Was Tüchersfeld mit Otto von Bismarck verbindet

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Otto von Bismarck ist vor 200 Jahren geboren worden. Repro: Franze
Otto von Bismarck ist vor 200 Jahren geboren worden. Repro: Franze

Auch im Jahr seines 200. Geburtstages beschäftigt der Reichskanzler noch die Fantasien, Erinnerungen und Deutungen der Deutschen. Eine besondere Anekdote verbindet den Ort Tüchersfeld mit Otto von Bismarck.

Die Bundesrepublik feiert am 1. April Otto von Bismarcks 200. Geburtstag mit der Ausgabe einer Sonderbriefmarke und sowie 10-Euro-Gedenkmünze. Die Würdigung wird nach Meinung des für Postwertzeichen und Münzprägung zuständigen Bundesfinanzministeriums einem "deutschen Politiker und Staatsmann" zuteil, "der wie kaum eine andere Persönlichkeit seiner Zeit die Ambivalenz von Tradition und Moderne verkörperte".

Mit dieser Formulierung umschreibt das Ministerium das zwiespältige Bild Bismarcks in der Geschichtsschreibung. Auf der einen Seite ist er der autoritäre Realpolitiker, der mit "Blut und Eisen" in drei Kriegen die nationale Einigung Deutschlands herbeigeführt und durch eine raffinierte Bündnispolitik gesichert hat. Auf der anderen Seite ist er der "weiße Revolutionär" - so Lothar Gall 1980 in seiner viel gerühmten Biografie - der von oben eine zukunftsweisende Sozialpolitik betrieben, aber die Arbeiterbewegung unterdrückt und die Demokratisierung des Kaiserreichs mit allen Mitteln hintertrieben hat.

Honoratioren unter sich

Vor 100 Jahren erhielt Bismarck auch in Forchheim zu seinem Geburtstag eine "Jahrhundertfeier". Unter Vorsitz von Hans Räbel - er war Lehrer am Gymnasium, Zweiter Bürgermeister und Landtagsabgeordneter - hatte sich ein "Ausschuß zur Abhaltung einer Bismarckgedenkfeier" gebildet, dem die bedeutendsten Honoratioren der Stadt angehörten.

Unter seinen über 30 Mitgliedern befanden sich die wichtigsten Vertreter des Bildungs- und Wirtschaftsbürgertums: Vom Oberstudiendirektor Franz-Joseph Wittig über den Königlichen Bezirksarzt Dr. Buck und den Kommerzien- und Magistratsrat Hornschuch bis hin zum "Lageristen" Michael Schobert war alles vertreten, was Rang und Namen hatte. Dass unter ihnen der protestantische Stadtpfarrer August Küffner - der Erbauer der evangelischen St. Johanniskirche - war, verwundert nicht weiter. Denn schließlich war der Preuße Bismarck ein überzeugter Glaubensbruder gewesen.

Dass aber auch drei katholischen Geistliche - der Stadtpfarrer Dürbeck mit seinen beiden Kaplänen Gick und Müller - den Kreis der Bismarck-Verehrer verstärkten, überrascht dann schon. Denn Bismarck war es doch gewesen, der ab 1871 vier Jahre lang im sogenannten Kulturkampf die katholische Kirche bis auf das Messer bekämpft hatte. Offensichtlich aber war das angesichts der existentiellen Bedrohung durch den Krieg, den Deutschland im April 1915 schon ein Dreivierteljahr führte, nicht mehr von entscheidender Bedeutung.
"Gerade die eiserne und erhebende Zeit, in der wir leben", hieß es in der Einladung zur "Bismarckjahrhundertfeier", "läßt es als Ehrenpflicht erscheinen, unter Zurücklassung aller anderen Momente des eisernen Kanzlers, des Begründers des mächtigen neuen Deutschen Reiches, zu gedenken."

Deutschnationale Motive

Das Motiv für die "Bismarckjahrhundertfeier" in Forchheim war es, einen "deutschnationalen Gedenktag" zu veranstalten. Dem konnte sich auch die der katholischen Kirche verpflichtete "Forchheimer Zeitung" nicht verschließen. "Was uns Katholiken in der Kulturkampfzeit angetan wurde, können und werden wir nie vergessen, denn die beste Lehrmeisterin ist die Geschichte. Die Erinnerung an die damalige traurige Zeit kann uns aber nicht hindern, den hundertsten Geburtstag Bismarcks zu feiern als einen Gedenktag an einen großen deutschen Patrioten, als einen um Kaiser und Reich hochverdienten Staatsmann, der durch die Gründung des Deutschen Reiches den Grund gelegt zu der imponierenden Größe unseres Vaterlandes."

Der in Dublin lehrende Historiker Robert Gerwarth schildert in seinem vor acht Jahren auf Deutsch erschienenen Buch "Der Bismarck-Mythos", wie verhängnisvoll sich die Verehrung des "eisernen Kanzlers" in der deutschen Geschichte ausgewirkt hat. Ohne dass er es gewollt hatte, wurde Bismarck zu einer Kultfigur, die nach 1918 dazu beitrug, die erste deutsche Republik zu untergraben und Hitler mit dem Ruf nach einem "Führer wie Bismarck" die Möglichkeit gab, diese autoritäre Sehnsucht zu erfüllen.

Protestantische Nachbarn

Viele ihrer Aufmärsche veranstalteten die Nazis vor den mehr als 500 Bismarck-Denkmälern, die es in Deutschland gab und meistens heute noch gibt. In Forchheim und in der Fränkischen Schweiz findet sich davon zwar kein einziges, wohl aber in den protestantischen Nachbarstädten Erlangen, Fürth und Nürnberg. Hier tragen zudem noch heute einzelne Straßen den Namen Bismarcks.

Die Forchheimer "Bismarckjahrhundertfeier" fand am 17. April im "katholischen Gesellenhaus", also dem Kolpingshaus, statt. Die musikalische Umrahmung übernahm die "vereinigte Stadt- und Feuerwehrkapelle" sowie die Chöre des "Liedervereins" und der "Eintracht".

Hans Räbel rühmte in seiner Begrüßung Bismarck als "hochverdienten Staatsmann", der "gewiß auch seine Fehler und Schwächen" hatte: "Namentlich" habe der "katholische Volksteil den unter Bismarck ausgebrochenen und geführten Kulturkampf als Unrecht empfunden. Bismarck war es aber auch, der den Kulturkampf beendet hat."

Verwischte Spuren

Über diese Feier hinaus findet sich in unserer Region nur noch eine Spur Bismarcks in Tüchersfeld - allerdings nicht in Form eines festen Denkmals, sondern als eine nicht mehr greifbare Erinnerung.

Angeblich wanderte Bismarck inkognito im Sommer 1865 - zu der Zeit also, als er preußischer Ministerpräsident war - mit einem Begleiter vom Bahnhof in Forchheim über Ebermannstadt, Muggendorf, Behringersmühle nach Tüchersfeld. Unerkannt kehrte er in dem heute nicht mehr vorhandenen Gasthof von Karl Josef Seiller ein und trug sich auf dessen Wunsch hin ins Gästebuch ein. Erst nachdem die beiden weitergewandert waren, las Seiller den Eintrag: "Graf Otto v. Bismarck-Schönhausen, Preußischer Ministerpräsident." Der Schriftzug war echt. Das ergab eine Überprüfung durch die Regierung von Oberfranken. Später muss aber ein Gast derart viel Gefallen an dem Eintrag gefunden, dass er ihn ausschnitt.