Als Franken nach Transkarpatien auswanderten

Einen hochinteressanten Vortrag "Die vergessenen Schönbornfranken in Transkarpatien" hielt Rudolf Distler beim Fränkische-Schweiz-Verein Eggolsheim. Aufgrund des positiven Echos und der sehr alten, aber kaum bekannten Beziehung zwischen Franken und dem Westen der Ukraine sind Wiederholungen (zum Beispiel im Januar 2020 in Sassanfahrt) geplant.
Rudolf Distler, Rektor im Ruhestand, hat sich in seiner Doktorarbeit schon vor Jahren intensiv mit diesem Thema beschäftigt und kümmert sich immer noch um die betroffenen Menschen in der Gegend um das heutige Mukatschevo, rund 1200 Kilometer entfernt. Es hat sich auch ein "Arbeitskreis Ukraine" als Unterabteilung der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) gebildet, der schon manche Hilfsaktionen durchgeführt hat.
Schülergruppe in Ebermannstadt
Ende 1997 kam das erste Mal eine Schülergruppe aus den Karpaten nach Ebermannstadt. Nach dem Motto "Von unten am Haus Europa bauen" fand ein Gegenbesuch von Ebermannstadter Schülern mit Rudolf Distler in Munkatsch statt, das vor etwa 300 Jahren noch zu Ungarn gehörte. Genau in dieser Zeit begann die Geschichte der Schönbornfranken. Bekannt ist der Name des Adelsgeschlechts derer von Schönborn, besonders der des Fürstbischofs Lothar Franz Graf von Schönborn. Diesem gehörten nicht nur die Bistümer Würzburg und Bamberg, sondern er war auch Kurfürst und Erzbischof von Mainz - und damit auf der weltlichen Ebene automatisch Reichskanzler in Wien. Der von dort herrschende Habsburger Kaiser Karl VI. wurde nach den Türkenkriegen und der Niederschlagung des Aufstandes des damals mächtigsten Ungarnfürsten (und Kaisergegners) Rakozcy vom ungarischen Parlament gebeten, Kolonisten in die Region Transkarpatien zu schicken - heute eine Verwaltungseinheit im äußersten Westen der Ukraine mit der Hauptstadt Uschhorod. Es handelte sich um Ländereien von circa 2300 Quadratkilometern (entspricht etwa der Größe der Landkreise Bamberg und Bayreuth) und 187 zerstörte Dörfer, von deren Einwohnern sehr viele ums Leben gekommen waren.
1711 beschlagnahmt
Die gesamte Region wurde 1711 vom Kaiser beschlagnahmt und später Lothar Franz von Schönborn geschenkt. Das Erbe übernahm schon bald dessen Lieblingsneffe Friedrich Karl, und dieser lockte wiederum durch eine "gelenkte Auswanderung" (Privatkolonisation) die ärmeren Schichten der fränkischen Bevölkerung nach Transkarpatien, indem er dort eigene Höfe mit Ackerland und Wiesen, Brotgetreide und Brennholz zusagte, aber auch Steuerbefreiung für die ersten sechs Jahre und Frondienste nur noch an einem Tag in der Woche; unter den absolutistisch herrschenden Fürstbischöfen mussten die Untertanen sehr viele Frondienste leisten. Aus dem Bistum Würzburg meldeten sich besonders Menschen aus der Rhön, aus dem Bamberger Bistum vor allem Bewohner des Frankenwalds. Die Auswanderer kamen auch aus der Gegend um Herzogenaurach, Hammerbach und Weilersbach. Nach dem Erwerb eines Reichskanzlei-Passes und eines "Sittenzeugnisses" trafen sich die Auswanderungswilligen im zentral gelegenen Schlüsselfeld, brachen mit Planwagen auf über Donauwörth nach Ulm und setzten ihre Reise (damals insgesamt sechs Wochen) auf der Donau fort auf "Ulmer Schachteln" (Flöße mit Hüttenaufbau) bis zum Donauknie bei Budapest.
