Um das Baugebiet "Lillinger Weg" erschließen zu können, braucht Bürgermeister Braun Grund von einem an den Rollstuhl gefesselten Landwirt.
Drei Häuser stehen bereits im neuen Weißenoher Baugebiet "Lillinger Weg". Ein landwirtschaftlich genutzter Anliegerweg führt dorthinauf. Nur die letzten 50 Meter sind geteert. Dies war einst ein Flurbereinigungsweg, der als Ortsstraße in das Baugebiet eingegangen ist. Ursprünglich hat auch dieser Teil des Wegs Gerhard Singer gehört. Nun gehört er der Gemeinde Weißenohe.
Um das Baugebiet ordentlich zu erschließen, braucht Weißenohes Bürgermeister Rudolf Braun (FW) zwingend noch 100 Meter Weg und ein wenig Grund. Nur dann lässt sich die Straße auf mindestens 3,50 Meter verbreitern und asphaltieren. 50 Meter des benötigten Wegs sowie der Grund gehören dem Landwirt Gerhard Singer. Seit einem Arbeitsunfall ist er an den Rollstuhl gefesselt. Die anderen 50 Meter gehören ihm und mit seinem Bruder Alfred.
Drohende Enteignung
Im Februar hat Singer Post von der Gemeinde bekommen. Neben der Nennung von Erschließungskosten in Höhe von 92 000 Euro für diese neu zu bauende Straße wurde darin erneut mit Enteignung gedroht.
Das heißt im Klartext: Singer soll an die Gemeinde verkaufen und anschließend die 92 000 Euro für die Erschließung bezahlen. Egal, ob Singer verkauft oder enteignet wird: Bezahlen für die Erschließung muss er in so oder so. Gerhard Singer könnte das Geld als Nebenerwerbslandwirt nicht aufbringen, müsste einen Kredit dafür aufnehmen. Das möchte er nicht. Aus Sicht der Gemeinde bleibt dann offenbar nur noch, Singer zu enteignen. Diese Enteignung wurde ihm bereits ihm Jahr 2013 angekündigt - sollte Singer nicht zu einem Grundstückstausch und Verkauf bereit sein. Dies bezog sich nicht nur auf den Anliegerweg, sondern auch auf einen Teil der alten Streuobstwiese, deren Gras er für seine Kühe braucht.
Wer solche Enteignungsgerüchte in die Welt setze, müsse künftig mit einer Anzeige rechnen, sagt dagegen Bürgermeister Braun. Er dementiert auf das heftigste, eine Enteignung in Erwägung gezogen zu haben.
Hoffen auf eine Einigung
"Wenn eine Straße ordnungsgemäß ausgebaut werden soll und man sich in Verhandlungswegen nicht einige wird, muss man auch das böse Wort der Enteignung in den Mund nehmen, um die Planungen einer Gemeinde in die Realität umsetzen zu können. Wir hoffen aber noch immer auf eine gütliche Einigung und warten auf die Antwort von Singers Anwalts", sagt Stefan Kohlmann. Er ist Geschäftsführer der Verwaltungsgemeinschaft Gräfenberg. Dem Landratsamt gegenüber gab die Gemeinde an, die Erschließung sei gesichert. Dies ist auch bestätigt worden, weil der Anliegerweg öffentlich gewidmet ist, informiert Maximilian Sebald vom Landratsamt. Aber als Ortsstraße ausgebaut werden kann der Weg erst, wenn der Landwirt den entsprechenden Grund der Gemeinde überlässt.
Um das Baugebiet zu verhindern, sammelte Gerhard Singer mit dem Bauernverband bereits im Jahr 2008 entsprechende Unterschriften und gab sie am 11. Juli desselben Jahres in der Verwaltung in Gräfenberg ab. Von den Unterschriften, die gegen das Baugebiet gesammelt worden sind, will Braun keine Kenntnis haben. "Was sind 89 Unterschriften gegen 1000 Bürger", zitiert Gerhard Singer aber einen Satz, der seiner Erinnerung nach im Weißenoher Gemeinderat gefallen ist.
Aber auch der Gemeinderat interessierte sich laut Singer seinerzeit nicht für diese Gegenstimmen. "Die Planungshoheit liegt bei der Gemeinde. Jeder kann Bedenken vorbringen, die dann behandelt werden. Die Mehrheit hat entschieden, auch wenn es einem nicht passt", sagte Braun dazu.
Die Baufahrzeuge fuhren derweil durch ein Weißenoher FFH-Gebiet, um die Neubauten im neuen Baugebiet aufstellen zu können - denn die Ortsstraße war zu eng dafür. "Der Anliegerweg ist der einzige Weg, den die Landwirte fahren können, um ihre Hochebenen zu bewirtschaften", sagt Singer. "Es ist ein Flurbereinigungsweg, dort kann jeder herunterfahren. Der ganze Lillinger Wald ist von Straßen durchzogen, die durch das FFH-Gebiet gehen", konterte Braun.
"Der einzige Weg"
Schon im Rahmen der Flurbereinigung gab es Bedenken, weil dieser Weg durch das FFH-Gebiet geht. "Die Flurbereinigung setzte sich durch, weil es der einzige Weg ist", erklärt Singer die Bedeutung des Wegs.
Dafür musste er bereits Grund abgeben. Mit der Flurbereinigung jedoch ging der Weg an die Gemeinde über. Die betroffenen Landwirte müssen mit ihren Traktoren weiterhin dort durch, mitten durchs neue Baugebiet, weil es eben der einzige Weg ist. Der offizielle Weg zum Baugebiet führt über die Dorfhauser Straße.
"Für die Einwohner und Landwirte war die Problematik schon 2008, als das Baugebiet im Gespräch war, ersichtlich, da der Verkehr durch die enge Dorfhauser Straße führt", sagt Singer. Die Realität hat das bestätigt. Auch der Kanal und das Oberflächenwasser sind bereits in Singers Anliegerweg eingebracht worden.