Als das Annafest ausfiel: Forchheim zur Zeit des Weltkriegs

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Annafest fällt aus: Bekanntmachung der Stadt Forchheim vom 7.7.1915 aus dem Forchheimer Tagblatt vom 13.7.1915 Foto: Repro Franze
Annafest fällt aus: Bekanntmachung der Stadt Forchheim vom 7.7.1915 aus dem Forchheimer Tagblatt vom 13.7.1915  Foto: Repro Franze
Einladung zu einer "Großen Versammlung" der Christlichen Gewerkschaften unter dem Thema "Ist die fortwährende Steigerung der Lebensmittelpreise eine gerechte, und was kann die Arbeiterschaft tun, im ihre Lage zu verbessern?", aus dem Forchheimer Tagblatt vom 08.07.1915 (Repro Franze)
Einladung zu einer "Großen Versammlung" der Christlichen Gewerkschaften unter dem Thema "Ist die fortwährende Steigerung der Lebensmittelpreise eine gerechte, und was kann die Arbeiterschaft tun, im ihre Lage zu verbessern?", aus dem Forchheimer Tagblatt vom 08.07.1915 (Repro Franze)
 
Bereitung von Backwaren, Bekanntmachung der Stadt Forchheim vom 16.02.1915 aus dem Forchheimer Tagblatt vom 17.02.1915 (Repro Franze)
Bereitung von Backwaren, Bekanntmachung der Stadt Forchheim vom 16.02.1915 aus dem Forchheimer Tagblatt vom 17.02.1915 (Repro Franze)
 
"Maßnahmen gegen Preistreibereien", Bekanntmachung der Stadt Forchheim vom 26.08.1915 aus dem Forchheimer Tagblatt vom 31.08.1915 (Repro Franze)
"Maßnahmen gegen Preistreibereien", Bekanntmachung der Stadt Forchheim vom 26.08.1915 aus dem Forchheimer Tagblatt vom 31.08.1915 (Repro Franze)
 
Lebensmittelmarken in Stuttgart Foto: Archiv/Repro Franze
Lebensmittelmarken in Stuttgart   Foto: Archiv/Repro Franze
 

Reglementierungen und Zwangsmaßnahmen waren an der Tagesordnung. Auch das Annafest in Forchheim fiel in der Zeit des Ersten Weltkriegs aus. Hier der letze Teil unserer Serie, die an den Krieg vor hundert Jahren erinnert.

Schon im Spätherbst 1914 geriet die "Heimatfront" in Not. Noch im August - zu Beginn des Krieges - hatte man einen schnellen Sieg erwartet und deswegen nicht daran gedacht, Nahrungsmittelvorräte anzulegen. Ein Vierteljahr später rächte sich dieses Versäumnis.

Die von England verhängte Seeblockade wirkte sich spürbar auf die Lebensmittelversorgung aus. Ab Herbst 1914 versuchten die Behörden die Engpässe mit der Festlegung von Höchstpreisen und durch Zwangsbewirtschaftung der Nahrungsmittel zu regulieren.

In Forchheim beschloss am 11. Februar 1915 der Magistrat erste Maßnahmen: Er ordnete eine Zählung der Getreide- und Mehlvorräte "von 2 Zentnern abwärts bis zu 25 Kilogramm" an, beschlagnahmte "Vorräte von insgesamt über 50 Pfund" und verbot vorsichtshalber "bis auf Weiteres jede Ausfuhr von Mehl aus dem Stadtbezirk".

Weizenbrot nur mit
Wasser

Ab 15. Februar 1915 trat dann eine strenge Backverordnung "sowohl für Gewerbetreibende als auch Private" in Kraft: "Weizenbrot darf nur mit Wasser oder Milch hergestellt werden, muß rund sein, mindestens 40 Gramm wiegen und 3 Pfg. kosten. Verboten ist der Verkauf und die Herstellung von Eierbroten, mürben Broten, Wecklein, Kipflein, Bretzen [!], Berges, Kränzen, Schnecken u. dergl. Mazzen dürfen nicht verkauft werden. Schwarzbrot muß entweder lang (Kipfe) oder rund (Laibe) zu 3 und 5 Pfund hergestellt werden. Weißbrot darf nur vormittags gebacken und erst nach 12 Uhr abgegeben oder ausgetragen werden. Der Verkauf oder das Feilbieten im Umherziehen auf öffentlichen Straßen oder Wegen etc. und auf Märkten ist verboten. Kuchen u. andere Feinbäckerartikel, in welchen Mehl enthalten ist, dürfen nur an Samstagen und den Vorabenden gesetzlicher Feiertage gebacken werden."

So wie Regierungsrat Karl Stucky in Ebermannstadt um Geld warb, so forderte Bürgermeister Strecker Verständnis für die zugemuteten Einschränkungen beim Verbrauch von Mehl und Brot: "Der Plan Englands, unser Vaterland auszuhungern zwingt uns alle zur Sparsamkeit. Würde der Plan gelingen, dann wären all die Opfer an Gut und Blut, die wir gebracht haben, umsonst. Darum müssen wir durchhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, muß der Bevölkerung und den Gewerbetreibenden eine Reihe von Beschränkungen und Verpflichtungen auferlegt werden ... Jeder Kopf der Bevölkerung ohne Unterschied des Alters, Geschlechtes und Berufes darf im Tage nicht mehr als 250 gr. Schwarzbrot oder 5 Weißbrote verzehren. Jeder Einwohner erhält ein Heftchen, in dem sich 7 Blätter befinden; jedes Blatt gilt für 2 Tage, d.h. 10 Weißbrote. Jedes Blatt ist in 10 Marken eingeteilt, von welchen jede zum Bezug von 50 gr. Brot oder 40 gr. Mehl oder 1 Weißbrot zu 3 Pfg. berechtigt. Fünf derartige Marken stellen also die tägliche Ration eines Kopfes der Bevölkerung dar."

