Seit Mittwoch ist die App "Pokémon Go" offiziell in Deutschland erhältlich. Damit erreicht die Suche nach den kleinen Fabelwesen eine neue Dimension.
Sie laufen in Gruppen, halten ihr Handy vor das Gesicht und sind auf der Suche. Verwirrt blicken sie von rechts nach links, scheinen etwas in der Stadt zu suchen. Dieses Bild bekommen die Forchheimer wohl bald öfter zu sehen, denn: Seit Mittwoch ist die kostenlose Spiele-App Pokémon Go offiziell für das Smartphone erhältlich und die Suche nach den kleinen Wesen eröffnet.
Über das Handy erfahren die Jugendlichen, an welchem Ort Pokémon versteckt sind. Das Spiel funktioniert über GPS. Auf einer Karte sehen die Spieler wo sie hingehen müssen - ähnlich einem Navigationsgerät. Treffen sie dann auf ein Wesen, können sie es mit einem sogenannten Pokéball fangen. Je mehr Pokémon ein Spieler fängt, desto schneller steigt er auf. Das ist wichtig, denn: Im höheren Level gibt es bessere Pokémon. Im Vorfeld hatten sich manche schon die App über Umwege heruntergeladen und können eine große Pokémon-Sammlung vorweisen. Auch zu Hause lauern die kleinen Fabelwesen - verstecken sich unter dem Bett, auf der Couch oder in der Küche.
Kindheitserinnerungen wieder da
Der 18-jährige Swen aus Poxdorf ist ein großer Fan der App, hat schon früher auf seinem Gameboy Pokémon gespielt und auch die Fernsehserie geschaut. "Ich mache mit, weil es mir meine Erinnerungen zurückbringt", sagt er. Zusammen mit 160 anderen Jugendlichen ist er Mitglied in der Facebook-Gruppe "Pokémon Go
Forchheim" und in einer Whatsapp-Gruppe, deren Zahl von Mittwoch auf Donnerstag auf über 100 angestiegen ist. Dort erzählen die Spieler die ganze Nacht von ihren Erfolgen - schicken Bilder von den Kreaturen, die sie in Forchheim und Umgebung gefangen haben.
Nicht einmal in der Nacht gönnen sich die Jugendlichen eine Verschnaufpause. "Man bewegt sich zu Zeiten, wo man üblicherweise nicht ausgehen würde", schmunzelt der 23-jährige Nico aus Hausen. Auch Swen war schon nach Mitternacht unterwegs - musste die Arena seiner Mannschaft zurückerobern. Der Hintergrund: Die Spieler dürfen sich unterschiedliche Teams aussuchen. In Arenen, die überall verstreut in der Stadt liegen, platzieren sie ihre Pokémon, um das virtuelle Gebäude zu verteidigen.
Spontanes Treffen im Stadtpark
Auf einen Aufruf vom 20-jährigen Vincent aus Forchheim erscheinen Mittwochabend über 40 Jugendliche im Stadtpark in Forchheim. Im strömendem Regen gehen sie zusammen auf die Jagd. Früher waren die Spieler nicht annährend so viel in der Natur, wie in den letzten Tagen. "Normalerweise bin ich weniger draußen, meistens nur, wenn ich da auch was zu tun habe", sagt Swen.
Aber nicht nur die Besuche an der frischen Luft haben zugenommen, sondern auch die Entfernungen, die die Spieler derzeit zurücklegen. "Ich bin gestern fünf Kilometer durch die Stadt gelaufen, damit ich mein Pokémon ausbrüten kann", sagt der 18-jährige Tobias lächelnd. Denn: Es können nicht nur ausgewachsene Fabelwesen gefangen werden, sondern auch welche von klein auf großgezogen werden. Dafür nehmen die Spieler größere Distanzen auf sich - der 23-jährige Nico aus Hausen überlegt sogar, sich einen Roller zu kaufen, damit er die Entfernungen schneller bewältigen kann.
Polizei hat große Sorge
Ein Anruf bei der Polizeiinspektion Forchheim beweist: Zu den Beamten ist Pokémon Go noch nicht vorgedrungen. "Poke Man and Go?", fragt eine Mitarbeiterin verwirrt. Auch Dienststellenleiter Jürgen Knauer aus Forchheim muss sich erstmal von den jüngeren Kollegen aufklären lassen. Dann sagt er besorgt: "Ich sehe das schon als Problem. Deswegen appelliere ich an die Jugendlichen: Macht Euch einen Spaß und jagt die Dinger, aber passt auf den Straßenverkehr auf."
Die Angst des Polizeibeamten ist nicht unbegründet. Erst am Dienstag wurden zwei Männer gegen 23 Uhr von der Polizei angehalten, die mit ihrem Auto auf der Jagd nach den scheuen Wesen waren, erzählt er. Beim spielen verlieren die Abenteurer das Gefühl für die Umgebung - sind vollkommen auf den Bildschirm fixiert. Selbst der Entwickler Niantic ist sich der Gefahr bewusst. Bereits beim Einschalten der App erscheint die Aufschrift: "Bleibe wachsam. Behalte immer deine Umgebung im Auge!"
Das Problem ist auch den Jugendlichen bekannt, denn viele waren bereits in Situationen, in denen es fast zu einem Unfall gekommen wäre. "Einer ist mit dem Fahrrad auf der Straße plötzlich stehengeblieben, weil er ein Pokémon fangen wollte", erzählt der 20-jährige Vincent. Einem Freund von Swen ist sogar ein Spieler vor das Auto gerannt - er wollte das Bisasam auf der anderen Straßenseite erwischen. Auf den Verkehr hat der unachtsame Mann dabei nicht geachtet.
Das größte Problem der Jugendlichen ist derzeit weniger die Gefahr, die mit dem Spiel verbunden ist, sondern die Akkulaufzeit der Smartphones. "Nach einer Dreiviertelstunde ist der Akku leer", ärgert sich Nico aus Hausen. Deshalb hat er sich eine Powerbank gekauft, ein Gerät, mit dem er auch unterwegs sein Handy öfters aufladen kann. Das Geld dafür spart er derzeit an einer anderen Stelle. "Früher bin ich immer ausgegangen und jetzt fange ich Pokémon. Ich spare so viel Geld", freut sich der Hausener. Positiv für ihn ist auch: Er hat bereits jetzt viele neue Freundschaften geschlossen. Unter anderem die mit dem 20-jährigen Vincent. Er arbeitet übrigens gegenüber von Nico, sodass sich die beiden bestimmt in der ein oder anderen Pause auf eine gemeinsame Pokémon-Jagd durch Forchheim begeben werden.