Von der Front direkt ins Ebermannstadter Lazarett

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Vor dem Vereinslazarett Breitenbach haben sich die Kriegsverletzten zusammen mit dem Pflegepersonal zu einer Aufnahme aufgestellt. Repros: Franze
Vor dem Vereinslazarett Breitenbach haben sich die Kriegsverletzten zusammen mit dem Pflegepersonal zu einer Aufnahme aufgestellt. Repros: Franze
Blick auf Ebermannstadt
Blick auf Ebermannstadt
 
Das Forchheimer Progymnasium auf einer Ansichtskarte, die 1922 verschickt wurde. Hier waren ab September 1914 um die 70 Kriegsverletzte untergebracht.
Das Forchheimer Progymnasium auf einer Ansichtskarte, die 1922 verschickt wurde. Hier waren ab September 1914 um die 70 Kriegsverletzte untergebracht.
 
Todesanzeige des Lehrerkollegiums für Siegmund Baer aus dem Forchheimer Tagblatt
Todesanzeige des Lehrerkollegiums für Siegmund Baer aus dem Forchheimer Tagblatt
 
 

Im Herbst 1914 kommen die ersten Kriegstoten von der Westfront in den Landkreis zurück. Die verletzten Soldaten werden derweil liebevoll und mit Sinn für deren vermeintlich patriotisches Opfer umsorgt.

"Den schönsten Tod" sei er gestorben, rühmte Gymnasialprofessor Hans Räbel, der auch Landtagsabgeordneter und Vorsitzender des Forchheimer Gemeindekollegiums war , seinen Kollegen Siegmund Baer. Der war am 2. Oktober 1915 an der Westfront gefallen. An der Trauerfeier des Königlichen Luitpoldprogymnasium Forchheim in der Aula nahmen sämtliche Lehrer und Schüler der Anstalt teil.

Rektor Franz Joseph Wittig hatte für die Gedächtnisfeier eigens Ernst Moritz Arndts Gedicht "Klaget nicht, daß ich gefallen!" auf Baer umgedichtet. Der Schülerchor brachte es zur Aufführung.

Unterricht im Kloster

Während in der Aula die Totenehrung stattfand, lagen im Schulgebäude nebenan Soldaten, die im Kampf verwundet und von der Front nach Hause transportiert worden waren, um hier wieder für den Kriegseinsatz gesund gepflegt zu werden.


Der Unterricht war schon im September 1914 vollständig ins Kloster verlegt worden. Die Stadtverwaltung hatte die Räume des Progymnasiums dem Roten Kreuz für die Einrichtung eines Lazaretts zur Verfügung gestellt. "Es erwächst uns nun die Aufgabe", hieß es in der Bekanntmachung des Ortskomitees vom 17. September 1914, "dieselben zweckentsprechend einzurichten. Dabei sind wir auf die Unterstützung der gesamten Einwohnerschaft angewiesen, um die wir hiermit bitten."

Gesucht wurden vor allem "Bettstellen mit Matratze und Keilkissen, Tische, Nachttische, Wäscheschränken usw. ... Da eine gewisse Gleichmäßigkeit wünschenswert erscheint, so werden diejenigen, welche uns Bettstellen stiften, diese aber erst neu beschaffen wollen, auf die von Herrn Möbelgeschäftsinhaber Speckner, hier, angebotenen eisernen Bettstellen eigens aufmerksam gemacht".

70 verwundete Soldaten

Nach dem Jahresbericht 1914/15 des Progymnasiums wurden an die 70 verwundete Soldaten untergebracht. Betreut wurde das Vereinslazarett vom Pflegedienst des Roten Kreuzes. Als Einrichtung der freiwilligen Krankenpflege unterstand es der Medizinalabteilung des Kriegsministeriums.

Neben dem Roten Kreuz haben auch andere Organisationen oder Vereine wie beispielsweise auch die Malteser oder Johanniter auf freiwilliger Basis den staatlichen Sanitätsdienst unterstützt. Sie mussten sich dabei aber strikt an die Dienstverordnung für die freiwillige Krankenpflege halten. Die Versorgung der an der Front verletzten Soldaten war strikt geregelt. Erste Hilfe erhielten sie von den Sanitätern ihrer Einheit, wurden dann am Truppenverbandplatz von einem Bataillonsarzt untersucht und mit einem Transportzettel versehen.
Dieser Zettel gab die weitere Behandlung vor: ein roter Streifen stand für "transportfähig", zwei rote Streifen standen für "nicht transportfähig". Ein gelber Streifen stand für "ansteckende Krankheit", "nicht ansteckend" symbolisierte ein grüner Streifen.

Sechs bis 25 Kilometer hinter der Front übernahmen mobile Feldlazarette die Verwundeten und entschieden, ob ein Rücktransport in die Heimat infrage kam. Sowohl in Forchheim als auch in Ebermannstadt und später auch in Hollfeld waren meistens Verwundete zur Rekonvaleszenz untergebracht. In Forchheim traf am 14. September um Mitternacht der erste Lazarettzug mit über 30 Leichtverwundeten ein. Drei von ihnen wurden zunächst im hiesigen Krankenhaus untergebracht, die restlichen 32 nach Ebermannstadt gebracht.

