Hungerleider, Eulnböck und Fröschknicker

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Auf dem Viehmarkt in Ebermannstadt kam man ins Gespräch. Bildnachweis: Archiv Rösch/Repro: Franze
Auf dem Viehmarkt in Ebermannstadt kam man ins Gespräch. Bildnachweis: Archiv Rösch/Repro: Franze
Tabelle Ortsnecknamen in und um Ebermannstadt Autor: Manfred Franze
Tabelle Ortsnecknamen in und um Ebermannstadt Autor: Manfred Franze
 

Alteingesessene kennen noch die Necknamen für die Nachbarorte. Zum Tag der Muttersprache am 21. Februar ein Blick auf Dialektwörter rund um Ebermannstadt.

Fragt man die Alten aber, wissen die wenigsten, warum man die Rüssenbacher als "Stegflicker" oder die Gasseldorfer als "Haberochsen" verspottet. Auch wann diese Neckereien entstanden sind, ist unbekannt. Sicher sind sich die Kulturwissenschaftler nur, dass sie nicht aus dem Mittelalter kommen, sondern weit jünger und einem ständigen Wandel unterworfen sind.

Ortsnecknamen sind über ganz Deutschland verbreitet und keine Eigenart unserer Region. Ihren Ursprung haben sie in einer Zeit, als die Dörfer noch von der Landwirtschaft geprägt waren und man nicht über das Handy kommunizierte, sondern das persönliche Gegenüber suchte. Die Welt war noch klein, die "Events" beschränkten sich auf die traditionellen Feste im Jahreslauf und auf die Begegnungen im Wirtshaus oder bei Märkten. Dabei entwickelten sich aus manchen Gesprächen Frotzeleien und Neckereien, die andere so witzig fanden, dass sie unter vorgehaltener Hand die Runde machten und pauschal auf alle bezogen wurden, die aus dem Dorf wie der Verspottete kamen.


Regelmäßig auf den Viehmärkten

So mag vermutlich die Bezeichnung "Haberochsen" für die Gasseldorfer entstanden sein, die regelmäßig die Viehmärkte in Ebermannstädter besuchten. Ihnen wurde angehängt, in Unkenntnis, was "Hauptochsen" sind - nämlich besonders kräftige Ochsen für große Gespanne - Ziegenböcke zu solchen Ochsen anfüttern zu wollen.

Karl Brückner (1863 bis 1923), von 1887 bis 1923 Lehrer in Gößweinstein, hat 1921 erstmals den Spottnamen schriftlich festgehalten. Er hat sich so dauerhaft gehalten, dass sich 1978 ein "Stammtisch Haberochs'n" als Verein konstituiert hat und als Zweck seiner Gründung sieht, "die Dorfgemeinschaft zu fördern". Die Gasseldorfer selbst berufen sich auf die angeblich mündlich überlieferte Erklärung "Hab' Ochsen", was dann natürlich weit besser klingt als der Spott, Ziegen zu Ochsen aufpäppeln zu wollen.


Gebürtiger Pretzfelder

1923 hat Christoph Beck (1874 bis 1939), Oberstudiendirektor in Nürnberg und gebürtiger Pretzfelder, in der Festschrift für das 600. Jubiläum der Stadterhebung erstmals schriftlich den Spottnamen für die Ebermannstadter fixiert - und zwar im Dialekt: "As haßt, die Ermasteta hittn amol, wis Kerwa ghatt ham, an Bedlmo nex zessen gebm, daß a vahuat is. Su wos, o da Kerwa, wu da größt Geizhols an arma Menschn was gätt! Des is nu net do gwen, habm do die annan Örta, wi sis dafoarn habm, räsanniert und to, wenn's gleich an net vill bessa gwen sen. Des sen doch rechta Hualeida, die Ermasteta!"

Angeblich hätte der Geiz der Ebermannstadter Hungerleider sogar die Schweden davon abgehalten, die Stadt zu stürmen. Als sie wegen der Gefahr, bei der Erstürmung der Stadt von den wackligen Mauern erschlagen zu werden, überlegten, es mit Aushungern zu probieren, sagte ein Hauptmann: "Des ist widda nex, wenn's do drauf okünt, noch vahuan die Schwedn era wie di Ermasta, wall di s Hualeidn bessa vasten."


