Der Tag, an dem Hitler in Forchheim hetzte

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Dier Forchheimer VfB-Turnhalle ist in den Jahren 1927 und 1928 erbaute worden. Repro: Franze
Dier Forchheimer VfB-Turnhalle ist in den Jahren 1927 und 1928 erbaute worden. Repro: Franze
Vor den Reichstagswahlen im September biederte sich Hitler in Tracht den Wählern an. Repro: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
Vor den Reichstagswahlen im September biederte sich Hitler in Tracht den Wählern an. Repro: Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
 
Am 27. September 1930 kündigte die SPD im Forchheimer Tagblatt eine Veranstaltung an.Repro: Franze
Am 27. September 1930 kündigte die SPD im Forchheimer Tagblatt eine Veranstaltung an.Repro: Franze
 
Mit dieser Anzeige warb die NSDAP im Forchheimer Tagblatt vom 23. August 1930 für den Auftritt Hitlers. Repro: Franze
Mit dieser Anzeige warb die NSDAP im Forchheimer Tagblatt vom 23. August 1930 für den Auftritt Hitlers. Repro: Franze
 
Der Waischenfelder Stadtpfarrer Michael Schütz w ar ein Kritiker der NSDAP. Repro: Franze
Der Waischenfelder Stadtpfarrer Michael Schütz w ar ein Kritiker der NSDAP. Repro: Franze
 

Im August 1930 machte der spätere Diktator in der VfB- Turnhalle Wahlkampf für die NSDAP. Kontra bekam die Partei vor den Reichtstagswahlen im Grunde nur noch von der Bayerischen Volkspartei. Die SPD spielte in der ländlich geprägten Region kaum eine Rolle.

Die "Fränkische Schweiz-Kundgebung" am 24. August 1930 in der Forchheimer VfB-Turnhalle hatte die NSDAP als ein politisches Großereignis geplant. Schließlich hatte sich Adolf Hitler persönlich angekündigt und sollte die Massen in einen Rausch reden. Entsprechend großen Aufwand hat die NSDAP dann auch betrieben, um Hitlers Auftritt in das rechte Licht zu setzen.
Aus ganz Nordbayern wurden die Hitler-Anhänger nach Forchheim abkommandiert. Ein Propagandamarsch durch die Straßen der Stadt zum Paradeplatz eröffnete das Schauspiel. Trotz des Uniformverbots erschien nicht nur die SA und die SA-Kapelle "mit Mütze [und] Braunhemd", sondern auch "die große Mehrzahl der Teilnehmer in Uniform mit Abzeichen und Armbändern". Die Demonstration endete am Paradeplatz, wo Gauleiter Hans Schemm, wie die Forchheimer Zeitung weiter schrieb, das "Programm der Nationalsozialisten predigte: Kampf dem heutigen Staatssystem, Kampf dem
Marxismus und vor allem (natürlich!) der Bayer. Volkspartei".
Seine Gegner belegte Schemm laut Forchheimer Zeitung mit dem typischen nationalsozialistischen Vokabular als "Schweinehunde, Bonzen und Volksverräter". Beim Abmarsch vom Paradeplatz ließ die örtliche Polizei eine Gruppe von etwa 35 uniformierten Nürnberger SS-Leuten ungehindert am Demonstrationszug zur VfB-Halle teilnehmen.

Fanatische Anti-Demokraten

Im Gegensatz zu Schemm, so die "Forchheimer Zeitung", habe Hitler dann in der VfB-Halle "im allgemeinen sachlich" gesprochen, wohl "mit Rücksicht auf Zuhörer, die andere Umgangsformen gewöhnt sind".
"Im weiteren", so die BVP-Zeitung, "sagte Hitler neben starker Betonung des Rassengedankens dem heutigen Staatssystems schärfsten Kampf an. Die nationalsozialistische Bewegung werde nicht ruhen, bis sie die weitaus stärkste Partei im Reichstag sei und dann werde sie die anderen Parteien und mit ihnen den Parlamentarismus nach Hause schicken. Denn seine Bewegung sei nationalistisch bis fanatisch und vor allem antidemokratisch".
Zwei Tage später veröffentlichte die Forchheimer Zeitung die Zuschrift eines Lesers, der an der Hitler-Kundgebung teilgenommen hatte und sie aus christlicher Sicht bewertete. Für ihn stand die nationalsozialistische "Auffassung des nationalen Gedankens ganz und gar im Widerspruch zu den Grundsätzen des Christentums. Für den Christen ist das Nationale ein hoher Wert, aber nicht der höchste und absolute und über dem nationalen Gedanken steht der religiöse, der für alle Verhältnisse normgebend ist".
Dass Hitler auf der anderen Seite "manche Auswüchse", wie beispielsweise "gewisse moderne Tänze, Jazzmusik usw.", scharf geißelte, fand der christliche Leser dagegen "ganz in unserem Sinne".
In der Kritik an der zeitgenössischen Kultur trafen sich Konservative und rechte Antidemokraten. Kamen sich Katholiken und Nationalsozialisten etwa auch in der Ablehnung der bestehenden Republik näher? Offensiv verteidigt hat die Forchheimer Zeitung die parlamentarische Demokratie jedenfalls nicht.

