Selbstversuch: Rückführung in ein früheres Leben

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Grafik: Franziska Schäfer
Grafik: Franziska Schäfer
Daniela Neubauer in ihrer Hypnosepraxis. Sie ist überzeugt: "Aus jedem Leben können wir etwas lernen. " Foto: Pohl
Daniela Neubauer in ihrer Hypnosepraxis. Sie ist überzeugt: "Aus jedem Leben können wir etwas lernen. " Foto: Pohl
 

Daniela Neubauer bietet in ihrer Forchheimer Hypnosepraxis "spirituelle Rückführungen in ein früheres Leben" an. Echte Reisen in die eigenen Erinnerungen oder bloße Hirngespinste? Wir haben den Selbstversuch gewagt.

Habe ich schon einmal gelebt? Und was kommt nach dem Tod? Mit Fragen wie diesen habe ich mich bisher kaum beschäftigt. Und jetzt das: Eine Rückführung in ein früheres Leben. Was ich davon halten soll, weiß ich nicht, als ich Daniela Neubauers Hypnosepraxis in der Sattlertorstraße betrete. Ich lege mich auf ein Bett, bekomme eine Decke, unter die ich mich kuscheln kann. "Carpe diem", steht auf einem Wandtattoo über mir: "Nutze den Tag".

Daniela Neubauer ist 34 Jahre alt und wohnt in Buckenhofen. Die Mutter dreier Kinder ist psychologische Beraterin, sie ist also weder studierte Psychologin noch Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ihre Dienste richten sich an Privatpersonen - auf eigene Rechnung. Heilbehandlungen gibt es nicht.

"Auf die Hypnose und ihre vielen Möglichkeiten bin ich während meiner Ausbildung gestoßen", erzählt Neubauer, "das hat mich fasziniert, und da habe ich mich entsprechend fortgebildet." In ihrer Hypnosepraxis bietet die Forchheimerin unter anderem Gewichtsreduktion, Rauchentwöhnung und Trauerbegleitung durch Hypnose an. Und Rückführungen.

"Da ist keine Treppe"

"Entspannen Sie sich, atmen Sie tief ein und aus", sagt Daniela Neubauer. Ich schließe die Augen, atme tief und befürchte kurz, einfach einzuschlafen. Ich soll mir einen Saal mit vielen Türen vorstellen und mir eine aussuchen. Dann soll ich hindurchgehen und eine Treppe hinabsteigen. "Geht nicht, da ist keine Treppe", sage ich.

"Ich habe viel über Rückführungen gelesen und wollte dann irgendwann einfach wissen, ob das stimmt", erzählt Neubauer. "Ich habe dann lange gesucht, bis ich jemanden gefunden habe, von dem ich mich zurückführen lassen wollte." Schon 15 "frühere Leben" hat die 34-Jährige kennengelernt, darunter einige im Rahmen von Fortbildungen. "Einmal hatte ich viel mit Tieren zu tun, konnte aber keine Beziehungen zu Menschen aufbauen", berichtet Neubauer. "Ich bin dann auch sehr einsam gestorben, das war schrecklich. Ich denke, ich sollte so lernen, dass es wichtig ist, auf die Menschen zuzugehen."

Ich habe die Treppe gefunden und steige die Stufen hinab. "Wo sind Sie denn?", fragt Neubauer. "Auf einer Weide", höre ich meine Stimme antworten, "ich muss auf die Kühe aufpassen." "Wer bist du denn?" Ab jetzt werde ich geduzt. "Natascha." Zu meinem eigenen Erstaunen höre ich mich sagen, ich sei zwölf Jahre alt, lebe im Jahr 1564 bei Karlsruhe und könne nicht zur Schule gehen, weil ich arbeiten müsse. Eigentlich sehe ich nichts, schließlich liege ich mit geschlossenen Augen da. Trotzdem kommen die Worte wie von selbst aus meinem Mund. Dass meine Eltern Bauern sind und wir nur wenig zu essen haben. Dass mein Bett zu klein ist und ich nachts friere, weil meine kleinen Geschwister am Feuer schlafen dürfen. Unwillkürlich fange ich an zu zittern.

Hemmschwelle Desinformation

Das Interesse an Rückführungen und der Frage, was nach dem Tod kommt, ist groß. Das hat Daniela Neubauer erst Ende Februar bei der Frauenmesse Franken in Fürth festgestellt. "Viele haben mich dort auf Rückführungen angesprochen und gesagt, sie würden sich dafür schon länger interessieren, wussten aber nie, an wen sie sich wenden könnten", berichtet die 34-Jährige. "Ich denke, da ist eine Hemmschwelle, weil die Leute nicht wissen, wie das abläuft."

Ich bin 25 Jahre alt und sitze in einem Boot. Mit meinem Mann fange ich Fische auf einem See. Von dort aus sehe ich, wie meine Kinder, vier und zwei Jahre alt, am Ufer spielen. Plötzlich läuft die Zweijährige über den Bootssteg, fällt ins Wasser und schreit. Ich, im sechsten Monat schwanger, springe hinterher. "Ich kann sie nicht retten, sie ertrinkt", sage ich. Und spüre, wie mir Tränen über die Wangen laufen.

"Hypnose ist keineswegs ein verlässliches Mittel zur Wahrheitsfindung. Kein Hypnotisierter kann unterscheiden zwischen tatsächlichen Erinnerungen und bloßen Fantasien, Gehörtem und Gelesenem", sagt Bernd Harder, Buchautor und Pressesprecher der "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V." (GWUP). Der gemeinnützige Verein setzt sich zusammen aus Wissenschaftlern aller Fachrichtungen, die gemeinsam versuchen, mit wissenschaftlichen Methoden Fragen zu beantworten, die außerhalb des wissenschaftlichen Bereichs liegen.

