Im August 1914 macht die bayerische Armee mobil. Wer zwischen 21 und 27 Jahre alt ist, muss sich schnell von Familie, Freunden und Vereinskameraden verabschieden.
Am Samstag, 1. August 1914, ordnete König Ludwig III. die Mobilmachung der bayerischen Armee an. Noch am selben Abend wurde die Meldung in Forchheim durch eine Extraausgabe des Forchheimer Tagblatts bekannt gemacht. Nach der Reichsverfassung (Artikel 59) waren davon in erster Linie alle wehrfähigen Männer zwischen 21 und 27 Jahren betroffen. Sowohl diejenigen, die bereits aktiv Dienst leisteten als auch diejenigen, die noch nicht eingezogen worden waren.
Schenkt man den örtlichen Zeitungen Glauben, dann wurde die gegen "½ 8 abends eingetroffene Nachricht von der Mobilisation des Heeres" in Forchheim "mit großer Ruhe und Ernst entgegengenommen" (Forchheimer Tagblatt), während sie in Ebermannstadt "begreifliche Aufregung verursachte.
Bis in die späte Nacht bildeten sich Gruppen, die dieses ernste hochwichtige Ereignis besprachen" (Wiesent-Bote).
Viel Pathos Zu diesem Zeitpunkt betrug die Präsenzstärke der bayerischen Armee knapp 88 000 Mann, sie stieg bis Anfang 1918 auf 910 000 Mann an. Und das obwohl in den vier Jahren zuvor fast 200 000 gefallen waren. Möglich war das nur, weil nach und nach über eine Million Männer eingezogen worden sind.
In Ebermannstadt rückten bereits am Sonntag die ersten Reservisten ein. "Bei Abfahrt jeden Zuges" - so schreibt der Wiesent-Bote - "hatte sich eine große Menschenmenge am Bahnhof eingefunden, um den Vaterlandsverteidigern ein letztes Lebewohl nachzurufen". Pathetisch fährt der Schreiber im Wiesent-Boten fort: "Ernst und mutig ziehen unsere Söhne hinaus in den Kampf.
Ernst und mutig verläßt der Gatte sein Weib und Kind, verläßt der Sohn die Mutter, der Bräutigam die Braut, der Freund den Freund, alle geeint von dem großen Gedanken: für Vaterland und Freiheit."
Das waren keine hohlen Phrasen, sondern tatsächlich die Meinung vieler Zeitgenossen. Auf dem landesweit als Plakat verbreiteten Aufruf "An meine Bayern!" sprach König Ludwig III. von einem "uns frevelhaft aufgedrungenen Krieg".
Unterstützung von den Kirchen Und weiter sagte Ludwig III.: "Der Kampf, der unser Heer erwartet, geht um die heiligsten Güter, um unsere Ehre und Existenz."
In Forchheim richtete Bürgermeister Strecker als Zivilvorsitzender der Ersatzkommission des Aushebungsbezirks am 4.
August an alle deutschen "Jünglinge, über welche eine endgültige Entscheidung bezüglich ihrer Militärpflicht noch nicht getroffen ist", die Aufforderung, "sich sofort im städtischen Wehramte zur Stammrolle zu melden". Die beiden christlichen Konfessionen stützten den Staat in seiner Kriegsbereitschaft.
"Seine Erzbischöfliche Exzellenz der Hochwürdigste Herr Erzbischof hat angeordnet", meldete das Forchheimer Tagblatt, "daß in den nächsten Tagen in allen Kirchen den zu den Waffen berufenen Jünglingen und Männern ausreichende Gelegenheit zum Empfang der Beichte und der hl. Kommunion gegeben werde, damit sie im Frieden mit Gott ruhig und gottvertrauend ins Feld ziehen können zur Verteidigung unseres lieben Vaterlandes.
Seine Exzellenz fordert weiter alle Gläubigen auf, sich mit ihm zu einen im innigen Gebete, daß der Herr unser deutsches Heer segnen und ihm den Sieg verleihen möge."
