Nationalsozialisten im Straßennamen

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Foto vom Hans-Schemm-Platz in Ebermannstadt. Schemm war Gauleiter der NSDAP. Repros: Franze
Foto vom Hans-Schemm-Platz in Ebermannstadt. Schemm war Gauleiter der NSDAP. Repros: Franze
Blick auf den Muggendorfer Adolf-Hitler-Platz.
Blick auf den Muggendorfer Adolf-Hitler-Platz.
 
Ansichtskarte "Gößweinstein von der Hitlerwand"
Ansichtskarte "Gößweinstein von der Hitlerwand"
 
Ansichtskarte "Blick aus der Hans Schemm-Warte"
Ansichtskarte "Blick aus der Hans Schemm-Warte"
 

In nationalem Hochgefühl benennen 1933 viele Städte und Gemeinden im Landkreis Forchheim ihre Plätze nach exponierten Repräsentanten aus Hitlers System.

Der "Tag von Potsdam", an dem sich am 21. März 1933 Abgeordnete der NSDAP und Vertreter rechter sowie bürgerlicher Parteien in der Potsdamer Garnisonkirche zur konstituierenden Sitzung des Reichstags zusammengefunden hatten, entfachte eine Welle nationaler Begeisterung. Die war keineswegs von oben autoritär erzwungen worden, wurde aber wohl gezielt in Schwung gehalten.

Das zeigt unter anderem der immer selbe Wortlaut, mit dem in Stadt- und Gemeinderäten beantragt wurde, den "Kündern der nationalen Idee, den unermüdlichen Kämpfern für Deutschlands Ehre und Freiheit, den Schöpfern der neuen deutschen Volksgemeinschaft" die Ehrenbürgerwürde zu verleihen. Zudem sollten mit dem denselben Argumenten Straßen, Plätze, Felspartien und Aussichtspunkte nach ihnen benannt werden.

Das geschah mit einer Ausnahme in allen Gemeindevertretungen immer ohne eine einzige Gegenstimme.
Das bedeutete, dass auch die Räte der Bayerischen Volkspartei (BVP), die wie in Ebermannstadt oder auch Forchheim ihre Mandate noch ausüben, das Vorhaben unterstützt haben. Der Landkreis Forchheim war, was die Ehr erbietung gegenüber "nationalen Kämpfern" angeht, keine Ausnahme.

Die schönsten Plätze

Gößweinstein meldete als erste Gemeinde, dass sie bereits am 25. März die fünf "schönsten Aussichtspunkte der Fränkischen Schweiz" den neuen Machthabern gewidmet und nach ihnen unbenannt habe.
Dabei handelte es sich um "1. die Neue Anlage in Hindenburg-Anlage, 2. die Bellevue (Martinswand) in Hitlerwand, 3. den Napoleonfelsen in Ritter von Epp Felsen, 4. den Bärenstein in Göringstein, 5. die Fischersruhe in
Schemm-Höhe".

Waischenfeld folgte am 28. März, Streitberg am 29. März, Ebermannstadt am 1. April, Hollfeld am 4. April, Niedermirsberg am 7. April, Gasseldorf am 9. April, Aufseß und Plankenfels am 12. sowie Forchheim und Muggendorf am 18. April.

Sicherlich haben noch weitere Orte in ähnlicher Weise an die neuen Machthaber die Ehrenbürgerwürde verliehen und Straßen nach ihnen unbenannt. In der örtlichen Presse sind allerdings nur diejenigen Gemeinden genannt, die von sich aus entsprechende Meldungen an die Lokalzeitungen eingereicht haben.

Dieser Praxis verdankt die Nachwelt auch die Kenntnis, dass es in Breitenbach wegen der Ehrung nationalsozialistischer "Freiheitskämpfer" zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Im Jahr 1939 war der Ort gegen seinen Willen in Ebermannstadt eingemeindet worden.

"Drei Angehörige der NSDAP" pflanzten eigenmächtig im Ort eine "Adolf-Hitler-, eine Ritter von Epp- und eine Hans-Schemm-Linde", hieß es im Wiesent-Boten. Gegenüber der Zeitung gaben die drei Aktivisten an, dass die Aktion "in anerkennender Weise" von der "Ortsgemeinde" ausgegangen sei. Dem fügten sie noch hinzu: "Wie man von bestimmter Seite weiß, folgt die Ernennung als Ehrenbürger bei der nächsten Sitzung nach."

