Am Ende stolpert "der eingebildete Kranke" in den Tod

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Einen Berg von Medikamenten nimmt Albrecht (Daniel Erhard) als eingebildeter Kranker ein. Foto: Björn Hein
Einen Berg von Medikamenten nimmt Albrecht (Daniel Erhard) als eingebildeter Kranker ein.  Foto: Björn Hein

Der heutige Medizinbetrieb ist gigantisch. Gegen jedes noch so kleine Wehwechen hat die Pharmaindustrie ein Mittel. Über diese Auswüchse hat sich schon im 1...

Der heutige Medizinbetrieb ist gigantisch. Gegen jedes noch so kleine Wehwechen hat die Pharmaindustrie ein Mittel. Über diese Auswüchse hat sich schon im 17. Jahrhundert der Dramatiker Molière seine Gedanken gemacht, und das Stück "Der eingebildete Kranke" geschrieben.


Situationskomik

Voller Situationskomik geißelt er die Entwicklungen seiner Zeit. Dass es sich wunderbar in unsere heutige Zeit übertragen lässt, bewies jetzt die Theatergruppe der Oberstufe des Jack-Steinberger-Gymnasiums. Sie reicherte das Stück unter Leitung von Ulrike Weilbach um moderne Aspekte an und machte damit deutlich, wie aktuell es immer noch ist.
Albrecht (Daniel Erhard) hat es als eingebildeter Kranker nicht leicht. Obwohl er sich von Medikamenten regelrecht ernährt, fühlt er sich doch immer schlapp. MiMiMi forte bei männlicher Erkältung, Xanax forte gegen Aggression, WürgEx gegen Brechreiz und Kotison gegen Diarrhoe sind nur einige der Präparate, die er täglich einnimmt. Unsummen gibt er für Ärzte aus.
Doch damit hat sein Leiden noch lange kein Ende. Die beiden Hausmädchen Tina (Clara Seitz) und Ina (Camille Zenses) rauben ihm den letzten Nerv. Zum Glück steht ihm seine Frau Belinda (Linda Hümmer) mit viel Liebe zur Seite - jedenfalls glaubt der naive Albrecht das, obwohl ihn seine Göttergattin lieber tot als lebendig sähe. Dann könnte sie nämlich mit seinem Geld und dem windigen Notar Herr von Profitier (Yannic Schlereth) durchbrennen.
Doch sei es wie es wolle: Albrecht braucht dringend einen Arzt in der Familie, der ihn gesund macht. Aus diesem Grund will er auch seine Tochter Angelika (Nina-Sophie Zink) mit Thomas Diarrhoe (Joscha Ebner) verheiraten. Dass diese sich einen anderen ausgesucht hat, nämlich den lebenslustigen Clemens (Viktoria Mützel), interessiert ihn nicht. Als sich Thomas Diarrhoe mit seiner Mutter, Frau Dr. Diarrhoe (Kristina Katzenberger) einfindet, ist Albrechts Tochter vom schmierigen Arzt wenig angetan.


Metakritik

Kritik am seltsamen Gehabe des eingebildeten Kranken üben eigentlich nur seine Schwester Claudia (Kim Chiara Schmitt) und sein Bruder Bernhard (Anton Küttner). Als einzige scheinen sie mit einer gesunden Portion Menschenverstand gesegnet und zeigen für die Übertreibungen der modernen Medizin wenig Verständnis.
Geschickt schaffte es die Theatergruppe, hier sozusagen eine Metakritik an Molière einzubauen - denn die Besucher der Praxis Dr. Rektal ("Fachärztin für alles unter der Gürtellinie) lehnen dessen angeblich altertümliche Sicht auf die Medizin rundweg ab.
Köstlich die Szene, als Albrecht von einem ganzen Rudel Weißkittel in seinem Haus heimgesucht wird, die den armen eingebildeten Kranken nur noch mehr verängstigen. "Viele Ärzte sind des Patienten Tod" möchte man hier anmerken.


Fünf Monate Probenarbeit

Am Ende löst sich aber alles in Wohlgefallen auf, jedenfalls fast. Als Albrecht dem Rat folgt, sich tot zu stellen, erkennt er, dass seine Frau nur hinter seinem Geld her ist, und seine Tochter Angelika tieftraurig. Schließlich darf sie doch ihren geliebten Clemens heiraten, der verspricht, erst Arzt und dann Apotheker zu werden.
Als alles im Lot ist, passiert dann doch noch das Unglück: Albrecht stolpert über sein Medikament und stirbt - der Tod ist einfach unberechenbar. Gleichzeitig war das Ende auch eine liebevolle Hommage an Molière, der nach der Vorstellung des "eingebildeten Kranken", bei der er selbst mitwirkte, noch in seinem Kostüm an einem Blutsturz starb.
Was die Oberstufe der Theatergruppe auf die Bühne gezaubert hatte, war eine Wucht: Die Schauspielerinnen und Schauspieler agierten äußert professionell und gingen ganz in ihren Rollen auf.
"Wir haben rund fünf Monate geprobt, bevor wir das Stück zeigten", sagt Leiterin Ulrike Weilbach nach der Aufführung. Die Zuschauer amüsierten sich köstlich über die oft schrägen Charaktere. Die Seitenhiebe auf den Medizinbetrieb machten aber oft auch nachdenklich.