Eine Armee für Kirche und Vaterland

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Die Ebermannstädter Bayernwacht mit Georg Kraus als Zweiter von rechts Repros: Franze
Die Ebermannstädter Bayernwacht mit Georg Kraus als Zweiter von rechts Repros: Franze
 
Der seit 1895 in Hammelburg existierende "Truppenübungsplatz" wurde 1933 zum "SA-Lager
Der seit 1895 in Hammelburg existierende "Truppenübungsplatz" wurde 1933 zum "SA-Lager
 
Georg Kraus war nach 1945 einer der beiden "Öffentlichen Kläger", die bei der Spruchkammer Ebermannstadt gegen Nazis zu ermitteln haben.
Georg Kraus war nach 1945 einer der beiden "Öffentlichen Kläger", die bei der Spruchkammer Ebermannstadt gegen Nazis zu ermitteln haben.
 

Die Bayernwacht bietet in den 1930er-Jahren den Saalschutztruppen der NSDAP Paroli. Um die Verteidigung der Demokratie geht es ihr allerdings nicht.

Wie die NSDAP hatten in der Weimarer Republik auch die anderen Parteien uniformierte Saalschutz-truppen aufgebaut. Neben den nationalsozialistischen Sturm-Abteilungen (SA) gab es die "Eiserne Front" von SPD und Gewerkschaften sowie auch die "Bayernwacht" der Bayerischen Volkspartei (BVP).
Unter der Parole "Gut christlich, kernbayrisch, treudeutsch" hatten sich die Mitglieder der Bayernwacht ab 1930 von München aus "als bayerisch-katholisches Gegengewicht" gegenüber den Saalschutzverbänden der anderen Parteien landesweit organisiert.

Zu einer der frühesten Gründungen gehörte die Ebermannstadter "Kameradschaft". Sie trat sogar mit eigener Uniform an, "bestehend aus Mütze, Windjacke und Koppel", und war "die stärkste Gruppe im Gau". Einer ihrer Führer, der Buchdrucker Georg Kraus, absolvierte im Januar 1933 einen sogenannten Geländesportkurs im Lager Hammelburg bei Würzburg.

Hindenburg kalkuliert falsch

Nach seinen schriftlichen Erinnerungen nahmen an diesen Kursen nicht nur Mitglieder der Bayernwacht, sondern auch Angehörige von SA und SS, des Stahlhelms und der Eisernen Front teil: "Jeder Teilnehmer erhielt kostenlose Unterkunft und Verpflegung. Weil alle gleiche Uniform tragen mußten, wurden politische Zwistigkeiten vermieden", hieß es.

Dass das nur für die Dauer des Lageraufenthalts gelten konnte, war jedem bewusst. Warum aber bot dann der Staat - noch dazu auf seine Kosten - soldatische Schulungen für Männer an, die in den Wehrorganisationen Führer waren oder werden sollten?

Trugen nicht gerade die paramilitärischen Wehrverbände zur politischen Destabilisierung der Republik bei? Reichspräsident Paul von Hindenburg hat das offenbar anders gesehen. Er, der Feldmarschall a.D., hatte mit Erlass vom 13. September 1932 die Einrichtung des "Reichskuratoriums für Jugendertüchtigung" verfügt und zur Aufgabe gemacht, "die überall bestehenden Wehrverbände zum Zwecke der Jugendertüchtigung zu gemeinsamer und einheitlicher Arbeit zusammenzufassen".

Dass Hindenburgs Erlass unter der Eindruck der zunehmenden politischen Radikalisierung genau das Gegenteil dessen bewirkte, war mehr oder weniger abzusehen.

Die SA rottet sich zusammen

Als am 17. Januar 1933 eine große "Bayernwacht-Kundgebung" in Forchheim stattfand, störte die SA durch "Auf- und Abmärsche" vor dem Kolpinghaus die Veranstaltung.

Danach rotteten sich uniformierte SA-Männer vor einer Gastwirtschaft zusammen, in der Höchstadter Bayernwacht-Mitglieder eingekehrt waren. "Einer ihrer Tapfersten", schreibt die Forchheimer Zeitung, "ging sogar ins Lokal, wo er unter dem Vorwand, Zigaretten kaufen zu wollen, die Stärke der Bayernwachtkameraden erkundete, die ihm sichtlich wenig behagte."

Als daraufhin die SA-Männer abzogen, ging "die Abfahrt der Bayernwacht glatt vonstatten".
Ein weiteres Mal kam es zu einer bedrohlichen Situation in der Wahlnacht auf den 6. März, als nachts gegen "½ 1 Uhr mehrere Bayernwachtkameraden auf dem Heimweg vom kath. Gesellenhaus bei der Gastwirtschaft Eismann, dem Forchheimer Braunen Haus, von etwa 20-30 SA- und SS-Leuten angerempelt und bis zur Gastwirtschaft Schwane verfolgt wurden."