Ein Eklat in Ebermannstadt

Offensichtlich wollten sie dadurch den Gemeinderat in Zugzwang versetzen. Das misslang allerdings gründlich.
Tags darauf meldete der Wiesent-Bote, dass die Pflanzung der drei Linden "ohne Auftrag der Gemeinde Breitenbach von drei Angehörigen der NSDAP" erfolgt sei. Verärgert heißt es am Schluss: "Auch die Ernennung von Führern der deutschen Freiheitsbewegung zu Ehrenbürgern der Gemeinde ist bisher nicht zur Erörterung gestanden."

Nur knapp 14 Tage später kam es in der Nacht auf den Ostersonntag in Ebermannstadt zum politischen Eklat. Die erst am 21. März im Ramstertal gepflanzte "Hitlerlinde" wurde, wie es im Wiesent-Boten hieß, "von frevelhafter Hand vernichtet".

Da diese "niederträchtige Tat als ein Racheakt gegen die nationale Freiheitsbewegung angesehen" wurde, fürchteten interessierte Kreise um die öffentliche Ordnung. In der Folge wurden aufgrund "eines Erlasses des Bezirkskommissars Kraus-Streitberg mehrere Mitglieder der ehemaligen Bayernwacht in Schutzhaft genommen und nach Forchheim abtransportiert". So schrieb es seinerzeit der Wiesent-Bote.

Spektakulär verlief die Festnahme eines der Hauptverdächtigen, des 49 Jahre alten Verwaltungsinspektors Heinrich Knopf. Er wurde am Ostermontag beim Verlassen des Gottesdienstes vor den Augen der Kirchenbesucher verhaftet und abgeführt.

Ihm wurde unterstellt, als ehemaliger "Orts- und Bezirksführer" der BVP und Funktionär der Bayernwacht Rache geübt zu haben. Außer ihm wurden noch weitere fünf junge Männer in Schutzhaft genommen. Sie alle waren ledig, zwischen 18 und 30 Jahre alt und fest im politischen Katholizismus verwurzelt. Bei der örtlichen Polizei galten sie "als vorlaute Burschen, die sich nicht im geringsten zur NSDAP bekennen wollten", schrieb der Wiesent-Bote.

Zu Ehren des Reichskanzlers

Trotz einer ausgelobten Belohnung in Höhe von 100 RM durch den Stadtrat und der öffentlich im "Nachmittagsgottesdienst" vom Pfarrer ausgesprochenen Bitte, "es möge sich der Täter freiwillig melden", musste die Polizei ihre Ermittlungen ergebnislos einstellen.

Nach zehn Tagen wurden die sechs Schutzhäftlinge "im Einverständnis mit dem Herrn Sonderkommissar" zunächst "beurlaubt" und dann am 29. April aus dem Amtsgerichtsgefängnis in Forchheim unter der Auflage entlassen, sich "bei der in Ebermannstadt zu Ehren des Herrn Reichskanzlers demnächst stattfindenden neuerlichen Pflanzung einer ‚Adolf-Hitler-Linde' zu beteiligen".

Zuvor war Heinrich Knopf bereits über ein Wochenende aus der Haft "beurlaubt" worden, um an der "Nachkommunion seines Töchterchens" teilnehmen zu dürfen.

Frevel an Hitlers Linde

Landrat Waller musste das "im Einvernehmen mit dem Herrn Sonderkommissar" formal ablehnen, fand dann aber mit einer geschickten Begründung einen Weg für die beantragte Haftverschonung.

Er beorderte Knopf nach Ebermannstadt zurück "zwecks ordnungsgemäßer Übergabe [seiner] bisher beim [Bezirksamt] verwalteten Geschäftsaufgaben und insbesondere zwecks Übergabe der Amtskassen".
Ein Vierteljahr danach kam es auch im benachbarten Niedermirsberg zu einer Unmutäußerung gegenüber den Nationalsozialisten.

Am 23. Juli, einem Sonntag, wurde frühmorgens entdeckt, dass "die anläßlich des Geburtstages des Reichskanzlers Adolf Hitler gepflanzte Linde am Stockteil angebohrt und abgedreht worden ist".
Gendarmerie und SA nahmen noch am Nachmittag "die der Tat verdächtigten Personen" in Schutzhaft. "Unter den Verhafteten", meldete der Wiesent-Bote, "befindet sich auch der frühere Bürgermeister Herbst."

Die Verhafteten wurden in das Amtsgerichtsgefängnis Forchheim eingeliefert. Die Tanzmusik in Niedermirsberg wurde sofort polizeilich abgebrochen.