Zuhause in Würde möglichst bis zum Lebensende gepflegt zu werden, wünscht sich fast jeder. Oft kann dieser Wunsch nur mit Hilfe polnischer Kräfte erfüllt werden. Jetzt geht auch im Raum Forchheim die Angst um, der deutsche Mindestlohn würde das verhindern.
Elke G. (54) hat ein Problem. Denn der Vater der Frau, die in einer Gemeinde im Aischgrund lebt, ist seit einigen Jahren Witwer und hat überhaupt keine Lust darauf, in einem Pflegeheim zu landen. Er will zuhause bleiben, hat das auch so festgelegt. Seit einer schweren Erkrankung braucht er aber Hilfe.
Hilfe, die Elke G. und ihre Geschwister aber wegen ihren beruflichen Tätigkeiten nicht leisten können. Ihr Vater hat daher eine Pflegerin. Eine junge Frau aus Polen, die kranken, älteren Menschen ein Leben in Würde ermöglicht - in den eigenen vier Wänden.
Für Elke G. ist diese Pflegerin fast schon ein Familienmitglied geworden. "Was sie für meinen Vater tut, ist mit Geld gar nicht zu bezahlen", sagt die Angehörige. Diese Helferinnen verlassen ihre Heimat und tun das, was die allermeisten Deutschen gegen Bezahlung nur selten tun würden: Rund um die Uhr für jemanden da sein.
Unverzichtbare Heldinnen Einem Menschen die Windeln wechseln, beim Baden helfen oder das Essen zubereiten. Pflege-Experten nennen sie daher die "unverzichtbaren Heldinnen", die ab 1. Januar auch einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. 8,50 Euro pro Stunde gelte auch für solche Arbeitskräfte aus dem Ausland. Und das kann vor allem für diejenigen Familien, die nicht schwarz arbeiten lassen, zu einem großen und vor allem teuren Problem werden.
Keiner weiß bisher genau, wie viele osteuropäische Haushaltshilfen alte Menschen in Deutschland in ihrer Wohnung oder ihrem Eigenheim versorgen. Ihre Zahl wird auf rund 200 000 geschätzt - viele arbeiten auch in ländlichen Regionen Frankens. Fakt ist: Ohne sie würde das Pflegesystem zusammenbrechen.
Derzeit leben in der Bundesrepublik 2,5 Millionen Menschen, die Pflege brauchen.
Im Jahr 2030 dürften es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bereits 3,4 Millionen sein.
Es ist vor allem ein Markt, in dem sich die Schwarzarbeit durchgesetzt hat. Rund 80 bis 90 Prozent der osteuropäischen Helferinnen sollen illegal beschäftigt seien. Selbst Ärzte und Pfarrer sollen schon Pflegerinnen aus Osteuropa vermittelt haben.
Schon bisher nicht bezahlbar "Es gibt einen nicht unerheblichen Anteil von Familien, die sich eine häusliche Betreuung wünschen und sich eine legale Beschäftigung nicht leisten können", meint ein Insider. Ganz anders sieht es bei Elke G. aus. Sie wollte von Anfang an, dass bei der Betreuung ihres Vaters alles mit rechten Dingen zugeht, und die Pflegerinnen und Pfleger sozialversichert sind. Also hat sie eine Agentur eingeschaltet.
Je nach Bezahlmodell kann eine Altenbetreuerin aus Osteuropa zwischen 1000 und 1400 Euro verdienen. Die Agenturen selbst erhalten für ihre Dienstleistung in der Regel mehrere hundert Euro im Monat. Ist ein Vermittler zwischen deutschem Kunden und polnischer Agentur beteiligt, der ebenfalls monatlich mit mehreren hundert Euro zu Buche schlägt.
Vorbild Österreich Die Familie von Elke G. kommt auf Kosten von 2000 Euro im Monat. "Das ist viel Geld", sagt sie und hofft, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. Trotz des Mindestlohns. Sie hat schon mal ausgerechnet, was es kosten würde, wenn Pflegerinnen wirklich für jede Stunde 8,50 Euro erhalten würden. 10 000 Euro Lohn hat sie ausgerechnet - für einen Monat.
Die Experten plädieren deshalb für ein anderes System.
Politiker müssten veranlassen, dass die Pflegekassen die häusliche Betreuung stärker fördern und die Beschäftigung dort entbürokratisieren. Österreich habe es geschafft, mit einem Fördermodell den Anteil legaler Beschäftigung bei der häuslichen Pflege deutlich zu erhöhen. Elke G. wäre froh, wenn ihr Vater zu Hause bleiben kann und eine Pflegerin vor Ort ist. Und sie fügt an: "Ich bin unendlich dankbar dafür, dass es solche Menschen gibt, die das für meinen Vater tun."
Serie Im fünften und letzten Teil unserer Serie rund um das Thema Mindestlohn werden wir Sie informieren, was Taxifahrten bald kosten und warum manche Kunden dann auch länger warten müssen.