Starb eine Jüdin im Kindbett, galt sie als unrein

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Der Theologe und Germanist Rolf Kießling bei seinem Vortrag. Foto: Görner
Der Theologe und Germanist Rolf Kießling bei seinem Vortrag. Foto: Görner
Foto: privat
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Rolf Kießling
Rolf Kießling
 

Die Frauenunion hatte zu einem Abend unter dem Motto: "Das Judentum und die Frauen" eingeladen. Die Zahl der Unionsfrauen war sehr übersichtlich, aber gerade deswegen wurde aus dem Vortrag von Rolf Kießling eine nicht nur sehr lehrreiche, sondern fast interaktive Veranstaltung.

Fragen und Kommentare an den Theologen und Germanisten kamen sofort. Persönliche Erfahrungen bezüglich der Rolle der Frau im Lauf der jüngsten Geschichte hier und auf Reisen wurden ergänzt. Rolf Kießling baute seine Informationen geschickt auf Fragen auf. Die erste lautete gleich provozierend: "Wer ist/war der bekannteste Jude?" Nicht Karl Marx oder Albert Einstein sei das, sondern Jesus!


Drei Richtungen

"Je mehr wir als Christen über den praktizierenden Juden Jesus wüssten, umso mehr wüssten wir über das Judentum - und dazu gehöre natürlich auch die Stellung beziehungsweise die Rolle der Frau", erläuterte Kießling. Dazu müsse man allerdings die verschiedenen Richtungen des Judentums berücksichtigen: Es gibt die orthodoxen ("rechtgläubigen") Juden, die konservativen und die liberalen.

Bei den Orthodoxen wird der Mann in den Vordergrund gestellt. Die Frauen müssen ihre Haare bedecken (vergleiche aber auch muslimische Frauen und Trägerinnen der fränkischen Tracht) und sind im Gottesdienst von den Männern getrennt. Die zwei Eingänge der Ermreuther Synagoge sind bis heute ein Beispiel. Sie zeigen aber auch den ganz praktischen Nutzen für diese Trennung. Da der Fraueneingang gleich zur Empore führt, konnten Frauen so unauffällig gehen, falls sie zuhause für kleine Kinder sorgen oder einfach für die Familie das Essen vorbereiten mussten.

In den konservativen und liberalen Gemeinden gab und gibt es nur einen Gottesdienstraum und keine Trennung nach Geschlechtern.

Von der Heiligen Schrift her gibt es zwei nur scheinbar unterschiedliche Auslegungen bezüglich der Bedeutung der Frau im Judentum, die auf zwei Überlieferungen beruht. Die erste Geschichte beginnt mit der Erschaffung des Menschen als Mann aus Lehm (Adamah = Ackerboden), aber schon er bittet Gott um eine Partnerin: Sie heißte Eva (hebräisch wörtlich: Leben). Das betone natürlich die Bedeutung der Frau sehr.

Die zweite Geschichte: "Gott schuf den Menschen als Mann und Frau." Als Mann und Frau schuf er "ihn", lässt keinen Zweifel an der Stellung der Frau aufkommen.

Vorschrift für orthodoxe und konservative Jüdinnen war die Reinigung in der so genannten Mikwe, einem Bad, dessen Wasser durch eine Quelle oder vom Grundwasser her ständig erneuert wird. Ausgrabungen beweisen, dass es in Forchheim eine solche Mikwe unterhalb der ehemaligen Synagoge gab. Im 19. Jahrhundert hatte man eine heute überbaute Mikwe im Garten eingerichtet.


Sitz des Lebens

Sowohl im Judentum als auch im Islam gilt Blut als der Sitz des Lebens, damit auch als Tabu. Deshalb gilt der Kontakt mit dem Blut einer Frau während der Menstruation und nach einer Geburt für sie selbst und die männliche Umgebung als Verunreinigung - daher die Notwendigkeit des Reinigungsbads.

Eine Jüdin, die im Kindbett vor der rituellen Reinigung starb, wurde früher am Rand des Friedhofs begraben. Ein allerdings von der Lage her "korrigiertes" Beispiel gibt es auf dem Baiersdorfer Friedhof, wo eine vom Ehemann geschaffene metallene Grabplatte für die mit 36 Jahren verstorbene Röslein Lederer zu finden ist.
Das Tauchbad in der Mikwe war aber auch Bedingung sowohl für Frauen wie für Männer bei einer Konversion zum Judentum (vergl. christliche Taufe).

Bis heute ist für viele Nicht-Juden auch nicht ganz klar: Wer ist überhaupt Jude bzw. Jüdin? Quasi als Definition - wieder wichtig für Frauen - gilt: Wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde, ist Jude.