Im Wiesent-Boten war das "Kriegsgebet der Erzdiözese" im vollen Wortlaut abgedruckt. Es begann mit den folgenden Worten: "Gedenke, o Herr, der Söhne unseres Volkes, die zum Schutz des Vaterlandes in den Kampf ziehen. Wir vertrauen auf Dich, o Gott, daß Du sie nicht verlassen wirst, die in Treue um das Banner ihrer Fürsten sich scharen zu gerechtem Streit. Auf Dich, Allmächtiger, Herr der Heerscharen, setzen wir unsere ganze Hoffnung. Sei Du unserem Heere Schutz und Hort! Stärke Du seinen Mut und seine Kraft! Segne seine Waffen und gib ihnen den Sieg! Ganz besonders bitten wir Dich, ... daß jeder, dem es beschieden ist, des glorreichen Todes für das Vaterland zu sterben, eingehe in Deine Herrlichkeit und die Krone des ewigen Lebens erlange!" Die
Buchhandlung Streit verkaufte Abzüge des Kriegsgebets für drei Pfennige und spendete den Reinertrag dem Roten Kreuz.
In der protestantischen Stadtpfarrkirche St. Johannis fand noch am Sonntagabend für die einrückenden Soldaten und ihre Angehörigen "eine ergreifende Abschiedsfeier" statt, die mit "gemeinsamer Beichte und hl. Kommunion" abgeschlossen wurde. Noch ahnte keiner, dass wenige Jahre später in den beiden Seitengängen auf zwei Tafeln 62 jungen Männern gedacht werden würde, die im Krieg ihr Leben lassen mussten.
Auch die Israelitische Kultusgemeinde feierte für ihre ins Feld ziehende Soldaten Bitt-Gottesdienste. Sie fanden am 4. und 5. August in der Synagoge in der Wiesentstraße statt. Die später hier angebrachte Ehrentafel nannte fünf junge Männer, die Opfer des Weltkriegs wurden.
Die später verschwundene Tafel tauchte vor rund fünf Jahren im Gartenamt wieder auf und ist mittlerweile im Pfalzmuseum Forchheim ausgestellt.
Abschied mit Musik Neben den Kirchen veranstalteten auch die meisten Forchheimer Vereine "Abschiedsfeiern" für Mitglieder, die "zum Kriege einrücken müssen". Die "Freiwillige Sanitäts-Kolonne" verlangte dabei von den Eingezogenen die Rückgabe der ihr "gehörigen Uniformen und Ausrüstungsgegenstände" und der Arbeiter-Rad-Verein "Vorwärts" die Hinterlegung der Mitgliedsbücher. Manche Vereine begleiteten - teilweise mit Musik - ihre zur Wehrmacht einrückenden Mitglieder zum Bahnhof. Andere verabschiedeten sich mit einer Zeitungsanzeige.
"Sage allen werten Turngenossen, aktiv und passiv, besonders meinen lieben Zöglingen ein herzliches ‚Lebe wohl!' Euer Turnwart Hans Grimm."
Innerhalb der ersten acht Wochen meldeten sich im Forchheimer Rathaus neben den regulär Eingezogenen auch "31 junge Leute als Kriegsfreiwillige". Ihnen allen wollte der Forchheimer Heimatdichter Hans Leygeber Mut machen mit einem Gedicht, das das Forchheimer Tagblatt auf der Titelseite veröffentlichte:
"
Zum Kampf! Frisch auf! Das Herz zu Gott empor,
Die Faust geballt zum Schlage,
Alldeutsche Männer tretet vor
kühn zum Vergeltungstage!
Der Bär, der gier die Pranke zeigt,
Der Gockelhahn, der dralle,
Der Bullochs, der die Hörner neigt,
sie speien Gift und Galle. ..."Der Text nahm die Bildsymbolik auf, mit der bei Kriegsbeginn Stimmung gemacht wurde.
Beispielhaft zeigt das eine Feldpostkarte aus einem Album im Haus der bayerischen Geschichte. Der Text unter der Abbildung lautet: "Nur ruhig!", sagt der deutsche Soldat mit Pickelhaube. Und weiter: "Franzl (= Österreich, links mit Stock), mein lieber Freund und Bruder! Hau deinen Lausbuben (= Serbien) ordentlich, ich laß derweil den Bären (= Russland) mit seinem Gockel (= Frankreich) tanzen." Noch glaubte man, spätesten an Weihnachten sei der Krieg gewonnen.