Fragen, wie etwa die nach einer Reinkarnation. Die sieht Harder äußerst skeptisch: "Weil ,Rückführungen' Selbstbild und Selbstwertgefühl mitunter nicht nur oberflächlich betreffen, können Sensible dabei erschüttert werden - bis hin zu seelischen Konflikten und Depressionen." In seinem Buch "Die übersinnlichen Phänomene im Test" berichtet Harder von einer 32-Jährigen, die unter der Bedeutungslosigkeit und Austauschbarkeit ihres Jobs litt. In einer Rückführung erlebte sich die junge Frau als Hohepriesterin des Isis-Tempels 1250 vor Christus. Und litt anschließend unter Identitätskonflikten und Depressionen, da ihr "jetziges Leben" nun noch viel bedeutungsloser zu sein schien.

Nicht standesgemäße Heirat

Mit 30 Jahren heirate ich zum zweiten Mal. In meiner ersten Ehe war ich nicht glücklich, sie war arrangiert. Nachdem mein Mann beim Reparieren eines Daches tödlich verunglückt ist, bin ich als Dienstmädchen zu einer Kaufmannsfamilie gegangen. Und habe mich in deren Sohn verliebt. Für ihn bedeutet unsere Heirat ein großes Opfer, schließlich bin ich nicht standesgemäß und habe bereits Kinder. Meine neuen Schwiegereltern kommen nicht zu unserer Hochzeit, sie haben meinen Mann verstoßen. Aber wir sind glücklich, führen einen Lebensmittelladen. Ich habe sogar rechnen gelernt.

"Aus jedem früheren Leben können wir etwas lernen, und es gibt immer einen Grund dafür, weshalb wir an diesem Punkt unseres Lebens gerade dieses zu sehen bekommen", sagt Daniela Neubauer. "Ich biete meinen Klienten nach einer Rückführung immer an, dass sie mich jederzeit ansprechen können, wenn sie verstört sind oder noch Fragen haben. Deswegen hole ich auch niemanden aus der Trance zurück, nur weil die Zeit um ist. Die Rückführung ist erst zu Ende, wenn mein Klient dort fertig ist. Wenn jemand etwas Schreckliches erlebt, versuche ich, zu beruhigen und ihn die Rolle eines Beobachters einnehmen zu lassen. Hinterher ist es meine Aufgabe, Denkanstöße zu geben, sodass der Zurückgeführte etwas Positives oder Lehrreiches aus der Vergangenheit in sein jetziges Leben mitnehmen kann."

Ich liege in meinem Bett und rede wirres Zeug. Ich bin 68 Jahre alt, mein Mann ist vor 21 Jahren an der Pest gestorben. Ich habe Fieber und schreckliche Bauchschmerzen. Meine Tochter Marie sitzt an meinem Bett und hält meine Hand. Redet beruhigend auf mich ein. Und dann sterbe ich. Stehe neben meinem Bett und blicke auf mich hinab. Ich gehe durchs Haus, sehe meine Kinder und gehe über die Straße, um mich von den Nachbarn zu verabschieden. "Willst du noch etwas machen, oder können wir gehen?", fragt Daniela Neubauer. "Nein, ich bin fertig", antworte ich.

Schwierige Beweisführung

Ein durch Rückführung erlebtes "früheres Leben" zu überprüfen, ist schwierig bis unmöglich. Karlsruhe etwa wurde erst 1715 gegründet, doch Bauern dürfte es dort auch vorher schon gegeben haben. Harder berichtet von einem englischen "Medium", das schon zwölf (!) Marie Antoinettes durch ihr Leben begleitet haben will.

Echte "Beweise" für eine Wiedergeburt gibt es nicht. Menschen, die daran glauben, jedoch immer mehr. Und entsprechend fantasievolle Angebote: "In den USA bietet ein Unternehmen schon Versicherungen für den Fall an, dass ein Klient wider Willen in einem Land der Dritten Welt wiedergeboren wird", berichtet Harder.

Ich bin ein körperloses Etwas in einem schwarzen Nichts. Es ist wohlig warm und irgendwie vertraut. Bei mir ist jemand, den Neubauer meinen Seelenführer nennt - eine Art Schutzengel. Es ist eine Frau, aber ich weiß, dass ich sie kenne - als Mann. Dann sehe ich Lichter. Mein zweiter Mann begrüßt mich mit "das hat ja lange gedauert, du warst ja schon immer unpünktlich!" Ich muss lachen. Auch meine Tochter Marie ist da. Ich erkenne, dass auch die beiden in meinem jetzigen Leben wichtige Rollen spielen. Ich treffe noch meine Oma, die vor 17 Jahren gestorben ist. Sie sagt mir, dass sie immer auf mich aufgepasst hat. Dann schnipst Daniela Neubauer mit den Fingern. Ich bin zurück.


Kommentar: Bitte Vorsicht mit Rückführungen!


Die Frage nach einem Leben nach dem Tod lässt sich nur sehr bedingt durch eine Rückführung beantworten. Ich weiß, dass ich mir Nataschas Lebensgeschichte nicht (bewusst) ausgedacht habe. Ob es sich dabei aber um "Erinnerungen" handelt, oder ob hier meine Fantasie am Werk war, kann ich nicht beurteilen.

Das ist im Grunde auch nicht entscheidend. Durch den Trancezustand kommt das Unterbewusstsein zum Vorschein. Was zeigt es uns? Vielleicht Erkenntnisse, die wir uns bewusst nicht eingestehen wollten. Vielleicht aber auch Dinge, die uns zutiefst verstören. Das sollte jedem bewusst sein, der eine Rückführung machen möchte. Das Leben ist kein Wunschkonzert. Und etwaige "frühere Leben" bestimmt auch nicht.