Schon im Herbst 1914 fällt im deutschen Kriegsministerium die Entscheidung, auch Jugendliche zu mobilisieren und auf ihren Einsatz im Feld vorzubereiten. Auch im Landkreis Forchheim mussten sich 16-Jährige in sogenannten Jugendwehren drillen lassen.
Nicht nur durch die Wiederherstellung der Kriegsverletzten sollte die Schlagkraft des Heeres erhalten und gestärkt werden. Am 3. Oktober 1914 gaben das Innen- und das Kriegsministerium Richtlinien für die "militärische Jugenderziehung während des Krieges" bekannt.
Betroffen davon waren in Bayern alle männlichen Jugendlichen im Alter von 16 bis 22 Jahren. "Millionen gereifter Männer stehen im Felde. Millionen junger Kräfte harren der Stunde, da sie das Vaterland bedarf", hieß es in dem entsprechenden Aufruf. Und weiter: "Bereit sein ist alles!"
In Theorie und Praxis Die Jugendlichen sollten für den Heeresdienst geschult sowie "sittlich und körperlich zu Männern" erzogen werden.
Eben so, "wie das Vaterland sie braucht".
In Forchheim berief Hofrat Eduard Strecker einen eigenen "Ortsausschuß für militärische Jugenderziehung", der nach Absprache mit dem Bezirksamt auch für Burk, Buckenhofen, Reuth und Serlbach tätig wurde.
Mehrere Männer mit militärischer Ausbildung übernahmen die theoretische und praktische Schulung, und der Leiter des Progymnasiums, Rektor Wittig, die gesamte Leitung. "Die zur praktischen Ausbildung nötigen Uebungen sollen an den Sonn- und Feiertagen und die Unterrichtsstunden zur Abendzeit an jedem Donnerstag" stattfinden, sodass die Betriebe nicht fürchten mussten, Arbeitsstunden zu verlieren. Ein erstes Treffen der jungen Männer mit ihren Ausbildern fand am 19. November im großen Rathaussaal statt - offensichtlich ohne große Resonanz.
Denn im Dezember erging eine zweite öffentliche "Aufforderung", die sich speziell an die 16- bis 18-Jährigen richtete. Richtig los aber ging es angesichts der Kriegslage allerdings erst im Frühjahr 1915.
Da wurde in dem zweispaltigen "Aufruf an die Jugend Forchheims u. Umg." auch offen gesagt, worum es eigentlich ging: "Aus allen Herren Länder ziehen unsere Gegner Truppen zum Kampfe gegen Deutschland heran um uns durch Ueberzahl zu erdrücken. Darf es so kommen? Nein, nie und nimmermehr! Hier heißt es: Durchhalten! Durchhalten bis zum endgültigen Sieg! Unsere Feinde füllen ihre Lücken leicht und in der Hauptsache durch Wilde und Halbzivilisierte aus.
Aber wo sollen wir den Nachschub hernehmen, die wir auf allen Seiten eingeschlossen sind?"
Das war natürlich eine Frage von lediglich rhetorischem Charakter, denn weiter heißt es: "In diesem Punkte muß unser Vaterland auf seine Jugend hoffen und vertrauen. Wir müssen mit unserem Menschenmaterial sparsam umgehen und dürfen nicht wie unsere Feinde die Rekruten schon nach vierwöchentlicher, flüchtiger Ausbildung ins Feld schicken. Nein, wir brauchen gewandte, geübte Leute, die die Mehrheit der Feinde durch Tüchtigkeit aufwiegen. Die Grundlage hiefür soll die in ganz Deutschland ins Leben gerufene militärische Jugenderziehung - hier der sogenannte Jugend-Landsturm - bilden."
"Schneidige Jugendwehr" Tatsächlich kam es zur Jahreswende 1914/15 flächendeckend in den Gemeinden um Forchheim und Ebermannstadt zur Gründung von
Jugendwehren, Jugendkompagnien und Jugend-Landstürmen.