Bewahrung von Glauben und Landwirtschaft

Die Bayerische Volkspartei (BVP) ihrerseits war vor Ort die maßgebliche politische Kraft, und stellte in Bayern seit 1920 die Regierung und war in Berlin auch mit einem Minister in der Reichsregierung vertreten. Ihre zentralen Zielsetzungen lagen im Erhalt der bayerischen Eigenständigkeit, in der Bewahrung des katholischen Glaubens und dem Schutz der Landwirtschaft.
In den Zeitungsberichten über ihre Wahlveranstaltungen wird argumentativ die Politik ihrer Regierungsvertreter verteidigt, nicht aber die junge demokratische Republik. "Viele fränkische Katholiken", schreibt Thomas Breuer in seiner Studie über den "Widerstreit zwischen nationalsozialistischem Herrschaftsanspruch und traditioneller Lebenswelt im Erzbistum Bamberg, "hatten wohl keine grundsätzlichen Vorbehalte gegen eine autoritäre Regierung unter Führung der Nationalsozialisten - sofern diese auf kulturpolitischem Gebiet der katholischen Kirche ihre Rechte garantieren sollte."

Politik galt als Nebensache

Charakteristisch für das katholische Milieu auf dem Lande war, das "Politische als Nebensache" zu erachten und die von der Religion geprägte Lebensweise gegen alle Einbrüche zu verteidigen.
Aus dieser Haltung heraus hatte sich seit der Jahrhundertwende eine "permanente Frontstellung zur Sozialdemokratie" entwickelt, die "als Todfeind der Religion und der guten Sitte" kritisiert wurde. Dabei hatte die BVP die katholischen Pfarrer nicht nur in der Kirche auf ihrer Seite, sondern auch direkt in ihren Wahlveranstaltungen. Die katholische Geistlichkeit sah sich häufig dazu verpflichtet, "aus der katholischen Weltanschauung heraus Stellung zu nehmen zu den wirtschaftlichen und politischen Fragen der Gegenwart. Das ist für mich katholische Jugendfürsorge und keine Politik". So schrieb es einmal der Waischenfelder Stadtpfarrer Michael Schütz (1884-1963).
Schütz hatte sich 1930 in Waischenfeld mit dem NSDAP-Gauleiter Hans Schemm angelegt und ihn aus einer Versammlung der "katholischen Jungmännerversammlung" werfen lassen.
Die SPD dagegen war nur in Forchheim präsent. In der landwirtschaftlich geprägten Provinz fand sie indes kaum Zuhörer. Das lag wohl auch daran, dass sie als Klassenpartei der Arbeiter versäumte, auf die Not der Bauern einzugehen. Um sich vor gezielten Störungen zu schützen, verbot sie in Forchheim den NSDAP-Mitgliedern den Zutritt zu ihren Versammlungen. Darauf warf ihr die NSDAP-Ortsgruppe vor, sie fürchte sich, "in aller Oeffentlichkeit Rede und Antwort zu stehen über das Bonzentum ihrer sogenannten Arbeitervertreter".
Eine Woche vor der Wahl kamen in Ebermannstadt aber nur sieben und in Heiligenstadt nur 15 Besucher, sodass die SPD die Versammlung absagen musste. Genüsslich berichtete die Forchheimer Zeitung, dass später SPD-Wahlhelfer in Neuses nach einer Flugblattaktion in einem Gasthaus mit dem Wirt und seinen Gästen in Streit gerieten und sie "mit Ausdrücken" bedachten, "die hier wiederzugeben der primitivste Anstand verbietet". Offensichtlich stieß die SPD weder mit ihren Themen noch mit ihrem Auftreten bei der Bevölkerung auf Resonanz.