Vor 100 Jahren starb der junge Kaspar Detzel aus Ebermannstadt in den Wirren des Ersten Weltkriegs in Nordfrankreich.
Heuer werden es 100 Jahre, dass Kaspar Detzel im Alter von 24 Jahren in einer der brutalsten Schlachten der Geschichte in Flandern gefallen ist. Er stammte aus einer Ebermannstädter Bäckerfamilie, hatte Schreiner gelernt und war in Ausbildung zum Baumeister an der Bauschule in Nürnberg. Seine Familie hat die weit über hundert Feldpostkarten, die er nach Hause schickte, bis heute sorgfältig aufbewahrt. Nüchtern und illusionslos spiegelt sich in ihnen der Alltag an der Front.
Noch bevor er die Bauschule abschließen konnte, wurde er im Herbst 1914 eingezogen und am 3. Dezember mit der 1. Kompanie des in Nürnberg stationierten 14. bayerischen Infanterieregiments an die Westfront geschickt - zur Verstärkung der deutschen Truppen, die südlich von Verdun versuchten, das stark befestigte Erdwerk Apremont im Bois Brûlé einzunehmen. "In Stellung war ich noch nicht", teilte er am 28.
Dezember 1914 mit, "habe bis jetzt nur die Aufsicht über Unterstand bauen, wenn es so weiter geht, hat es keine Not."
Mit seinen Kameraden richtete Detzel sich im Keller des zerstörten Schlosses von Apremont einigermaßen wohnlich ein. Hier schrieb er an Silvester nach Hause, dass er "nach einem wohlfühlenden Wannenbad" am "warmen Ofen" sitze und mit seinen Kollegen bei "Punsch und Süßigkeiten" den Jahreswechsel erwarte: "Das Neujahr brauchen wir nicht anschießen, denn der Lärm der Kanonen ist sowieso fürchterlich stark genug."
Nagel ins Knie
Am Ende der ersten vier Wochen hatte Kaspar einen Unfall: "Die Stunde des Unglücks ist gekommen", schreibt er. "Heute, den 6. Januar, muß ich aus dem Kreise meiner Brüder scheiden und muß meinen schönen Posten als Baumeister niederlegen.
Es fällt mir sehr schwer, von einem solchen Dienst entrissen zu werden."
Bei der Suche nach Balken und Brettern für den Bau der Unterstände hatte er sich einen rostigen Nagel ins Knie gestoßen. Der Arzt schickte ihn zurück, zunächst ins Feldlazarett nach Straßburg und dann in seine Garnison nach Nürnberg.
Nach vier Wochen musste er zurück an die Front nach Apremont - aber nicht mehr als "Baumeister", sondern jetzt als Infanterist, der sich nach 24 Stunden "Dienst" im Grabenkampf am Bois Brûlé auf einen Tag Erholung in seiner "Kellerwohnung" freute - was dringend nötig war; denn er litt unter der unzureichenden Versorgung, der Läuseplage und an Durchfall.
Die Schwester kümmert sich
Von zu Hause aus unterstützte ihn seine Schwester Anna liebevoll mit einfachen Kochrezepten, Ratschlägen zur Bekämpfung des Ungeziefers, vor
allem aber mit Feldpostpäckchen: "Lieber Kaspar! Sende Dir eben Paket Nr. 6 mit Wurst, morgen folgt 7 & 8 mit Hemd, Socken und Fleisch, mit etwas Schwefel, hänge Deine Kleider in einen Schrank oder dgl. Zünde den Schwefel an & sie müssen unbedingt kaputt sein, damit Du wenigstens für ein paar Tage Ruhe hast."
Über hundert Päckchen wurden es bis Juli 1915, die Anna, die Mutter und sein Schwager ihm schickten. Ab und zu erkundigte sich Kaspar nach Neuigkeiten von zu Hause, ging dann aber nicht weiter darauf ein. Auch dann nicht, als ein Kollege von der Abschlussprüfung berichtete, an der er selbst ja nicht teilnehmen konnte. Persönliche Gefühlsäußerungen liegen ihm nicht.
Aber immer wieder bittet er um Versorgung aus der Heimat: "Da ich schon lange kein Paket mehr bekommen habe", schreibt er seiner Schwester, "denke ich mir, dass Ihr alles in einem Paket vereinigt habt." Lieber wäre es ihm, "alle zwei Tage ein kleines Paket" zu bekommen, "denn wie Ihr wisst, will man alle Tage etwas essen und nicht nur am Sonntag, für die ganze Woche. Sonst bin ich noch gesund bis zu diesen Stunden." Fast standardmäßig wiederholt sich der letzte Satz in seiner Korrespondenz.
Treffen mit dem Bruder
Sein drei Jahre älterer Bruder Hans war am 6. März nach Bamberg eingezogen worden zum "4. königlich-bayerischen Infanterie-Regiment König Wilhelm von Württemberg", das der 5. Armee unterstellt war und wie Kaspars Einheit in Lothringen auf den sogenannten Maashöhen kämpfte.