Dort ließen die Bayernwachtleute laut Zeitzeugen die Polizei herbeirufen, die jedoch nicht erschien. Vor der Wirtschaft wurden nun die Bayernwachtkame raden von den SA-Leuten angegriffen. Diese setzten sich selbstverständlich zur Wehr, sodass es zu einer Schlägerei kam, bei der die Nationalsozialisten mit Gummiknüppeln und Schulterriemen auf ihre Gegner einschlugen. Zwei Bayern wacht-Männer wurden verletzt und mussten im Krankenhaus behandelt werden. "Ist die Polizei", schrieb die Forchheimer Zeitung sorgenvoll, " in der Lage für Sicherheit zu sorgen?"

Hauptfeind: der Bolschewismus

In den Zeitungsberichten wird aber von den Bayernwacht-Rednern nicht der Nationalsozialismus als größte Gefahr benannt, sondern der "Bolschewismus".

Unter der Überschrift "Gegen Kommunismus und Bolschewismus" wurde zur großen Bayern wachtkundgebung im Januar 1933 nach Forchheim eingeladen. "Wir wissen alle", hieß es in der Vorankündigung, "daß der Bolschewismus alles daran setzt, auch Bayern und Deutschland zu bolschewisieren."

In der Versammlung selbst sagte der Bamberger Bayern wacht-Kreisvorsitzende, Hauptmann a. D. Faber: "Die größte Gefahr, die gegenwärtig unserem Vaterlande droht, ist der Kommunismus und Bolschewismus; daher muß für 1933 die Parole für die Bayern wacht lauten: Für Kirche, Heimat und Vaterland! Mit Gott für Deutschland und allezeit Bayern treu!"

In den katholischen Teilen Nordbayerns kam es erst ab 1931/32 zur Gründung von Bayernwacht-Gruppen. Nach der Forchheimer Zeitung rekrutierten sie sich "vorwiegend aus den Mitgliedern katholischer Burschen- und Arbeitervereine".

Nach eigenen Angaben umfasste sie Anfang 1933 "schon über 100 000 Mann aus allen Volksschichten" und war damit "die stärkste Bewegung in Bayern, zahlenmäßig stärker als die SA, als Stahlhelm, Reichsbanner und Rotfront in Bayern".
Von Forchheim aus wurden im Januar 1933 weitere Ortsgruppen in Burk, Hausen, Pinzberg, Gosberg, Dobenreuth und Poxdorf gegründet, von Ebermannstadt aus in Pretzfeld.

Unmittelbar nach der Reichstagswahl kursierten Gerüchte, die NSDAP werde wie in den anderen Ländern auch in München mit einem Putsch die Macht übernehmen. Als stellvertretender Gauführer wurde der Ebermannstadter Bayernwacht-Führer Georg Kraus deswegen zu einer internen Lagebesprechung der Bayernwacht und der BVP nach Bamberg geladen.

"In dieser Versammlung gab der Geschäftsführer der BV. [= BVP] von Oberfr. allgemeine Verhaltensmaßregeln" aus und setzte die Bayernwacht in Alarmbereitschaft.

Als in München am 9. März die SA den ganzen Tag über demonstrierte, spitzte sich die Krise zu. In Ebermannstadt versammelte sich die Bayernwacht in der Sägmühle, verfolgte über Rundfunk die Ereignisse in der Landeshauptstadt und wartete auf das Stichwort zum Losschlagen, um sofort nach München auszurücken. Aber vergeblich!

Für die Monarchie

Nach Georg Kraus "entfiel für einen Aufstand der Anlaß", weil mit Ritter von Epp ein Reichsstatthalter eingesetzt wurde, der "in ganz Bayern, auch bei den politischen Gegner der NSDAP großes Ansehen besaß. Die Ausrufung der Monarchie, die vorher öffentlich angekündigt worden war, unterblieb". Beim Rückzug aus der Sägmühle hörten sie die örtliche SA singen: "Wir fürchten Bayernwacht und Rotfront nicht."

Der Ansatz zum Widerstehen war also keinesfalls zur Verteidigung der Demokratie gedacht. Sondern im Gegenteil zur Restauration der Monarchie.

Der Widerstand wurde dann auch in dem Moment aufgegeben, als ein über die Partei hinaus anerkannter Nationalsozialist im Auftrag Hitlers Bayern mit dem Reich gleichgeschaltet hatte.