Kreis Forchheim: Geistig behinderte dürfen bei der Europawahl wählen

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Bei der Europawahl am 26. Mai können erstmals auch jene Menschen wählen, die amtlich bestellte Betreuer haben. Foto: Josef Hofbauer
Bei der Europawahl am 26. Mai können erstmals auch jene Menschen wählen, die amtlich bestellte Betreuer haben. Foto: Josef Hofbauer

Menschen, die nicht geschäftsfähig sind, dürfen deshalb nicht von der Europawahl ausgeschlossen werden. Was aber, wenn jemand schwer geistig behindert ist? Eine Forchheimer Betreuerin hat Bedenken.

Geistig behinderte Menschen dürfen nicht mehr pauschal von der Wahl ausgeschlossen werden. Das besagt das jüngst geänderte Bundeswahlgesetz. Diese Neuerung habe verwirrende Konsequenzen, meint Klara E. (Name ist der Redaktion bekannt) aus Forchheim. Als "gerichtlich bestellte Betreuerin" kümmert sie sich um zwei geistig behinderte Menschen, die in einer Einrichtung leben.

Klara E. wurde von der Verwaltung jener Einrichtung angeschrieben. Der Verwaltungsleiter erinnerte in diesem Schreiben daran, dass "Menschen mit Beeinträchtigung" neuerdings in das Wählerverzeichnis aufgenommen werden müssten.

Nicht lesen, aber wählen können

Auf diesem Weg kommen also gerichtlich bestellte Betreuer in den Besitz der Wahlscheine der Betreuten. Klara E. stand vor einem Rätsel: Was sollte sie mit den Wahlscheinen anfangen? Einen der Betreuten schildert Klara E. so: "Er kann weder lesen noch schreiben. Er erkennt mich, aber geistig ist er auf dem Stand eins Zweijährigen und weit davon entfernt, zu verstehen, was die Europawahl bedeutet."

Aushändigen, das genügt

Die besorgte Betreuerin aus Forchheim betont, dass sie nicht das geänderte Bundeswahlgesetz kritisiere: "Mir geht es nicht darum, dass Behinderte nicht wählen können. Manche können am Leben teilnehmen und sind dazu in der Lage. Aber wer wählt für die behinderten Menschen, die das Leben nicht mehr wahrnehmen können?"

Niemand wählt für behinderte oder demente Menschen, betont die Sozialpädagogin Susanne John vom Betreuungsverein der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Das Thema sei grundsätzlich nicht neu: Hat jemand beispielsweise eine "schwer demente Mutter" zu betreuen, dann müsse er ihr die Wahlkarte aushändigen. "Wenn die demente Frau damit nichts anfangen kann, dann lässt man es", erläutert John. Entsprechend müssten sich auch gerichtlich bestellte Betreuer verhalten: Es genüge, die Wahlkarte auszuhändigen. "Die Betreuten werden gefragt, ob sie wählen wollen oder nicht. Und dann gehen sie hin oder nicht", sagt Susanne John.

Konfrontation

Die Veränderung im Wahlrecht habe sich durch die Klage eines geistig behinderten Mannes ergeben, erinnert Susanne John. Besagter Mann hatte eine Betreuung in "allen Angelegenheiten", eine Kategorie die von Richtern ohnehin kaum noch beschlossen werde. Seit dem Urteil der Karlsruher Richter dürfen auch Menschen, die in "allen Angelegenheiten" betreut werden, nicht mehr von der Wahl ausgeschlossen werden.

Susanne John kann die Verunsicherung von Klara E. verstehen: "Natürlich ist man als Betreuer mit einer neuen Situation konfrontiert."

Die Sozialpädagogin des Awo-Betreuungsvereins schildert, wie sie diese Situation löst. "Ich betreue 30 Leute und habe nur einen Einzigen, der in allen Angelegenheit betreut wird. Ich gebe die Wahlkarten weiter. Ob jemand dann zur Wahl geht, das hab ich nie verfolgt."

Die Erfahrung lehre aber: "Schwer geistige Behinderte sind nicht in der Lage zu wählen und sie haben auch nicht den Wunsch danach."