"Wir werden das System umstellen"

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Uwe Schüttinger, Sportvorstand beim Jahn, sagt: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Fotos: Picturedreams
Uwe Schüttinger, Sportvorstand beim Jahn, sagt: "Wir sind auf dem richtigen Weg."  Fotos: Picturedreams

Quo vadis, Jahn Forchheim? Nach einer überragenden Premieren-Saison steht nun die zweite Spielzeit in der Bayernliga bevor. Mancher Leistungsträger ist weg. Dafür bieten sich nun andere Optionen. Sportvorstand Uwe Schüttinger nimmt Stellung.

Platz zwei in der Premieren-Saison: Der Jahn Forchheim legte eine grandiose Spielzeit in der Bayernliga hin. Nun beginnt der zweite Akt, am Samstag ist der Jahn beim TSV Großbardorf zu Gast, die neue Saison wird eröffnet. Tom Jäckel, der letztjährige Top-Torjäger hat den Verein aber verlassen - was große Auswirkungen auf das Spielsystem hat. Im Interview spricht Sportvorstand Uwe Schüttinger über die sportlichen Ziele, vielfältige Optionen im Mittelfeld - und die künftige Ausrichtung des Vereins. So ganz ist das Thema Regionalliga nämlich nicht abgehakt.

Herr Schüttinger, können Sie sich den Höhenflug in der vergangenen Saison eigentlich erklären?
Uwe Schüttinger: Das klingt zwar simpel, aber es stimmt: Es hatte einfach alles gepasst. Wir hatten ja auch nicht geglaubt, so eine erfolgreiche Saison zu spielen.
Vieles ist optimal gelaufen, wir hatten keine größeren Verletzungen, konnten fast immer die identische Besetzung aufbieten. Mit dem sportlichen Erfolg kommt dann das Selbstbewusstsein, ein erstes Aha-Erlebnis war sicher der 2. Spieltag gegen den Würzburger FV, als wir in Unterzahl aus einem 1:1 noch ein 3:1 machten - so etwas wird dann fast zu einem Selbstläufer.

Der Jahn schnupperte am Aufstieg, wäre sogar in die Relegation gekommen, wenn er nicht freiwillig darauf verzichtet hätte. Folgt ein neuer Anlauf in Sachen Aufstieg?
Das vorrangigste Ziel ist ein einstelliger Tabellenplatz. Die Bayernliga wird von Jahr zu Jahr stärker, wir wollen uns mittelfristig in der Spitzengruppe etablieren. Ich möchte gar nicht ausschließen, dass wir das Thema Regionalliga vielleicht irgendwann einmal angehen, für diese Saison ist es aber definitiv zu früh.

Sportlich oder strukturell?
Beides. Die Regionalliga birgt ja auch Gefahren. Die Kluft zwischen südlichen Teams und den Profi-Reserven auf der einen Seite und den Nord-Vereinen auf der anderen Seite war in der letzten Saison sehr groß. Wir hätten uns personell gar nicht so verstärken können, um eine gesicherte Rolle innezuhaben. Vom ersten Tag wären wir mit dem Rücken zur Wand gestanden und hätten gegen den Abstieg gekämpft. Die Stimmung sackt dann ganz schnell in den Keller. Das Risiko, das zarte Pflänzchen beim Jahn zu zerstören, wäre viel zu groß gewesen.

Was muss sich beim Jahn ändern, um den Anforderungen eines Regionalligisten zu genügen?
Aus drei Gründen ist die Regionalliga für uns aktuell nicht zu realisieren. Ein erster Faktor ist die personelle Struktur. Bei uns verteilt sich die Arbeit auf zwei bis drei Schultern, das ist eigentlich schon für die Bayernliga zu wenig, für die Regionalliga ist es definitiv nicht machbar. Dann natürlich der finanzielle Aspekt: Ohne einen großen Sponsor, der die Kosten übernimmt, ist die Regionalliga nicht zu stemmen. Wir hatten zwar gute Gespräche mit einem Sponsor geführt, uns letztlich aber dagegen entschieden, da es zu viele unbekannte Größen dabei gegeben hätte. Ein weiterer Punkt ist natürlich das Stadion. Es ist de facto nicht regionalligatauglich. Schon die geringsten Anforderungen - etwa Presseplätze mit Strom - können wir nicht erfüllen. Wir hätten eine Menge Geld reinstecken müssen, um den Anforderungen zu genügen. Allerdings hätten wir investiert, ohne zu wissen, wo sich unsere sportliche Heimat mittelfristig befindet. Wirtschaftlich wäre dies nicht zu verantworten gewesen.

Wie würde sich die Situation bei einem Stadion-Neubau darstellen?
Sollten wir tatsächlich eine neue Sportstätte bekommen, dann orientieren wir uns natürlich an den Richtlinien der Regionalliga. Bei einem Neubau ist es kein großer Mehraufwand, diese Dinge zu berücksichtigen. Dies aber nachträglich in ein bestehendes Stadion zu integrieren, verursacht enorme Kosten.

