Im März 1933 erobern die Nazis die Schaltstellen der Macht

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Im Frühjahr 1933 bröckelt das Gewaltmonopol des Staats. Als Hilfspolizisten und Sonderkommissare verschärfen die Nationalsozialisten auch im Landkreis Forchheim den Druck auf ihre politischen Gegner.

In Forchheim sind nach Auskunft der beiden Lokalzeitungen in der Nacht auf den 10. März 1933 auf "Anordnung des kommissarischen Innenministeriums" mehrere SA-Leute als Hilfspolizisten vereidigt worden. Sie übernahmen zusammen mit der städtischen Polizei "den Patrouillendienst in der Stadt".

Tagsüber nahmen sie "Angehörige linksradikaler Organisationen" in Schutzhaft: den KPD-Vorsitzenden Johannes Götz und den Reichsbannerführer Johann Bußler (1888-1971), tags darauf am Samstag, 11. März, den SPD-Vorsitzenden und Stadtrat Georg Schacher (1887-1949), seine Fraktionskollegen Fritz Ruckdeschel (1888-1969) und Karl Ziegler (1878-1934) sowie den Gewerkschaftsvorsitzenden Johann Feustel und den sozialdemokratischen Arbeiter Johann Trautner.

Am Nachmittag kamen dann für kurze Zeit auch führende Mitglieder der Bayernwacht in Schutzhaft.

Die Bayernwacht war die Wehr- und Schutzorganusation der Bayerischen Volkspartei (BVP). Unter den Verhafteten waren der Werkmeister Willi Deckert, der Schreinermeister Karl Kaeß und aus Willersdorf der Gauführer Lunz.

Am 10. März 1933, am Tag also, an dem in Forchheim die Nationalsozialisten ihre politischen Gegner in Schutzhaft nahmen, titelte das Forchheimer Tagblatt: "Neuer Kurs in Bayern". Unmissverständlich war die Botschaft der darunter stehenden Schlagzeile: "Anfang der nationalen Revolution".

Schritt in die Diktatur

Tatsächlich begann mit dem Sturz der geschäftsführenden Regierung in München auch in Bayern der Weg in die Diktatur. Ein erster Schritt war knapp zwei Wochen später die Einsetzung sogenannter Sonderkommissaren bei den Kreisregierungen und den Bezirksämtern. Dies ging auf das Konto des kommissarischen bayerischen Innenministers Adolf Wagner (1890-1944).

Die Aufgabe der Sonderkommissare war es, "darüber zu wachen, daß Spitzel und Provokateure die SA nicht in Misskredit" brächten und gleichzeitig "dafür zu sorgen, daß die Anordnungen der kommissarischen Regierung schnellstens und ordnungsgemäß durchgeführt" würden.

Röhms Sturmabteilungen der NSDAP, die braune SA, nahm die staatliche Verwaltung in den Griff. Für Oberfranken war in Bayreuth der Führer der SA-Brigade 77, Heinrich Hager (1893-1941) zuständig.

Nicht konkret geregelt

Von 1932 bis zu seinem Tod war Hager Reichstagsabgeordneter für den Wahlkreis 26 (Franken). Er setzte am Bezirksamt Forchheim als Sonderkommissar den Gräfenberger Sturmbannführer Hans Rammensee ein, der wiederum für die Stadt Forchheim den NSDAP-Ortsgruppenführer Hans Hofmann zum Stadtkommissär bestimmte.

In Ebermannstadt wurde Sturmführer Thomas Kraus zum "Sonderkommissar" ernannt und in Pegnitz Sturmführer Schultheiß.

Die Sonderkommissare waren in der Phase nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler Träger der nationalsozialistischen Revolution. Ihre Befugnisse gegenüber der staatlichen Verwaltung waren nicht konkret geregelt. Wie weit sie bei ihren Eingriffen in den Aufgabenbereich der Amtsvorstände und Bürgermeister gehen konnten, hing ganz von der Stärke ihrer Persönlichkeit und der ihres Gegenübers ab.

Im benachbarten Landkreis Bamberg beispielsweise setzte Sturmbannführer Lorenz Zahneisen (1897-1950) als Sonderkommissar rücksichtslos seinen Willen gegenüber dem Bezirksamtsleiter Paul Köttnitz (1875-1974) durch, der selbst langjähriges BVP-Mitglied war und entschieden Position gegen die nationalsozialistischen Übergriffe bezog.

Politisches Schwergewicht

Im Vergleich zu den Sonderkommissaren Thomas Kraus und Hans Rammensee war Zahneisen allerdings auch ein politisches Schwergewicht. Er war nicht nur Landtagsabgeordneter und Stadtrat, sondern auch Ortsgruppen- und Bezirksleiter von Partei und SA für Bamberg.

Diese Machtfülle fehlte den ländlichen Sonderkommissaren für die Bezirke Ebermannstadt und Forchheim. Nur in der Stadt selbst verfügte Hans Hofmann als Ortsgruppenleiter und mehrjähriger Stadtrat über größere politische Autorität und hat im Vergleich zu den beiden anderen seine Macht - wie noch zu zeigen sein wird - auch tatsächlich voll ausgeschöpft.

Warum in Ebermannstadt Thomas Kraus aus Streitberg als Sonderkommissar eingesetzt wurde, und nicht der zu diesem Zeitpunkt weitaus rührigere Sturmführer Nikolaus Schmidt (1908-1944), lässt sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht erklären.

Inwieweit Hans Rammensee, der auch Zweiter Bürgermeister in Gräfenberg war, Einfluss auf die Verwaltung im Bezirksamt Forchheim nahm, ist mangels vorhandener Quellen ebenfalls nicht nachprüfbar.
Vorrangige Tätigkeit der Sonderkommissare war, den politischen Gegner auszuschalten und ihn wehrlos zu machen. Das galt zunächst vor allem für die konkurrierende Bayern-wacht, die von der BVP verstärkt ab 1931 aufgebaut worden war.

Unter dem großen Druck der Sonderkommissare löste sich die Bayernwacht in Ebermannstadt am 9. April von selbst auf und lieferte ihre Uniformen und auch Waffen ab.

Damit kam der örtliche Gauführer Georg Grassinger seiner bereits angeordneten Verhaftung zuvor. Bei der Vernehmung konnte er zu seiner Entlastung einen "Posteinlieferungsschein" für eine Mitteilung vorweisen, in der er der Bamberger Gauleitung die Selbstauflösung ankündigte.

Wie Graßinger entging auch der Hollfelder Gauführer Georg Teufel seiner Verhaftung durch die freiwillige Auflösung seiner Bayernwacht-Kameradschaft.

Am 13. April 1933 stimmte der Vorstand des Bezirksamts Ebermannstadt der Einstellung von 14 SA-Männern als Hilfspolizisten zu, die Sonderkommissar Thomas Kraus benannt hatte.

Vereidigt wurden sie am 5. Mai auf dem Marktplatz. Eingesetzt wurden sie in den darauffolgenden Monaten - in SA-Uniform und bewaffnet - vor allem beim Vollzug von Schutzhaftbefehlen.