radiohörer aus weiten Teilen Nordbayerns nach dem "Kanonendonner" nichts mehr hörten, hätte sich Grosser natürlich nie träumen lassen. So vermeldete der FT, dass "ein Rundfunkkabel den vielen Lärm offenbar schlecht vertragen" habe: Eine "andächtige Funkstille" folgte zwischen 0.08 und 0.09.
Bis ins 14. Jahrhundert lässt sich die Geschichte des Böllerns, das böse Geister und Dämonen vertreiben sollte, zurückverfolgen. Ebenso lange aber gibt's Ärger und Stress mit denen, die übers Ziel hinausschießen. Was zeitweise zu Verboten führte, die für Ruhe sorgen sollten, wie Renate Reuther im "Bamberger Weihnachtsbuch" des Veste-Verlags berichtet.
Ein "Decret" aus dem Jahre 1753 schilderte auch Risiken und Nebenwirkungen des "ohnartigen und mißbräuchligen Schiesens", das schon die "bedauerlichsten Feuers-Brünste" und anderes "dem Publico beschwerliches Ohnheyl" verursacht hätte. Sogar "schädlichste Lähmungen an Gliedern bey Zerspringung des entweder überladenen oder sonst mangelhafften Gewehrs" seien aufgetreten.
Mancher aber ist unbelehrbar. So sorgten noch Mitte des 19. Jahrhunderts in Bamberg Polizei- und Militärpatrouillen für die "Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung" zum Jahreswechsel. Sie hatten den Auftrag "Zuwiderhandelnde und sonstige Exzedenten in Verhaft zu nehmen". Nach dem Ersten Weltkrieg wurde allerdings wieder "scharf" geschossen, auch "mittels Maschinengewehren", so die Bamberger Neuesten Nachrichten 1919.
"Namentlich in der Weide haben mehrere Bürger die Wahrnehmung gemacht, dass die Geschosse auf die Dächer prasselten wie bei einem Hagelschauer."
"Ungezogene Flegel"
Mit scharfer Munition erwischte man dem "Bamberger Weihnachtsbuch" zufolge auch Lausbuben. Bis in die frühen Morgenstunden hinein sorgte die Jugend 1922 für Krawall. "An ungezogenen Flegeln, die sich Erwachsenen gegenüber äußerst roh benehmen, fehlte es natürlich nicht", wetterte das Bamberger Volksblatt nach dem Silvesterspektakel. "Einige Rohheiten wurden an Ort und Stelle mit dem Gummiknüppel gesühnt." Gerade am Bahnhof hätte die Polizei "ein scharfes Auge auf das lichtscheue Gesindel" gehabt, das sich herumtrieb.
Trinkgeld für den Setzer
Bis weit in vorchristliche Zeit hinein reicht der Brauch zurück, sich zum Jahreswechsel zu beglückwünschen. Aus dem alten Ägypten sind Karl Heinz Schreyl zufolge erste schriftliche Neujahrsgrüße überliefert. Auf römischen Öllämpchen fanden sich Sprüche, die heute eher via WhatsApp, Facebook und Twitter übermittelt werden - witzig oder sentimental, originell oder nach Schema F. Wobei der Einfallsreichtum eines "Tagblatt"-Setzers kaum zu überbieten ist, dessen Anliegen am 1. Januar 1838 veröffentlicht wurde. Er werde "an seinem Fenster eine Büchse aushängen", so der Bamberger, "in welcher der freundliche Leser ein Trinkgeld einlegen könne". Alle Münzen seien willkommen im Gegensatz zu "Hundezeichen, Messingknöpfen" und Ähnlichem.
Wer ist der Richtige?
Zuletzt noch zum eingangs erwähnten Zwiebel-Orakel. So versuchten Menschen aus dem gesamten deutschen Sprachraum einst zur Wintersonnenwende, in der Christ- oder eben Silvesternacht über zwölf Zwiebelschalen das Wetter des kommenden Jahres zu prognostizieren.
Man legte die Schalen aus und bestreute sie mit Salz. Im Lauf der Nacht zog das Salz mehr oder weniger Feuchtigkeit an. War es am Morgen danach in einer Schale trocken, deutete das auf einen trockenen Monat hin, während Nässe für Monate mit dementsprechenden Niederschlägen standen.
Gerade im ländlichen Bereich erfreute sich das Zwiebelorakal großer Beliebtheit, nachdem man hier um die Ernte fürchten musste. Ganz nebenbei diente des Deutschen liebstes Gemüse noch zu romantischen Zwecken. Beispielsweise legten sich heiratswillige Mädels an Weihnachten Zwiebeln mit den Namen von in Frage kommenden jungen Männern in die Stubenecken. Woraufhin die Zwiebel, die bis zum Dreikönigstag austrieb, auf den einzig wahren Heiratskandidaten verwies.