Geistliche wie der Forchheimer Stadtpfarrer Anton Sextl waren in der Regel weder Widerstandskämpfer noch Erfüllungsgehilfen der Nationalsozialisten. Diese Haltung schreibt Albrecht Bald in seinem neuen Buch auch einigen anderen Oberfranken zu.
Einen umfassenden und guten Überblick über "Widerstand, Verweigerung und Emigration in Oberfranken" in der Zeit des Nationalsozialismus bietet das neue Buch von Albrecht Bald, das in der Reihe "Bayreuther Rekonstruktion" als Band 3 im Bumerang Verlag erschienen ist.
Es sind keine spektakulären Aktionen und auch keine sensationell neuen Fälle, die der Autor in seiner Studie zusammenfasst. Stattdessen überrascht - wie er selbst sagt - "die Vielzahl der widerständigen Verhaltensweisen", die "man in einem provinziellen Raum wie Oberfranken" zunächst gar nicht vermutet.
Die Vielfalt liegt in den unterschiedlichen sozialen Milieus begründet, die die Region kennzeichnten.
Da ist zum einen im Norden die Textil- und Porzellanindustrie um Selb und Hof sowie die Spielzeugproduktion um Coburg und Neustadt, dann das protestantisch geprägte Bayreuth mit einer urbanen Bürgerschaft und einem bäuerlich konservativen Umland sowie im Südwesten der "Bamberger Katholizismus" mit einer Bevölkerung, die fest im Glauben stand und seinen Geistlichen auch politisch folgte.
Die Bamberger Diözese unter Führung von Jacobus von Hauck hielt zwar Abstand zur nationalsozialistischen Ideologie was Glaubensfragen anbetraf, war aber insgesamt "zu loyaler Mitarbeit" im Regime bereit, insbesondere im Kampf gegen Bolschewismus und Liberalismus. Kritische Opposition zu Judenverfolgung und militärischer Aggression dagegen unterblieb.
Für Albrecht Bald ist der Forchheimer Stadtpfarrer Anton Sextl (1882-1948) ein typisches Beispiel für diese "distanzierte Koexistenz". Aus seiner Sicht war er - wie schon Gerhard Hutzler in einem Aufsatz über ihn urteilte - kein "Widerstandskämpfer, aber auch kein ängstlicher Erfüllungsgehilfe" und damit "typisch für einen nicht unbeträchtlichen Teil des Klerus im Erzbistum".
Streik in der Schule Mutiger dagegen waren die "rund 200 Frauen in Forchheim", die im Herbst 1941 "einen mehrere Tage dauernden Schulstreik durchführten und die Lehrer als ,Heimatbolschewiken' beschimpften", weil sie in den Klassenzimmern die Kruzifixe abgenommen hatten.
"Im Gegensatz zu der aktiven Rolle der Geistlichen in den umliegenden Dörfern", so schreibt Bald, "
erfuhren Sextl und seine Kapläne erst nachträglich von den Tumulten und blieben passiv." Bald geht nicht weiter auf den Proteststurm der katholischen Landbevölkerung ein, dem sich sogar NSDAP-Ortsgruppenleiter anschlossen. Dies hatte zur Folge, dass der bayerische Innenminister Wagner das Kruzifixverbot nach vier Monaten mit einem "Geheimerlass" zurücknehmen musste.
Mehr als die Hälfte der 800 000 Oberfranken war evangelisch (58 Prozent) und wählte seit 1930 mit großer Mehrheit die NSDAP. Das war auch so in den evangelischen Ortschaften um Forchheim und Ebermannstadt.
Im Kirchenkampf der Jahre 1933/34 wurde das Verhältnis zwar distanzierter, blieb aber auch bei "punktueller Unzufriedenheit" in "partieller Loyalität gegenüber dem Regime". Eine Ausnahme bildete Eugen Schilffahrt (1880-1952), der seit 1927 Pfarrer in Streitberg war. Er wurde mehrfach wegen seines Verhaltens gegenüber der NSDAP angezeigt und verwarnt; vor allem, "als er am Bahnhof unerschrocken eine jüdische Familie verabschiedete, die zum Verlassen des Ortes gezwungen worden war".
