"Hören Sie auf, einverstanden zu sein!"

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Wolfram Weltzer (links) und Harald Welzer suchten (und fanden) in der Eggerbachhalle den Dialog mit 350 Besuchern. Foto: Barbara Herbst
Wolfram Weltzer (links) und Harald Welzer suchten (und fanden) in der Eggerbachhalle den Dialog mit 350 Besuchern. Foto: Barbara Herbst
Foto: Barbara Herbst
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Smartphone aus Stein: Harald Welzer zeigt Moderator Weltzer sein I-Stone Foto: Barbara Herbst
Smartphone aus Stein: Harald Welzer zeigt Moderator Weltzer sein I-Stone Foto: Barbara Herbst
 
Foto: Barbara Herbst
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Harald Welzer signiert seine Bücher Foto: Barbara Herbst
Harald Welzer signiert seine Bücher Foto: Barbara Herbst
 
Foto: Barbara Herbst
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Foto: Barbara Herbst
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Positiv wirken durch kleine Ansätze - "ist das Ernst gemeint, Herr Welzer?", fragte Bürgermeister Schwarzmann Foto: Barbara Herbst
Positiv wirken durch kleine Ansätze - "ist das Ernst gemeint, Herr Welzer?", fragte Bürgermeister Schwarzmann Foto: Barbara Herbst
 
Wiltrud Weltzer begrüßte die Gäste zum Jubiläumsabend. Foto: Barbara Herbst
Wiltrud Weltzer begrüßte die Gäste zum Jubiläumsabend. Foto: Barbara Herbst
 
 

Eine expandierende Konsum-Kultur ruiniert die Welt, sagt Harald Welzer in Eggolsheim und ruft zum Widerstand auf.

Die "zentrale Überlegung" von Harald Welzer klingt beunruhigend: Das expansive Wirtschaftsmodell, das die meisten von uns für den Inbegriff des Glücks halten, dürfte dafür sorgen, dass sich die Menschheit in Kürze selbst abschafft; mit dem Kapitalismus werde die Welt nicht durch das 21. Jahrhundert kommen.
Die Bücher des Sozialpsychologen, Bestsellerautors und Direktors der Stiftung Futurzwei werden in 21 Ländern gelesen. Bewegungen wie Attac versuchen die Denkanstöße von Harald Welzer programmatisch umzusetzen. Am Dienstagabend stand er auf der Bühne der Eggerbachhalle. Eingeladen hatte ihn das Bildungszentrum Haus Feldweg anlässlich seines 30. Jubiläums. Weking und Wiltrud Weltzer haben Haus Feldweg 1986 in Bammersdorf gegründet.
Er habe Harald Welzer unbedingt nach Eggolsheim holen wollen, sagt Weking Weltzer, weil sich dessen Denkansatz mit dem decke, was Haus Feldweg seit Jahrzehnten propagiere: "Wenn der Mensch wach ist, hat das Auswirkung auf sein gesellschaftliches Engagement."
Mit dem Rundfunkmoderator Wolfram Weltzer stand dem elegant und unterhaltsam formulierende Harald Welzer ein Gesprächspartner zur Seite, dem es mühelos gelang, die Kerngedanken des Soziologen herauszuarbeiten - und sie im Dialog mit den 350 Besuchern in der ausverkauften Halle weiterzudenken.
Aber natürlich gab es im Publikum auch Widerstände: Die Vorstellung, dass die Smartphone-Euphorie vor allen jenen dienen könnte, die die Freiheit einschränken und eine "smarte Diktatur" (so der Titel von Welzers aktuellen Buch) etablieren wollen, passt nicht zum Erleben fortschrittsgläubiger Konsumenten.


Klicks und Überwachung

Doch Harald Welzer verdeutlichte an etlichen absurden Beispielen, wie die Digitalisierung und der Umgang mit Handys den Konsumenten auf eine "Insel-Existenz" reduziert. Die Digitalisierung diene vor allem einer expandierenden Konsum-Kultur. "Das Digitale ist fossil", ist Harald Welzer überzeugt: Der Prozess aus Klicks und Überwachung erschöpfe die Energie in jeder Beziehung. In den USA würden bereits neue Atomkraftwerke benötigt, um den Stromverbrauch für den digitalen Konsum zu decken. Fazit des Sozialpsychologen: "Die Digitalisierung interessiert sich nicht für die Freiheit."
Erkenntnisse und Mut zu gewinnen, das hatte Wiltrud Weltzer in ihrer Begrüßungsrede den Gästen des Jubiläumsabend gewünscht. Und tatsächlich entpuppte sich Harald Welzer - obwohl seine Analysen mitunter düster anmuten - als Mutmacher. Vor allem weil er mit seiner Stiftung Futurzwei bewiesen hat, dass er auch ein erfolgreicher Praktiker ist. Die Stiftung fördert "Beispiele, wie es anders geht". Das reicht von Car-Sharing-Modellen über Job-Beschaffungs-Ansätze bis hin zu der Gemeinschaftsgarten-Idee, aus der eine globale Entwicklung geworden sei.
Als am Dienstag in der Eggerbachhalle eine pensionierte Lehrerin aufstand und sagte, sie sei enttäuscht von Welzers Ideen; und als sie ihn fragte, was er denn eigentlich wolle, erwiderte Harald Welzer nur einen knappen Satz: "Über Freiheit und ihre Gefährdung sprechen."
Diese Gefährdung, das zeigte der Dialog zwischen Weltzer und Welzer, liegt vor allem darin, dass die wohlhabenden Nachkriegsgesellschaften in Europa viele Werte für selbstverständlich halten, die es nicht sind. Die Bürgerrechte und die Gleichberechtigung von Mann und Frau zum Beispiel. Oder, dass es hierzulande so etwas wie einen parlamentarischen Beirat für Nachhaltigkeit gibt.
Wie Moderator Wolfram Weltzer bemerkte, liege die große Fähigkeit von Harald Welzer darin, "unterschiedliche Dinge zusammenzudenken". Nicht zu unterschätzen ist zudem Welzers Fähigkeit, zu sagen, was funktioniert, statt apokalyptische Bilder auszuschmücken


Anleitung zum Widerstand

Wer einmal entdeckt hat, dass Konsum, Naturzerstörung, Flüchtlingsbewegungen und Überwachung etwas miteinander zu tun haben; und wer sich zugleich von der Untergangskommunikation verabschieden will, der wird in Harald Welzers "Anleitung zum Widerstand" viele inspirierende Hinweise finden. So plakativ manche klingen mögen - sie sind kaum zu widerlegen: "Sie haben die Verantwortung für die Welt. Hören Sie auf, einverstanden zu sein. Nützen Sie die Spielräume. Schließen Sie Bündnisse."