Etwas später als in Forchheim wurden auch in Ebermannstadt ab Ende März Brotmarken ausgegeben. Ab April 1915 war es sogar verboten, in Gasthäusern Brot zu verabreichen. "Wirte, die dieses Verbot überschreiten", so Bürgermeister Strecker in seiner Bekanntmachung, "werden unnachsichtlich zur Strafanzeige gebracht. ... Die Gäste tun daher gut, sich in die Wirtschaften ihr Brot mitzunehmen." Das galt sogar für die Wallfahrer, die nach ihrer Prozession in Gößweinstein einkehrten. Weil in Forchheim offenbar Schwierigkeiten auftraten, wurde diese Regelung drei Wochen später etwas gelockert. Danach war es Wirten erlaubt, Brot gegen entsprechende Brotkarten abzugeben.

Meldungen über angezeigte Wirte sind in der Lokalpresse nicht zu finden - wohl aber über die Schließung von Mühlen und Bäckereien: Am 27. August gab Bürgermeister Strecker bekannt, dass "die Mühle des Kunstmühlebesitzers Schindler ... auf 8 Tage gesperrt" wurde, "da derselbe sich wiederholt gegen die Vorschriften ... über den Verkehr mit Brot und Mehl verfehlt" habe. Ebenso wurde die Bäckerei Kügel in Eggolsheim "behördlicherseits geschlossen, weil der Besitzer Brot ohne Bezugsberechtigungsschein an nicht im Amtsbezirk wohnende Personen abgegeben hatte". Offensichtlich versuchten vor allem Städter auf dem Land einzukaufen. Angeblich "im Auftrag und im Namen vieler" beschwerte sich ein anonymer Leser im Wiesent-Boten: "An den Sonntagen kommen ganze Trupps von Fremden in die Fränkische Schweiz, aber nicht zur Erholung und um frische Luft zu genießen, ... sondern um die von in glücklicher Lage lebenden Abgebern die ganze Woche gesammelten Eier, Butter, Schmalz etc. abzuholen. Diese Leute aus den Städten sind einmal da und kaufen um jeden Preis ..." Daran konnten auch die von den Behörden festgesetzten Höchstpreise nichts ändern, obwohl bei "Zuwiderhandlungen" hohe Strafen drohten - nämlich "Gefängnis bis zu einem Jahr", Geldstrafe bis zu 10.000 Mk", "Enteignung der Ware" und Veröffentlichung der Verurteilten mit Namen.

Unter der Verknappung und Verteuerung der Lebensmittel hatte vor allem die in und um Forchheim beheimatete Arbeiterschaft zu leiden. Mitte März 1915 beklagten sich die Christlichen Gewerkschaften in einer starkbesuchten Versammlung über Preissteigerungen um bis zu 100 Prozent und darüber, dass "gewissenlose Elemente durch unerhörten Wucher mit Lebensmitteln die Notlage ausnützten". In einem Beschluss richteten sie "an alle Arbeit- und Dienstgeber in Forchheim und Umgebung" die Bitte, die zu Kriegsbeginn vorgenommenen Gehaltskürzungen zurückzunehmen, für die zum Kriegsdienst eingezogenen Beschäftigten "die Beiträge zur Weiterversicherung in die Krankenkassen einzuzahlen" und zusätzlich die Betriebe mit "gutem Geschäftsgang" um Gewährung von "Teuerungszulagen". Unter der Überschrift "Ist die fortwährende Steigerung der Lebensmittelpreise eine gerechte, und was kann die Arbeiterschaft tun, um ihre Lage zu verbessern?" luden sie im Juli ihre Mitglieder ein weiteres mal zu einer "großen Versammlung" ein.

Die SPD und die Freien Gewerkschaften kündigten im September eine Versammlung zum Thema "Die Lebensmittelfrage u. Arbeitslosenfürsorge" an. Angesichts dieser Notlage verzichtete 1915 die SPD in Forchheim auf eine demonstrative Feier des 1. Mai. Mit "Rücksicht auf die ernste Kriegszeit" wurde auch das Walberlafest und im Juli das Annafest abgesagt. Schon nach nicht einmal einem Jahr geriet auch die "Heimatfront" in immer größere Schwierigkeiten. Der Wiesent-Bote aber zog auf der Titelseite unter der Überschrift "Ein Jahr Weltkrieg" ganz anders Bilanz: "Ein volles Jahr steht nun Europa, ja man kann sagen fast die ganze Welt, in Flammen. Ein volles, langes Jahr dauert nun dieser schreckliche Krieg, ein Krieg, wie ihn die Welt noch nie gesehen.

Nach Millionen zählen bereits die Menschenleben, die der Krieg gekostet an Toten, Verwundeten, Gefangenen, unmeßbar groß sind die Opfer an materiellen und ethischen Werten." Trotzdem - so das Blatt - "ziemt uns Deutschen ... doch nicht Trauer und Klage." Wie Kaiser Wilhelm bei Kriegsbeginn sagte, gehe es "um Sein oder Nichtsein unseres Reiches" und "um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens". Das deutsche Volk habe allen kleinlichen Streit hinter sich gelassen, sei zu neuem nationalen und religiösen Leben erwacht und nun "eins geworden" mit seinem Heer. "Opfer bringt jeder von uns, der zu Hause wie an der an der Front und jeder muß Opfer bringen. Kriegszeit ist Opferzeit! ... Wir schließen mit den Worten des kaiserlichen Manifestes vom 6. August 1914: Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war!"