MCS oder wenn Duftstoffe Atemnot auslösen - Betroffene aus der Forchheimer Region erzählen

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Andrea und Florian (Namen auf eigenen Wunsch geändert) beim Aussortieren der Putz- und Hygienemittel, die sie nicht vertragen. Foto: Petra Malbrich
Andrea und Florian (Namen auf eigenen Wunsch geändert) beim Aussortieren der Putz- und Hygienemittel, die sie nicht vertragen. Foto: Petra Malbrich

Was gut riecht, ist nicht immer gut. Duftstoffe und geruchslose Chemikalien bereiten sensiblen Menschen gesundheitliche Probleme - Multiple Chemikalien Sensitivität (MCS). Was Betroffene berichten und wo sie Hilfe finden.

Lange hat Andrea Engel nicht gewusst, was ihre schweren gesundheitlichen Beschwerden auslöst. Irgendwann wurde der Schwimmlehrerin und Pädagogin in bestimmten Räumen immer schwindelig. Das schaukelte sie schnell hoch, ein pelziger Mund und Atemnot kamen hinzu. Nicht überall. "Mit einer Bekannten haben ich darüber gesprochen. Sie hatte ähnliche Beschwerden und diese kamen von den Duftstoffen und Chemikalien", erzählt Engel. Auf Menschen mit Problemen aufgrund Duftstoffen und Chemikalien soll der 12. Mai aufmerksam machen.

Das ist der internationale Tag der Multiplen Chemikalienunverträglichkeit, kurz MCS. Dieser Tag wurde 1992 von dem US-amerikanischen Mediziner Tom Hennessy ins Leben gerufen. Damit soll die Öffentlichkeit auf die Belange der Menschen aufmerksam gemacht werden, die ein chronisches Erschöpfungssyndrom, Fibromyalgie, haben oder eben an der multiplen Chemikalien-Sensitivität leiden.

Probleme im Hallenbad

Von da an richtete Andrea Engel ihr Augenmerk auf diese Stoffe. An ihrem Arbeitsplatz, im Hallenbad, traten die gesundheitlichen Probleme nur auf, nachdem die Schülerinnen nach dem Schwimmunterricht in den Umkleiden ihre Deos sprühten. Damit war auch das Rätsel um die bestimmten Räume gelöst. Denn wenn Engel gesundheitliche Probleme spürte, lag es an manchen Deos, Rasierwasser oder Parfüms.

Inzwischen kann Engel nicht einmal mehr durch die Gänge mit den Hygieneartikeln im Supermarkt laufen. Sie bekommt dann keine Luft mehr. Ihrem Sohn Florian geht es nicht anders. Starke Übelkeit und schwere Atemnot mit den typischen pfeifenden Lungengeräuschen waren die Folge. Der festsitzende Schleim kann nur mit Mühe abgehustet werden. Manchmal heißt das Husten bis zum Erbrechen.

Ein normales Leben wie es andere junge Erwachsene führen kennt Florian nicht. Das heißt kein Konzertbesuch, Kinofilme kann er nur schauen, wenn diese auf DVD erhältlich sind. "Räume, in denen sich viele Menschen aufhalten, kann ich nicht betreten", erklärt Florian.

Die Ausgangsbeschränkungen, die nun alle wegen des Coronavirus erdulden, wird den MCS.Kranken das ganze Jahr über aufgebürdet. Die Vielfalt der Chemikalien führt zu gesundheitlichen Beschwerden.Auch viele Freizeitbeschäftigungen sind nicht mehr möglich: kein Besuch im Fitnesscenter, kein Essen im Restaurant, selbst Familienfeiern werden problematisch.

Chemikalien lauern überall

Bei neuen Möbeln oder im Urlaub: Überall lauern die versteckten Chemikalien, Allergene und Duftstoffe. "Im Haus habe ich keine Probleme. Wir haben ein Niedrigenergiehaus und mit Naturstoffen gebaut", sagt Andrea Engel.

Die Corona-Krise tut den Kranken insofern gut, da kaum Menschenkontakt erlaubt ist. "Im Moment verbessern sich meine Symptome", sagt Andrea Engel.In geschlossenen Räumen sind die Duftstoffe und Chemikalien, die problemauslösenden Stoffe, oft nicht riechbar.

Bei der Gräfenbergerin Elke Then, die in einer Pflegeeinrichtung arbeitet, sind es die Putzmittel, die Atemnot verursachen. Zu Hause wird alles Schädliche aussortiert: keine herkömmlichen Putzmittel mehr, keine dieser Waschmittel. Da werden nur noch unbedenkliche Mittel verwendet. Aber Vorsicht! Denn gerade auch die natürlichen Mittel, die ätherischen Öle, können reizend sein. Letztendlich hilft nur Testen und Vermeiden. Und ein bisschen Rücksicht, wie es nun bei "Corona" auch funktioniert.

Was ist MCS und wo gibt es Hilfe?

Definition MCS zählt laut der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO als Allergie zur Gruppe der chronischen Multisystem-Erkrankungen und äußert sich in starker Unverträglichkeit von vielfältigen flüchtigen Chemikalien. Es handelt sich um eine multiple chemische Empfindlichkeit, die durch vielfache Symptome im Organsystem gekennzeichnet ist. Es handelt sich dabei um das neurologische System sowie um das Atmungs-, Haut-, Immun- und Muskelsystem. Auslöser MCS-krank werden kann man durch Allergene, vor allem Schimmelpilze, durch Fein- und Schwebstäube, durch mikrobielle Erreger, durch Gase wie Formaldehyde, durch Dämpfe, durch Geruchsstoffe und durch Aerosole (flüssige oder feste Schwebeteilchen). Luftbefeuchter sind Keim- und Allergenverschleuderungsanlagen. Die Diagnose stellt ein Umweltmediziner.

Symptome Bei erneutem Kontakt mit chemischen Substanzen wird eine Reaktion ausgelöst, die zu einem chronischen Verlauf der Krankheit führt. Anders als bei gesunden Menschen liegt bei den von MCS betroffenen Menschen die Toleranzschwelle gegenüber symptomauslösenden Stoffen deutlich niedriger. So können die Chemikalien in Abgasen, Duftstoffen, Zigarettenrauch und mehr zu schweren Reizungen oder einer toxischen Wirkung führen.

Schadstoffe Patienten reagieren auf Schädlingsbekämpfungsmittel, Duftstoffe, Raumsprays, Hygieneartikel und Putzmittel, Nahrungsmittelzusätze, Baumaterialien, Farben, Teppiche, Holzschutzmittel, neue Kleidung (diese kann Formaldehyd enthalten), Laserdrucker und selbst Latexmatratzen aus 100 Prozent Naturkautschuk.

Symbol Eine in der Regel gelbe Schleife ist das Symbol der MCS-Kranken? Die Farbe erinnert an die Kanarienvögel, die früher von Minenarbeitern als Warnsignal gegen Sauerstoffmangel mit in die Schächte genommen wurden.

Hilfe Gesichtsschutzmaske mit Aktiv-Kohle-Filter. Auf Facebook gibt es Gruppen, um sich mit Betroffenen austauschen zu können.