Nun sind die Zuschauerzahlen ja nicht so, wie man sie bei einem Regional- oder Bayernligisten erwarten würde. Was lässt Sie trotzdem positiv in die Zukunft blicken?
Natürlich haben wir uns auch gefragt, woran es liegt, dass die Fußballbegeisterung beim Jahn in den letzten zehn bis 15 Jahren so abgenommen hat. Ich kann mich noch an die früheren Landesliga- und Bayernliga-Zeiten erinnen, da bedeuteten 800 Zuschauer schon das untere Level. Wir hatten einen Schnitt von rund 1200 Zuschauern. Sicherlich sind die Zeiten generell anders geworden, sowohl im Arbeitsleben wie in der Freizeitgestaltung. Mit dem Umbruch vor drei Jahren haben wir die ganze Mannschaft ausgetauscht, wollten den Ruf der Söldner-Truppe wegbekommen und haben mit jungen Spielern aus der Region neu begonnen.Wir müssen aber Geduld mitbringen und die Aufbauarbeit weiter fortsetzen, ein steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Die Begeisterung erwacht beim Jahn wieder, es hat sich schon viel getan. Es sind auch mehr bekannte Gesichter aus alten Zeiten auf dem Jahn-Gelände zu sehen, die sich wieder vorstellen können, etwas für den Jahn zu tun. Wir sind auf dem richtigen Weg.

Kommen wir zum aktuellen Geschehen: Tom Jäckel, der Top-Torjäger, und Philip Messingschlager spielen mittlerweile in der Regionalliga beim FC Schweinfurt - und haben beim Saisonauftakt in Kooperation für den ersten Treffer gesorgt. Ärgert Sie das?
Nein, es freut mich ungemein für die beiden. Philip bringt eine fantastische Einstellung mit, er ist ein prima Kerl, von den fußballerischen Fähigkeiten ganz zu schweigen. Und bei Tom wissen wir ja alle, was er kann. Der Sprung kommt für ihn vielleicht etwas zu spät, er hätte damals zwei Jahre eher zu uns kommen sollen. Nicht zu vergessen ist Thomas Roas, der nach Seligenporten gewechselt ist. Gemeinsam mit Jäckel hat er die Hälfte aller Tore erzielt.

Die Ausrichtung in der Vorsaison war sehr offensiv. Wird jetzt, auch unter den personellen Vorzeichen, mehr Wert auf die Defensive gelegt?
Das würde ich so nicht sagen. Klar, wir haben wichtige Spieler verloren. Allerdings sind ja auch einige Akteure gekommen, Spieler, die uns mehr Optionen geben. Letzte Saison war Tom Jäckel als Sturmspitze gesetzt, das ging gegen viele Mannschaften gut, die Top-Teams hatten sich aber schon gut darauf eingestellt. Nun haben wir deutlich mehr Alternativen, sind schwerer auszurechnen und können besser auf den Gegner reagieren.

Das bedeutet konkret?

Vergangene Saison fehlten teilweise die Ideen aus dem Mittelfeld, auch, weil Thomas Dotterweich nach Eltersdorf gegangen ist. Jetzt haben wir aber gerade für das Mittelfeld viel getan: Maxi Göbhardt ist sehr talentiert und kann kreative Impulse setzen. Artem Selmani kann zurückgezogen werden, wir haben außerdem noch Ferdi List, Florianz Clausnitzer kann ebenfalls die 10er-Position besetzen. Mit Dominik Zametzer, Basti Schäferlein und Hakim Graine haben wir Spieler, die flexibel einsetzbar sind und etliche Positionen ausfüllen können. Das sind alles Optionen, die wir vergangene Saison noch nicht hatten.

Nicht erwähnt haben Sie Cristos Makrigiannis, der Stürmer sollte von Don Bosco Bamberg zum Team stoßen, hat es sich aber nun anders überlegt. Warum das?
Wir bedauern seine Entscheidung zutiefst, es hat aber ausschließlich Gründe, die im Privaten zu finden sind. Cristos hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, komplett mit Fußball aufzuhören, wird jetzt aber wohl zu Don Bosco zurückkehren. Mit 12 Toren hatte er seine Gefährlichkeit in der Bayernliga bewiesen, ein aggressiver Stürmer, der aktiv presst und die Verteidiger attackiert. Er hätte uns gut zu Gesicht gestanden.

Der FC Amberg mit Spielertrainer Timo Rost wird oft als Favorit gehandelt. Wen sehen Sie in dieser Saison vorne mit dabei?

Der FC Amberg hat eine namhafte Mannschaft, mit Francis Kioyo zudem einen bundesligaerfahrenen Stürmer. Amberg wird sicher eine gute Rolle spielen. Auch Bayreuth, das sich bei Bayern Hof verstärkt hat, wird oben dabei sein. Selbst den Aufsteiger aus Weiden darf man nicht vergessen. Alemannia Haibach hat sich ebenfalls ordentlich verstärkt, die Absteiger Eltersdorf und Frohnlach gelten automatisch als Favorit. Der Würzburger FV will auch rauf, Großbardorf ist sowieso immer vorn dabei.
Es ist schwer, sich festzulegen, eben weil so viele Mannschaften eine gute Rolle spielen wollen und können. Es ist ein großer Favoritenkreis, für uns wäre ein einstelliger Tabellenplatz ein großer Erfolg.
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