Ohne viel Tamtam zu machen, haben die Amerikaner vor zehn Jahren einen Daten-Highway mitten durch die Fränkische Schweiz verlegt. Gemeinden wie Heiligenstadt zwischen Bamberg und Grafenwöhr könnten das geheime US-Kabel gut gebrauchen, um das schnelle Internet endlich auf das Land zu bringen.
Auf einmal waren sie da. Morgens im Nebel mit Bagger und Schaufel. Bauarbeiter im Tarnanzug. Gekommen, um diskret zu graben, und ein Glasfaser-Kabel von Bamberg nach Grafenwöhr im Auftrag der Amerikaner zu verlegen. Eine exklusive Standleitung von der oberfränkischen Kaserne zum Truppenübungsplatz in der Oberpfalz ausschließlich für die US-Streitkräfte.
Das war vor zehn Jahren. Seitdem liegt das Internet-Kabel verborgen unter der Erde. Versteckt vor neugierigen und allzu begierigen Blicken. "Mitbekommen haben wir es freilich", sagt Hans Rupprecht aus Wüstenstein. Bürgermeister und Parlamentarier haben immer wieder bei den US-Generälen angefragt, ob die fränkischen Gemeinden den geheimen Daten-Highway nicht mitbenutzen dürfen. Die Amerikaner haben dies immer ziemlich unmissverständlich abgelehnt: Selbst wenn man sich an Präsident Obama wende, würde das nichts nützen.
Nach dem Motto: Die US-Armee verleiht auch keine Panzer. Und überhaupt sei alles viel zu geheim, meinten sie.
Warum man überhaupt angeklopft hat bei der US-Armee? Weil die Menschen, die zwischen den steinigen Felsen und lieblichen Tälern im Herzen der Fränkischen Schweiz leben, noch heute von dem schnellen Internet nur träumen können. Viel zu kostspielig ist es hier, den felsigen Untergrund teuer aufzubuddeln und eine Daten-Autobahn zu den relativ verstreut lebenden Menschen in den unzähligen Dörfern und Weilern zu bauen. Lohnt sich nicht, sagen die Telekommunikations-Unternehmen. Aufwand und Nutzen muss in einem kommerziellen Verhältnis stehen, seitdem der Staat das Postwesen nicht mehr als hoheitliche Aufgabe betrachtet und vom Briefkasten bis zum Glasfaser-Kabel die Infrastruktur für die Kommunikation in private Hände gelegt hat. In den Schoß kann der Staat seine Hände trotzdem nicht legen. Mit Förderprogrammen versucht der Bund und der Freistaat den Breitband-Ausbau im ganzen Land voranzutreiben. Denn der Markt pustet dem Staat natürlich etwas, wenn es darum geht, die Infrastruktur überall im Land auf vergleichbarem Niveau zu errichten. Ein Blick in den Breitband-Atlas der Bundesregierung zeigt dies auf einen Blick: Superschnelles Netz für die Städte, superlahmes Netz für die Fläche.
Keine Gnade bei der Rechnung
Mit tonnenschweren Fördertöpfen hilft die öffentliche Hand deshalb den Gemeinden dabei, die Internet-Unternehmen mit den Steuergeldern in die Dörfer zu locken. Denn die Konzerne kennen bei der Rechnung keine Gnade. Kennen kein Mitleid mit strukturschwachen Flächen-Gemeinden und ihren unzähligen Ortsteilen. Unternehmen übernehmen nur den Teil der Investitionskosten, den sie wieder über die Kunden amortisieren können. Die sogenannte Wirtschaftlichkeitslücke müssen die Gemeinden erst einmal aus dem eigenen Geldbeutel berappen.
Über die Förderprogramme können sich die Gemeinden einen Teil zurückholen.
Die aktuellen Förderrichtlinien in Bayern setzen auf Synergieeffekte. Wohl weil der Freistaat weiß, dass selbst mit einem Zuschuss von 500.000 Euro die Internet-Träume nicht überall in Erfüllung gehen werden.
US-Kabel wäre Super-Synergie
"Wenn wir die Leitung mitbenutzen könnten, dann könnten wir uns einen großen Teil der Grabungsarbeiten sparen", sagt Helmut Krämer und präsentiert eine stolze Zahl: zwei Millionen Euro. So groß sei ungefähr die Deckungslücke in Heiligenstadt. Von dieser hohen Summe muss der Bürgermeister aus Heiligenstadt runter. Denn selbst mit dem Förderprogramm könnte die Gemeinde die Kosten nicht schultern. Das Problem: Breitband und dünnbesiedelte Flächengemeinden. Das Dilemma macht ein Verwaltungschef deutlich: "Wer soll entscheiden, welcher von den 30 Ortsteilen in den Genuss vom Breitband kommt." Also verfahren die Gemeinde nach dem Motto: Entweder alle oder keiner. Also keiner. Weil für alle haben diese Gemeinden nicht genügend Geld.
Besonders die Tiefbau-Arbeiten gehen beim Aufbau des drahtlosen Internets ins Geld.
Deshalb wählt Bürgermeister Krämer die Nummer der Firma NGN Fibernetworks, der das Glasfaser-Kabel der Amerikaner angeblich mittlerweile gehört. Das Kalkül: Weil die Amerikaner im nächsten Jahr in Bamberg abziehen, verliert die Supermacht das Interesse an der Standleitung. "Das wäre eine Spitzen-Synergie, wenn das mit dem US-Kabel klappen könnte", sagt Krämer und legt den Hörer wieder beiseite. Am anderen Ende der Leitung meldet sich immer noch niemand.
Auf Synergien setzt auch der Freistaat bei seinem neuen Förderprogramm. Leerrohre für die Glasfaserkabel sollen im sogenannten "Grabungsatlas" kartiert werden, um die Kosten für die Verlegung der Daten-Kabel zu reduzieren. Von dem US-Kabel wusste der Grabungsatlas bisher wohl nichts. Offiziell. Nur im "Gebürg" zwischen den felsigen Hügeln und lieblichen Tälern erinnern sie sich jetzt wieder ganz genau zurück an das "Geheimkabel".
Dann zückt Helmut Krämer erneut das Telefon und am anderen Ende der Leitung sagt tatsächlich jemand: Hallo.
Dann meldet sich doch jemand
Ein paar Minuten später hebt der Bürgermeister aus Heiligenstadt den Daumen. "Könnte klappen." NGN Fibernetworks, der neue Eigentümer des US-Kabels, könnte die Leitung beispielsweise an die Telekom vermieten. Davon hätte nicht nur Heiligenstadt etwas. Auch alle anderen Gemeinden entlang des Geheimkabels lägen plötzlich direkt an einer Daten-Autobahn. Entschieden ist freilich noch nichts. Viele kleine Schritte führen die Flächengemeinden ins schnelle Internet-Zeitalter. Umwege oder Sackgassen sind dabei nicht ausgeschlossen.