Im August teilte Hans nach Hause mit, dass Kaspar nur "1 1/2 Stunden" von ihm an der Front stehe und demnächst zu Besuch kommen wolle. Zum Treffen der Brüder kam es dann tatsächlich Anfang Oktober, wo - das geht aus den Karten nicht hervor.
Nach einer Feldpostkarte war Kaspars Regiment ab September der "III. Armee" unterstellt, die in der Champagne einen Stellungskrieg führte. Hier unternahmen am 25. September 1915 die Franzosen mit zahlenmäßig überlegenen Kräften einen Durchbruchversuch. Unter den fünf deutschen Divisionen, die zur Verstärkung geschickt wurden, waren auch Kaspar und Hans mit ihren Einheiten. Schon die eine Woche dauernde Truppen-Verlagerung zehrte an den Kräften, ein Vielfaches mehr aber dann der Einsatz in der Abwehrschlacht. "Am 24. Oktober", schreibt Kaspar, "gelang es den Franzosen, uns ein Stück Graben wegzunehmen.
Bei Einbruch der Dunkelheit wurde dieses Stück Graben wieder zurückerobert."
"Bis jetzt hat die Haut noch kein Loch"
14 Tage stand er ununterbrochen in vorderster Linie. Trocken meldete er nach Hause: "Es waren 14 harte Tage. ... Bis jetzt hat die Haut noch kein Loch." Zwei Tage lang darf er sich im Lager "1 km hinter der Front" erholen, dann ging es am 29. Oktober wieder "in Stellung" . Mit seiner Kompanie geriet er voll in das Maschinengewehrfeuer der Franzosen.
Und es kam noch schlimmer: "Unsere eigene Artillerie" - so Kaspar - "schoß auf uns und unsere Unterstützungskompagnie stürmte auf uns los. Das war ein großes Durcheinander, bis es hell wurde."
Das, was Kaspar als "großes Durcheinander" bezeichnete, war militärisch gesehen eine Katastrophe.
Die Verluste der Deutschen waren so groß, dass die Kompanien des Regiments nur noch eine durchschnittliche Stärke von 80 Mann hatten. Kaspar selbst aber hatte Glück. Am 11. November wurde seine Einheit von einem preußischen Armeekorps abgelöst und nahm eine Woche Quartier im völlig zerschossenen Rethel in der Nähe von Reims.
Hier fühlte sich Kaspar jetzt wie in einer "Erholungsstadt". "Hier ist es zum Aushalten", schrieb er nach Hause, "auch das Geld düßt hier ab, was sonst nicht der Fall war." Aber schon am 25. November ist das zu Ende. "Meine Lieben! Die Herrlichkeit in Rethel hat nun ein Ende, da wir morgen von hier wieder wegkommen."
"Ich kann alles gebrauchen"
Nach fast vier Wochen meldete sich Kaspar am 19. Dezember 1915 aus Apremont zurück.
Am Rand auf seinen Weihnachtsgrüßen vermerkte er noch: "Bitte lasst die Lieferungen nicht ausgehen, denn ich kann alles notwendig brauchen."
Aus Kaspars sieben Karten von Januar bis Februar 1916 ist zunächst keine größere Gefahrenlage erkennbar. "Die Gegend, in der wir uns befinden, ist ziemlich ruhig", berichtete er am 5. Februar nach Hause. Ihm selbst ging es "leidlich gut". Belastend war nur, dass er keinen Urlaub bekam. Ärgerlich grüßte er deshalb auf einer Karte: "in der Hoffnung, dass der "Sch... hier ein Ende nehmen wird". Auch den folgenden 13 Feldpostkarten bis August 1916 ist nichts über seinen Kriegseinsatz zu entnehmen. Die letzte Nachricht kam dann mit einer Ansichtskarte aus "Sallaumines - Bahnhof".
Sallaumines liegt im Norden Frankreichs nördlich von Arras. Der Gruß von hier belegt, dass Kaspar mit seinem Regiment vom 18. Juli an in Gefechte mit den Engländern im Artois verwickelt war.
Hier an der Somme begann am 1. Juli 1916 die verlustreichste Schlacht des Ersten Weltkriegs. Kaspars Einheit rückte, wie es in der Regimentsgeschichte heißt, "in die Stellungen ostwärts Longueval-Delville-Wald vor. Nach einem viertägigen Trommelfeuer erfolgte am 15. September 1916 der englische Angriff, zum ersten Mal unterstützt durch gepanzerte Kampfwagen (Tanks) ... Die heftig umkämpfte Ortschaft Flers musste aufgegeben ... werden. Bis 23. September hatte das Regiment als Gefallene 14 Offiziere, 47 Unteroffiziere und 453 Mannschaften ... zu beklagen".
Unter den Gefallenen war auch Kaspar.
Ausstellung
Die ausführliche Dokumentation über das Kriegsschicksal von Kaspar Detzel ist in der Sonderausstellung "Gefallen auf dem Feld der Ehre - Unsere Heimat im 1. Weltkrieg" zu sehen, die am Sonntag, 6. März, 14 Uhr im Heimatmuseum
Ebermannstadt eröffnet wird.