Nankendorf beanspruchte, die "erste in hiesiger Umgegend" gewesen zu sein: Hier habe sich bereits am 1. November 1914 "eine schneidige Jugendwehr aus Jünglingen von hier und Löhlitz rekrutiert". Innerhalb von drei Monaten wuchs im Amtsbezirk Ebermannstadt die Zahl auf "20 Jugendkompagnien mit einer Gesamtstärke von ca. 400 Mann" an. Das verkündete Regierungsrat Karl Stucky nicht ohne Stolz bei der ersten gemeinsamen "Führerbesprechung", zu der eigens aus Bamberg der "kgl. Hauptmann a.D. Goes" eingeladen worden war. Bei der militärischen Jugenderziehung würden Theorie und Praxis Hand in Hand gehen, führte er aus.
Was geübt werden müsse, sei die "Morseschrift, das Lesen der Generalstabskarten, der Winkerdienst und Meldedienst etc." Der körperlichen Ertüchtigung und der Wehrdisziplin dienten lange Ausmärsche ins Gelände und spielerische Gefechtsübungen. Am Walberla und an der Friesener Warte standen sich die Jugendlichen als Angreifer und Verteidiger gegenüber und mussten sich von extra angereisten Militärinspektoren begutachten lassen.
Die Jugendwehren wurden öffentlich wahrgenommen - nicht nur bei ihren Ausmärschen, sondern auch bei ihren Umzügen durch die Stadt, wenn es galt, deutsche Siege zu feiern. So beispielsweise am 22. Februar 1915, als Hindenburg in der Winterschlacht an den Masurischen Seen die Russen besiegte.
"Der Forchheimer Jugendlandsturm", so berichtete das Forchheimer Tagblatt, "zog, geführt von seinem Leiter, Herrn Rektor Wittig unter Vorantritt der Jugendvereinskapelle, die patriotische Weisen spielte, durch die Stadt zum Rathausplatz, wo Rektor Wittig in einer zündenden Ansprache den Sieg Hindenburgs im Osten feierte und mit einem dreifachen Hoch auf Se. Majestät den Kaiser, Generalfeldmarschall von Hindenburg und die gesamte deutsche Armee schloß, in welches das anwesende zahlreiche Publikum begeistert einstimmte." Der Wirkung wegen wurde schnell auch der Wunsch nach einer eigenen Fahne laut.
"Bekanntlich ist die Fahne das äußere Symbol der Treue und der größte Stolz einer Truppe", begründete "ein Führer des Jugendlandsturms" seine Bitte.
"Wie wäre es nun, wenn sich hiesige patriotisch gesinnte Frauen und Jungfrauen entschließen könnten, dem hiesigen Jugendlandsturm eine Fahne zu stiften? Der Preis hiefür ist ca. 100 Mark, und dieser Betrag dürfte leicht aufzubringen sein." Tatsächlich dauerte es nur einen Monat, um den Wunsch zu erfüllen. Und es waren sogar zwei Fahnen, die am 26. September in der Aula des Progymnasiums mit einem eigenen Festakt übergeben wurden. Die erste war weiß-blau, führte auf der Vorderseite das Stadtwappen und die Aufschrift "Jugendkompagnie 1. Forchheim 1914" und auf der Rückseite das bayerische Wappen mit dem folgenden Wahlspruch: "Zu Deutschlands Ehr die Kräfte mehr".
Für sechs wurde es ernst Die zweite in Schwarz-Weiß-Rot trug ebenfalls das bayerische Wappen und hatte als Umschrift: "Wehrkraftverein Forchheim 1914". Ebenso wie in Forchheim marschierte
auch in Ebermannstadt die Jugendkompagnie werbewirksam durch die Straßen. Breitenbach war damals noch eine selbstständige Gemeinde, schloss sich aber mit seiner Jugendwehr der Stadt an und entschied sich für eine gemeinsame Uniformierung.
Am 31. Januar 1915 erhielten die 43 Jugendlichen einheitliche Militärmützen und übten auf dem Marktplatz. "Nach Schluß der Übungen", so schrieb damals der Wiesent-Bote, "zogen die Teilnehmer unter Trommelklang und Sang durch Ebermannstadt und Breitenbach, um sich in ihrer neuen Uniformierung zu zeigen." Zwei Monate später wurde es ernst für sechs Mitglieder. Sie erhielten ihre Einberufung zum Dienst in der Truppe. Wie viele von ihnen überlebt haben, ist unbekannt.