Witz durch Dialekt entfaltet

Das Beispiel zeigt, dass viele Spottnamen ihren Witz durch den Dialekt entfalten. Im Dorfwirtshaus kannte man sich, erzählte Neuigkeiten und lachte gerne über andere. Dabei kam man auch auf Einfälle, die in Ebermannstadt dem örtlichen "Wiesent-Boten" wert waren, sie über die Zeitung zu verbreiten. Das betraf vor allem das Schafkopf-Spiel. Gewann jemand ein Solo ohne die sechs höchsten Trümpfe, stand das unter genauer Angabe der gespielten Karten in den Lokalnachrichten.

Aber auch Streiche ließ man sich einfallen. Als zum Beispiel 1934 vier Kartler im Gasthaus Dotterweich gleichzeitig austreten mussten, tauschten die neben ihnen sitzenden Freunde den obersten Trumpf beim Schafkopf - den Eichel-Ober, also den "Alten" - gegen einen kleinen "Herz-Siebener" aus. Nach dem Bericht im "Wiesent-Boten" merkten die "ausgepichten Schafkopfspieler" nach ihrer Rückkehr nichts von dem Austausch und kartelten unverdrossen weiter. Nach sechs Spielen konnten sich die "Kiebitze" vor Lachen nicht mehr zurückhalten und gossen ihren Spott über die Runde aus. Leider ist nicht überliefert, ob auch sie mit einem Necknamen bedacht wurden.


Im Wirtshaus entstanden

Die Niedermirsberger verdanken ihre Titulierung als "Eulnböck" auf jeden Fall auch einem Wirtshausbesuch. Für die Bezeichnung gibt es mehrere Versionen. Erich Arneth (1922 bis 1984), der hier Lehrer war, hat folgende Erklärung dafür: Einer seiner Vorgänger als Schulmeister sei einmal von den Dorfbewohnern gefragt worden, was denn das für ein großer Vogel sei, den sie nachts auf dem Turm ihrer Wehrkirche gesehen hätten. "Eine Eule ist's, und wenn ihr Hörner an ihr gesehen habt, dann ist der Vogel halt männlichen Geschlechts." Als einer dann aber weiter nachbohrte, gab er zur Antwort: "Alles, was Hörner hat, heißt Bock: Rehbock, Geißbock, Holzbock, Sägebock. Somit legt sich der Name des Vogels von selbst auf die Zunge: Er ist ein Eulnbock."


Etwas despektierlich

Nicht aus Neid, sondern weil sie ja schließlich städtisch sind, nennen die "Ermasteta Hualeida" die 1939 eingemeindeten Breitenbacher etwas despektierlich "Säutreiber" oder auch "Säustecher". Damit meinen sie, von sich selbst als Geizhälse ablenken und die anderen von nebenan als etwas hinterwäldlerisch abtun zu können. Immerhin hat der Spott dazu geführt, dass ein Sponsor 2004 einen "Säutreiber" vom Künstler Harro Frey (1942 bis 2011) in Bronze gießen und ihn an der Grenze von Breitenbach zu Ebermannstadt aufstellen ließ.

Mit dem Sterben der Dorfwirtshäuser geraten auch die Ortsnecknamen in Vergessenheit. Angela Theiler, Leiterin des Verkehrsbüros in Ebermannstadt, versucht, für alle Ortsteile der Stadt die überlieferten Spitznamen festzuhalten, hat aber große Schwierigkeiten. "Nur die älteren Einheimischen können sich noch an solche Necknamen erinnern", sagt sie, "bei Kanndorf, Moggast, Windisch- und Burggaillenreuth bin ich bisher völlig ins Leere gestoßen."

Weder in der Literatur noch bei Einheimischen hat sie bis jetzt Hinweise auf die Existenz solcher Spottnamen gefunden. Vielleicht gibt es Leser, die hier weiterhelfen können.


Quellen

Karl Brückner: Am Sagenborn der Fränkischen Schweiz. Sagen. Legenden und Lokalgeschichtliches aus den Jurabergen, Wunsiedel 1921
Christoph Beck: Ebermannstädter Heimatbuch. Aus Anlass des 600. Stadtjubiläums, Ebermannstadt 1926
Erich Arneth: Die Hungerleider und die andern alle. In: Ebermannstadt. Ein Heimatbuch, Ebermannstadt 1973
Erich Strassner: Fränkischer Volkshumor. Schwanksagen, Schildbürgergeschichten und Ortsneckereien aus Franken, Neustadt/Aisch 1979