Schwere Verwundungen

Zwei Tage später kamen in Forchheim weitere 24 Kriegsverletzte an, die von der Sanitätskolonne übernommen wurden und wegen der Schwere ihrer Verwundungen zum Teil mit dem Fuhrwerk ins Krankenhaus transportiert werden mussten.

Das Progymnasium stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung, weil die Klassen erst am 28. September ins Kloster umzogen. Auch in Ebermannstadt kamen die Verwundeten zunächst im Breitenbacher Bezirkskrankenhaus unter. Einer Meldung im Wiesent-Boten zufolge war unter ihnen nur "ein Bayer. Es ist ein Reifenberger namens Kemmeth, der von einem ausschlagenden Pferde verletzt wurde. Unter den anderen befinden sich 16 Schlesier, 7 Württemberger, 1 Sachse. 1 Brandenburger, 1 Schweizer, 1 Ostpreuße, 1 Westfale, 2 Posener und 1 Badenser. Sämtlichen Verwundeten geht es bisher gut".

1491 Tote

Beim Rücktransport in die Heimat konnte demnach nicht Rücksicht darauf genommen werden, wo der Verwundete jeweils zu Hause war. Das wäre bei der Vielzahl der Verluste schlicht nicht möglich gewesen.
Mitte Oktober 1914 - und damit zehn Wochen nach Kriegsbeginn - beklagte das bayerische Heer nach amtlichen Angaben bereits 1491 Tote, 2275 Schwer- sowie 4908 Leichtverletzte. In Ebermannstadt betreuten katholische Ordensschwestern aus Würzburg, die "Kongregation der Töchter des Allerheiligsten Erlösers", das "Vereins-Lazarett Breitenbach".

Eine Aufnahme zeigt sechs von ihnen vor dem Krankenhaus mit ihrem Leiter, dem Bezirksarzt Dr. Ludwig Mayr. Daneben seine Frau Sophie und Bezirksamtsvorstand Karl Stucky. Feldpostkarten und Dankes-Anzeigen im Wiesent-Boten zeugen von der liebevollen Betreuung der Kriegsverletzten.

Die verwundeten Soldaten wurden von den Einheimischen zum Essen eingeladen, durften die Binghöhle in Streitberg besuchen und auch Ausflüge in die Umgebung unternehmen. Noch im September wurden weitere 20 Betten im großen Saal des Rathauses aufgestellt, sodass in Ebermannstadt insgesamt 50 Patienten versorgt werden konnten. Zwei Tage vor Heilig Abend wurde für die 40 Kriegsverletzten, die in Ebermannstadt untergebracht waren, eine "Weihnachtsbescherung" im Krankenhaus ausgerichtet, die nach dem Bericht im Wiesent-Boten "in jeder Beziehung würdig und wohl gelungen war".

Jeder Verwundete wurde mit einem Geschenk bedacht. Ferner wurden Gedichte und Lieder vorgetragen. Mit einer "eindrucksvollen und hochpatriotischen Rede" wandte sich anschließend der Vorstand des Vereinslazaretts, der "kgl. Regierungsrat und Bezirksamtmann Karl Stucky", an die Patienten.

"Nach alter deutscher Sitte sei das Weihnachtsfest ein Fest des Friedens, des Frohsinnes und der Familie. Heuer aber sei dieses hehre Fest der Christenheit dieses Charakters in mancher Beziehung entkleidet. Den Frohsinn, den sonst die Christbaumlichter in unsere Herzen zauberten, verscheuche die Trauer um jene Braven, welche ihr Leben dem Vaterlande geopfert hätten", zitiert ihn der Wiesent-Bote.

Was ist mit Stucky?

Zum Abschluss seiner Rede forderte Stucky die Kriegsverwundeten dazu auf, "dem Kaiser und dem Reiche, dem König und dem Vaterlande, für welche sie freudig schon ihr Blut im Feindeslande verspritzt hätten, unverbrüchliche Treue aufs Neue zu geloben".

Die Rede schloss mit einer laut Presse begeistert aufgenommenen Ovation für Kaiser Wilhelm II. und König Ludwig III. von Bayern. In einer eigenen Anzeige bedankten sich tags darauf die Patienten des Vereins-Lazaretts im Wiesent-Boten mit einem herzlichen Vergelt's Gott für "das Gute, das ihnen während des Aufenthalts getan wurde", - beim Bezirksarzt, den Schwestern, bei "Frau Bezirksarzt Mayr und ihren Herren Söhnen sowie sämtlichen Bewohnern von Ebermannstadt und Umgebung für ihre Spenden und Liebesgaben".
Unerwähnt blieb dagegen der Vorstand des Vereinslazaretts, Karl Stucky. War das bloß ein Versehen? Oder hatte das vielleicht doch einen anderen - sehr ernst gemeinten und politischen - Grund?