Ein großer Nachbar sucht Gehör bei den Forchheimer Stadträten

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Die Verantwortlichen von Infiana fürchten, dass mit der Wohnbebauung des Jahn-/ATSV-Geländes "nicht abschätzbare Risiken" auf die Firma zukommen. Foto: Barbara Herbst
Die Verantwortlichen von Infiana fürchten, dass mit der Wohnbebauung des Jahn-/ATSV-Geländes "nicht abschätzbare Risiken" auf die Firma zukommen. Foto: Barbara Herbst
So soll das Philosophenviertel auf dem Forchheimer Jahn-Gelände eines Tages von oben aussehen. Grafik: O. Schuh, planwerkstatt.Architekten
So soll das Philosophenviertel auf dem Forchheimer Jahn-Gelände eines Tages von oben aussehen.  Grafik: O. Schuh, planwerkstatt.Architekten
 

Die Firma Infiana fühlt sich von der Stadt ignoriert und wendet sich an die Stadträte. Einige werfen OB Kirschstein vor, untätig zu sein, er weist die Vorwürfe von sich.

Es ist das größte Wohnbau-Projekt in der Geschichte der Stadt: 600 Menschen sollen in den 130 Wohnungen des Philosophenviertels ihr Zuhause finden. Doch immer neue Hindernisse stehen der Planung auf dem Jahn-Gelände im Weg.

"Wenn man dieses Projekt konsequent weiterentwickelt hätte, wären wir schon über der Ziellinie", meint der CSU-Stadtrat Udo Schönfelder. Dem SPD-Oberbürgermeister wirft er vor, das Thema "vor sich hingurken" zu lassen.

Im März letzten Jahres hatten Axel und Tilmann Rütters, die Geschäftsführer des Hamburger Investors Dignus, der Stadt Forchheim ein Ultimatum gestellt; die immer neuen Aufforderung zur Umplanung schien den Hamburger Immobilienentwicklern unzumutbar. Im November 2018 legten Axel und Tilmann Rütters dann einen Entwurf vor, der den Stadtrat überzeugte. Auch das Thema Lärm schien nach einer gutachterlichen Analyse gelöst.

Doch die Firma Infiana, deren Gelände an das Plangebiet grenzt, hat sich jetzt besorgt an die Forchheimer Stadträte gewandt. Auf die "Überschreitung der Lärmgrenzen" habe Infiana bereits hingewiesen, heißt es in dem Schreiben. "Bedauerlicherweise haben wir zu unseren Einwendungen keinerlei Reaktionen erfahren."

Seit Januar liegen die Pläne aus, damit die Öffentlichkeit ihre Einwände formulieren kann. Die Firma Infiana spricht in ihrem Schreiben an die Räte von "Risiken" im Bebauungsplan, "die unseren Bestand als produzierendes Unternehmen an unserem Standort in der Zweibrückenstraße ernsthaft und in einem nicht abschätzbaren Umfang gefährden".

Viele Verlierer werde es geben "wenn das Bauvorhaben implodiert", warnt Udo Schönfelder; nicht nur der Investor sei betroffen, auch die Wohnungssuchenden und natürlich der Sportverein Jahn, dessen Zukunft an dem Projekt hänge. Monatliche Treffen mit allen Beteiligten wären nötig gewesen, sagt Schönfelder: "Die Stadt hätte das Gespräch zwischen dem Investor und der Firma Infiana moderieren müssen. Wir könnten schon beschlussreif sein."

Dunkelorange Ampel

Auch Manfred Hümmer verliert die Geduld: "Die Ampel steht bei mir auf dunkelorange", sagt der FW-Stadtrat. Er habe "den OB aufgefordert, Stellung zu beziehen". Es stünden wegen des Lärmschutzes widersprüchliche Aussagen im Raum. "Sollte Infiana den Klageweg beschreiten, kann das Bauvorhaben um Jahre verzöger werden." Hümmer ist verärgert: In dem künftigen Wohngebiet würde nachts der zulässige Lärmwert um ein Drittel überschritten; davon wären zehn Prozent der Wohnungen betroffen, darauf habe Infiana bereits im Mai 2018 hingewiesen. "Doch die Stadt hat nichts unternommen", kritisiert Manfred Hümmer: "Der Oberbürgermeister kann sich doch nicht auf ein förmliches Anhörungsverfahren zurückziehen. Bei mir würden da die Alarmglocken läuten."

OB: "Nicht nachvollziehbar"

Der OB bleibt gelassen. "Die Vorwürfe der Firma Infiana" könne die Stadt Forchheim "nicht nachvollziehen", heißt es in einer Mitteilung von Pressesprecherin Britta Kurth: "Die Einwendungen aus vorherigen Runden sind immer gewürdigt und beantwortet worden. Die Einwendungen aus der aktuellen Auslegung erfolgt zunächst im April-Planungs- und Umweltausschuss. Dies geschieht wie in anderen vergleichbaren gesetzmäßig geregelten Verfahren zu neuen Bauvorhaben." Ob Behörden oder Nachbarn, wer betroffen sei, müsse sich bis April gedulden, sagt Britta Kruth. Der Oberbürgermeister werde vor der Entscheidung des Planungsausschusses "keine inhaltliche Antwort" geben.

"Man hätte längst reagieren müssen", meint dagegen Manfred Hümmer: "Von dem Mai-Brief der Firma Infiana an die Stadt haben wir vor 14 Tagen Kenntnis erlangt. Da müssen wir Stadträte von Infiana angeschrieben werden, um von dem Umstand zu erfahren - und das soll dann die vom OB gepriesene Transparenz sein." Dagegen meint SPD-Stadtrat Reiner Büttner, dass der "große Nachbar" Infiana zwar ernst genommen werden müsse; dass die Stadt "ihre Hausaufgaben aber gemacht" habe. "Ein bisschen ungewöhnlich" sei es zwar, wenn sich die Firma mit einem Schreiben an die Räte wende, gibt Reiner Büttner zu. Doch er gehe nicht davon aus, dass Verzögerungen des Bauprojektes durch eine Klage drohen. In der November-Sitzung des Planungsausschusses seien bereits Korrekturen im Lärmschutz vorgenommen worden. "Damit hat die Stadt zumindest schon einmal auf die Einwände der Firma vom Mai reagiert", betont Büttner.

FDP-Stadtrat und Bauexperte Sebastian Körber findet es "nicht ungewöhnlich", dass Infiana zusätzlichen Lärmschutz einfordere. "Ich kann die Bedenken nachvollziehen, der Betrieb muss sichergestellt sein. Und ich gehe davon aus, dass sich eine Lösung bautechnischer Art finden lässt. Man muss hier keine Häuserblöcke verschieben." Körber warnt vor einer Dramatisierung der Lage: Ein Schlagwort wie "Planungsstopp" sei unangemessen. Allerdings sei auch die Kommunikation der Verantwortlichen bei der Stadt unangemessen: "Der OB ist in der Pflicht, das Gespräch zu suchen."