Crystal alarmiert die Polizei im Kreis Forchheim

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Die Droge Crystal Meth breitet sich auch im Landkreis Forchheim aus. Foto: Archiv
Die Droge Crystal Meth breitet sich auch im Landkreis Forchheim aus. Foto: Archiv

Im Landkreis Forchheim steigen die Fälle von Handel mit Crystal Meth oder Metamphetamin. Ermittler und Richter sind ständig damit beschäftigt. Letzte Hoffnung für Drogenopfer sind oft nur Einrichtungen wie die Laufer-Mühle.

Es ist ein billiger Traum, der unsere Region heimsucht. Ein Traum von einem Leben, in dem es anscheinend keine Grenzen mehr gibt. Immer voll auf Leistung und am besten ohne jede Ruhephasen - Schlaf wird ausgeklammert. Der billige Traum wird häufig produziert in tschechischen Kellern, zusammengekocht aus Erkältungsmitteln wie Ephedrin zusammen mit Batteriesäure, Abflussreiniger oder Frostschutzmittel. Das Ganze heißt dann Crystal Meth. Diese Droge sorgt in Oberfranken seit einigen Jahren für große Probleme.

Nicht nur junge Menschen erliegen diesem Pulver, schnupfen es oder rauchen die Dämpfe ein. Auch Angestellte, Ärzte, Anwälte oder gar Manager konsumieren den Stoff, wollen Müdigkeit dadurch ausknipsen und erhoffen sich ungeahnte Leistungsfähigkeit - im Job und im Privatleben. Das Gramm der Droge gibt es schon ab etwa 60 Euro - in der Herstellung kostet es dagegen nur fünf bis sechs Cent.


Signifikant größere Menge

Die Polizei im Landkreis Forchheim ist alarmiert. Immer mehr Fälle von Handel mit Crystal Meth oder Metamphetamin beschäftigen Ermittler wie Richter. 2013 waren es 53 Straftaten und die Tendenz nach oben hält heuer an. Der Polizei-Pressesprecher Achim Dowerg vom Präsidium Oberfranken sagt: "Wir stellten auch 2013 erneut eine signifikant größere Menge der gefährlichen Droge Crystal sicher als in den Jahren zuvor."

Die Einsatzschwerpunkte der Fahnder liegen dabei im Bereich der Grenzregionen zur Tschechischen Republik und den Fernstraßen in Oberfranken. Die Drogenschmuggler tun alles, um ihre Fracht vor dem Zugriff der Polizei zu verstecken. Dealer stecken den Stoff sogar in Döner oder lösen ihn in Mineralwasser auf.

Allein in Tschechien soll es nach Schätzungen von Experten mehr als 1200 Labore geben, in denen Crystal Meth hergestellt wird. Das wird vor allem auf den sogenannten "Vietnamesen-Märkten" verkauft.

Die Wirkung von Crystal Meth übertrifft dabei noch die anderer Drogen wie etwa Heroin oder Kokain. Ein junger Konsument aus Nordbayern, der einen guten Job in der Gastronomie hatte, erzählt: "Du fühlst dich erst stark, kannst die Nächte durcharbeiten und dann den Tag überstehen." Schnell aber geht ohne die Droge gar nichts mehr. Die Süchtigen bekommen Wahnvorstellungen, werden aggressiv, haben Halluzinationen.

Letzte Hoffnung für diese Menschen und ihre Sucht sind schließlich Michael Thiem und seine Mitarbeiter in der Laufer-Mühle in Adelsdorf - an der Landkreisgrenze von Erlangen-Höchstadt und Forchheim. "Etwa 20 Prozent unserer 150 Patienten, die Probleme mit Drogen oder Alkohol haben, kamen auch schon mit Mitteln wie Crystal Meth in Kontakt oder nahmen es regelmäßig", schätzt Thiem, Leiter der Suchthilfeeinrichtung.

Von Versagensängsten verfolgt

"Crystal ist billig und in Franken schnell verfügbar. Viele Menschen in unserer Gesellschaft werden von Versagensängsten verfolgt. Die versuchen sie durch Crystal auszuschalten", fügt Thiem nachdenklich an. Eine Sucht, die zerstört. "Die Folgen sind irreparable Hirnschäden. Es ist ein Teufelszeug, das stark verunreinigt ist. Die Konsumenten brauchen nach dem Entzug meist eine langfristige Betreuung", erklärt Thiem.

Bis zu zwei Jahre dauert der Entzug in Suchthilfeeinrichtungen wie der Laufer-Mühle. 20 Prozent brechen in den ersten Wochen die Behandlung dort ab, werden rückfällig. Doch Michael Thiem schreibt diese Menschen nicht ab: "Viele kommen zurück, wenn sie merken, dass sie wieder Marionetten der Droge geworden sind." Nach ihrer Rückkehr erlernen sie mühsam ein Leben in Normalität wieder - gewöhnen sich an Arbeit, an ein festes soziales Umfeld. "Stehen sie das durch, dann haben Süchtige gute Chancen auf ein Leben ohne Drogen", weiß der Leiter der Laufer-Mühle. Doch der Kampf gegen Crystal Meth ist bei weitem nicht die Hauptaufgabe der Suchthilfe, bemerkt Thiel. "In Deutschland gibt es jährlich etwa 1000 Drogentote, dagegen sterben aber 40 000 bis 50 000 Menschen an den Folgen von Alkohol." Genau hier müsse mehr gegen Missbrauch getan werden.

Elisabeth Nüßlein von der Suchtkrankenhilfe der Caritas Oberfranken ist ebenfalls gewarnt: "Natürlich ist das Problem von Crystal Meth nicht von der Hand zu weisen." Die Diözesanreferentin fordert mehr Geld für Prävention in Schulen. "Wir müssen Kinder und Jugendliche starkmachen, damit sie frühzeitig wissen, dass alle Drogen, ob legal oder illegal, keine Lösung sind", erklärt Nüßlein. Damit der Traum von einem Leben ohne Müdigkeit und ewiger Leistungssteigerung nicht in einem Alptraum aus Gewalt und Krankheit endet.


Begriff Crystal Meth

Kurzform für das englische "Crystal Methamphetamine". Dabei handelt es sich um eine weiße, kristalline Droge, die geschnieft, geraucht oder gespritzt wird.

Auswirkungen
Die Konsumenten haben zunächst ein Hochgefühl, sind hyperaktiv und voller Energie. Die Wirkung hält etwa sechs bis acht Stunden an. Doch rasch greift das Gift die Gesundheit der Konsumenten an, führt zu Gedächtnisverlust, Herz- und Hirnschäden.

Geschichte
In Japan wurde Methamphetamin bereits Ende des 19. Jahrhunderts synthetisiert. Massenhaft nutzten die Nazis die Wirkung dieser Substanz, gaben es als Medikament "Pervitin" während des Zweiten Weltkriegs (1939 bis 1945) an die kämpfende Truppe aus. Von April bis Juni 1940 bezog die Wehrmacht mehr 35 Millionen Tabletten davon.

Fahndung

Für die Polizei ist der Kampf gegen Crystal Meth enorm schwer. Oftmals schnappen Ermittler zwar Dealer, doch dabei handelt es sich zumeist nur um kleine Zwischenhändler. Ein Oberstaatsanwalt sagte gegenüber dem "Tagesspiegel": "Die erzählen uns mal irgendetwas von vietnamesischen Händlern auf tschechischen Märkten, aber nichts Konkretes. An die Hintermänner kommen wir nicht ran." Die sollen aber vor allem in Rockergruppen wie den "Hells Angels" zu finden sein.