Vor 200 Jahren begann das Fahrrad, die Mobilität der Menschen zu erhöhen. Dies kam auch dem Tourismus in der Fränkischen Schweiz zugute.
Urlaub machen, verreisen, anderes kennen lernen. Die schönste Zeit des Jahres ist für die meisten Menschen die Zeit, in der sie trotz Lohn nicht arbeiten müssen. Auch in diesen Pfingstferien waren wieder Millionen auf Achse, um Abstand zu gewinnen vom Alltagsstress, von der Arbeit, von der gewohnten Umgebung. Ging man früher zu Fuß oder fuhr mit der Bahn, sind es heutzutage meist die eigenen Autos oder Flugzeuge, die uns ans Ziel unserer Träume bringen.
Vor 200 Jahren kam eine sportliche Variante dazu, die sich zu einem Massenphänomen entwickelte. Die Erfindung des Rades. Die gängigste Art der Fortbewegung im 19. Jahrhundert war die Benutzung von Kutschen und Pferden. Die sich den Luxus nicht leisten konnten, liefen zu Fuß.
Wunder aus Muggendorf
Schon damals gab es viele Urlauber, die die Fränkische Schweiz als Ziel ihrer Reise auserkoren hatten. War man erst mal hier, unternahm man Ausflüge in die Umgebung und in Begleitung von Führern, wie dem legendären Wunder aus Muggendorf, der sogar in Reiseführern beschrieben war.
Im ersten "Handbuch für Reisende durch Deutschland" von Carl Baedeker aus dem Jahre 1842 wird empfohlen: "Die wichtigsten Punkte, namentlich die Höhlen, können von Muggendorf aus in 7 bis 8 Stunden besucht, aber fast ebenso viele Tage können nützlich und angenehm mit Ausflügen in dieses Gebirgsland zugebracht werden".
Zu der Zeit gab es die "Draisine", das Laufrad des Badenzers Carl von Drais schon seit 25 Jahren. Es bestand aus zwei Rädern ohne Pedale und ohne Kette; ähnlich den heutigen Laufrädern für Kleinkinder. Aber erst, als der Franzose Ernest Michaux im Jahre 1867 an der Vorderachse eine Tretkurbel anbrachte und 1884 der erste Kettenantrieb auf das Hinterrad auf den Markt kam, fanden sich Liebhaber dieser Fortbewegungsart. 1888 kamen die ersten Luftreifen (von Dunlop) hinzu, 1895 dann die Nabenschaltung. Erfinder war Ernst Sachs aus Schweinfurt, der 1903 auch die Torpedo-Freilaufnabe als erster auf den Markt brachte.
Der einsetzende Fahrrad-Boom erreichte auch die Fränkische Schweiz, wie den Gästebüchern und der Lokalzeitung der Region zu entnehmen ist. Im Gästebuch der "Türkei" (Muggendorf) steht, dass am 8. und 9. Apri11882 die Radfahrer Stengel, Brand und Hentschel eine damals imponierende Leistung mit dem Hochrad schafften. Sie fuhren an beiden Tagen die Strecke Bayreuth - Waischenfeld - Behringersmühle - Pottenstein - Muggendorf - Streitberg - Gräfenberg - Pegnitz - Bayreuth.
Verse im Gästebuch
Baptist Weiß aus Neuburg an der Donau fuhr eine ähnliche Strecke. Er vertraute am 5. Juni 1894 dem Gästebuch der Neumühle in Versen an, welche Orte er angefahren hat: "Nürnberg, Forchheim, Ebermannstadt, dies alles nur per Eisenrad/ dann Streitberg, Muggendorf, Gößweinstein, hier zu wohnen, ist's gar fein/ Behringersmühl, Doos, Waischenfeld, da kannst brauchen fast kein Geld/ Rabenstein, Sophienhöhle und Neumühl', gell. mein Lieber, jetzt wirds dir schwül/ Tüchersfeld, Pottenstein, dann Pegnitz, ist alles wahr, sind keine Schnitz/ dass dies gemacht ist in drei Tag, Ohne Mühe, Sorg und Plag."
Schon 1895 gab es die ersten Reiseführer über die Region, die Tipps und Routenvorschläge auch für Radfahrer parat hatten. Darin wird die Strecke nach Beschaffenheit der Straße eingeteilt, wobei am häufigsten das Kürzel: "s.W.", was für schlechter Weg steht, zu finden ist. Trotzdem empfiehlt der Führer die Benutzung von Rädern, weil "die erhöhte Geschwindigkeit des Rades" es dem Reisenden ermöglicht, "neue Ein- und Ausfahrwege zu wählen". Oder anders ausgedrückt: Mit dem Rad kann man die Gegend besser und schneller erkunden als zu Fuß.
Etwas ganz Besonderes
Der Wiesent-Bote vom 5. Oktober 1938 berichtete: "Der bekannte Mechanikermeister J.W. Schmitt aus Waischenfeld, der im Oktober sein 70. Lebensjahr vollendete, konnte heuer das 50-jährige Jubiläum als Radfahrer begehen.
Als junger Bursche kaufte er sich 1889 als einer der ersten in der hiesigen Gegend ein Fahrrad. Radfahren war damals etwas ganz Seltenes und Besonderes. "Wer sich zu jener Zeit ein Fahrrad leisten konnte, zählte schon zu den Bessergestellten", schreibt der Wiesent-Bote.