Mit Pferdefuhrwerken abgeholt
Da wurden die Schönbornfranken von Bediensteten Karl Friedrichs, der - zu ihrer Beruhigung - weiterhin ihr deutscher Herr blieb, mit Pferdefuhrwerken abgeholt, nach Munkatsch gebracht und von dort auf die verwüsteten Dörfer verteilt. Der Karl Friedrich von Schönborn nachfolgende Neffe, Graf Eugen Erwein, der nicht mehr Bischof war, verwaltete den Schönborn-Besitz bis 1801, erweiterte ihn und brachte die Region zu wirtschaftlicher Blüte. Seine fränkischen Landsleute klagten aber über zu wenige Geistliche und Lehrer und er setzte daraufhin seinen Schwerpunkt auf die Schulbildung, unterstützt durch die Einführung der allgemeinen Schulordnung durch die österreichische Kaiserin Maria Theresia. Deutsch wurde Pflichtfach und die Gleichberechtigung aller Nationalitäten war zugesichert. Nach Maria Theresias Tod versuchten die Ungarn allerdings, alles wieder rückgängig zu machen. Es gab im gesamten Karpatenbogen zunächst keine deutschen Schulen mehr.
Erster Weltkrieg
Im Ersten Weltkrieg dienten aber die Deutschen in der ungarischen Armee. 1919 entstand dann aber die Tschechoslowakei. Die Karpatendeutschen, die zum tschechischen Teil gehörten, durften als Minderheit ihre Kultur wieder leben. Stolz war man damals auf die einzige weiterführende deutsche Bürgerschule (vergleichbar mit Realschule) in Munkatsch, unterstützt von sudetendeutschen Lehrern und Finanziers. Ab 1938 entstanden antideutsche Stimmung und Misstrauen. Vom Februar 1942 an zogen die Nazis auch die weit entfernt lebenden Schönbornfranken vor allem zur Waffen-SS ein, schon ab 17 Jahren; die meisten kamen ums Leben.
Ghetto eingerichtet
In Munkatsch wurde auch ein Ghetto eingerichtet und 1944 wurden die meist jüdischen Menschen noch nach Auschwitz deportiert - im selben Jahr, als die Russen schon die Westukraine erreicht hatten. Aus Angst vor der Roten Armee floh damals auch der letzte Graf Schönborn in Transkarpatien, Georg Erwin, nach Österreich, wo auch heute noch in Wien eine Linie der Schönborns weiterlebt. Noch 1930 hatte es 84 deutsche Dörfer rund um Munkatsch gegeben mit Namen wie Ober- und Unterschönborn, Plankendorf, Mädchendorf und Pausching, wo Rudolf Distler besondere Vergleiche zwischen Franken und den Siedlungen der Schönbornfranken angestellt hat, zum Beispiel in Bezug auf die Hofanlage samt "Blumengärtle", den Hausbau und die Dachformen. Auch der zumindest ostfränkische Dialekt hat sich bis heute erhalten. Zwischen 1944 und 1948 sind auch die damals in Transkarpatien lebenden Deutschen nach Sibirien verschleppt worden und die Überlebenden konnten erst 1957 wieder in ihre Dörfer zurückkehren.
Trotz großer privater und staatlicher (Verein für Deutschtum im Ausland) Bemühungen und auch heute nach wie vor großen priesterlichen Engagements, den Menschen um Munkatsch herum zu helfen, konnte bisher die Auswanderung vor allem junger Familien seit Anfang der 1990er Jahre kaum gestoppt werden. Die Armut und die Korruption haben den jetzigen Deutsch-Ukrainern zu sehr Vertrauen und Mut genommen. Aber ein zarter Hoffnungsschimmer zeigt sich nach der letzten Präsidentenwahl und den für die Ukraine bisher jüngsten Präsidenten Wolodymyr Selenskyi. Er hat sich die Befriedung der Ostukraine und die Bekämpfung der Korruption auf die Fahne geschrieben.