Noch mutiger war sein katholischer Amtsbruder Friedrich Seggel (1877-1965), der nach dem Novemberpogrom 1938 in Mistelgau mehrmals Bußpredigten gegen das Pogrom gehalten hat und nur "infolge des Rückhalts in der Gemeinde" einer Anzeige entging.
Tage im Gefängnis Widerspenstig zeigten sich auch mehrere Frauen in Niedermirsberg, als hier zwei Arbeiter am 20.
April 1942 die Kirchenglocken abnehmen wollten. Die Mesnerin alarmierte die Einheimischen mit lautem Glockengeläut. Die ließen ihre Arbeit ruhen und liefen zur Kirche. "Nach mündlicher Auskunft von Zeitzeugen drängten sich die Frauen ins Innere, missbilligten das Rauchen der Arbeiter in dem geweihten Raum und beschimpften die beiden. Man riss einem Arbeiter die Brille herunter, versteckte den Flaschenzug, bewarf die beiden mit Steinen und vertrieb sie aus dem Dorf."
Missfallen am Dritten Reich Nach Darstellung von Albrecht Bald wurden "fünf Frauen und ein Bauernbursche" vom "Dorfschullehrer" denunziert und kamen für mehrere Tage ins Gefängnis. Dass zwei der drei Glocken trotzdem abgeholt wurden, konnte nicht verhindert werden. Nach dem Attentat von Claus von Stauffenberg am 20.
Juli 1944 auf Hitler geriet auch sein Onkel Berthold (1859-1944) auf Schloss Greifenstein bei Heiligenstadt ins Visier der wütenden Nazis. Berthold war überzeugter Monarchist, zeigte auch öffentlich sein Missfallen am Dritten Reich und war schon 1933 und 1934 kurzzeitig verhaftet worden.
Einen Beleg, dass er von den Attentatsplänen seines Neffen wusste, gibt es nicht. Trotzdem wurde er verhaftet, zunächst in Bamberg "unter unwürdig harten Bedingungen" gefangen gehalten und später nach Würzburg verlegt, wo er am 9. November 1944 mit 85 Jahren in der Gefängnisabteilung eines Krankenhauses starb.
"Gute Beziehungen" zu Berthold von Stauffenberg hatte der spätere Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär Karl Theodor von Guttenberg (1921-1972).
Er meldete sich nach dem Abitur als "Offiziersanwärter zum Bamberger Kavallerieregiment 17". Als er im Frühjahr 1940 hörte, wie sich ein Leutnant
brüstete, er habe "in Polen bei einer Razzia einen dreckigen Juden erstochen, antworte er: ,Ich hätte an Ihrer Stelle lieber auf die SS als auf die Juden geschossen.'" Seinen "verwandtschaftlichen Beziehungen" hatte er es zu verdanken, dass er mit einem dreiwöchigen Arrest glimpflich davonkam.
Bald bezieht auch das Kriegsende 1945 ein und kommt dabei auf das "geheime Treffen" in Hollfeld "zwischen dem dortigen katholischen Dekan, dem Bamberger Weihbischof, dem Bayreuther Oberbürgermeister und dem Höheren SS- und Polizeiführer" sowie die Befreiung der KZ-Außenstelle in Pottenstein zu sprechen.
Balds Buch lässt die wenigen nicht in Vergessenheit geraten, auf deren Mut heute unsere Demokratie aufbaut.
Albrecht Bald:
Widerstand, Verweigerung und Emigration in Oberfranken. Das NS-Regime und seine Gegner 1933-1945. Ein Überblick. Bumerang Verlag, Bayreuth, 260 Seiten, 39 Abbildungen, 19,50 Euro, ISBN 978-3-929268-28-5.