Werden Glockenstühle in Vierzehnheiligen ersetzt?

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Georg Hagel prüft den Zustand der größten der fünf Basilikaglocken, der 2,3 Tonnen schweren, 1869 gegossenen Georgs-Glocke im Südturm. Fotos: Matthias Einwag
Georg Hagel prüft den Zustand der größten der fünf Basilikaglocken, der 2,3 Tonnen schweren, 1869 gegossenen Georgs-Glocke im Südturm. Fotos: Matthias Einwag
So hätte man in der Gotik niemals gebaut: Der stählerne Glockenstuhl ist fest in die Turmwand eingemauert. Dadurch werden die Schwingungen der Glocken auf den Turm übertragen.
So hätte man in der Gotik niemals gebaut: Der stählerne Glockenstuhl ist fest in die Turmwand eingemauert. Dadurch werden die Schwingungen der Glocken auf den Turm übertragen.
 
Im Nordturm hängen die Glocken derzeit an einem stählernen Gerüst. Das hat sich klanglich und technisch als Trugschluss erwiesen und soll sich ändern.
Im Nordturm hängen die Glocken derzeit an einem stählernen Gerüst. Das hat sich klanglich und technisch als Trugschluss erwiesen und soll sich ändern.
 

Organist Georg Hagel kümmert sich um die Glocken der Basilika Vierzehnheiligen. Weil die stählernen Glockenstühle technisch und klanglich unbefriedigend sind, möchte er sie möglichst bald durch hölzerne ersetzen.

Metall schlägt auf Metall. Das Erz beginnt zu schwingen. Die Luft überträgt die Schwingungen. Erst wenn die schwingende Luft auf unser Trommelfell trifft, wird ein Ton daraus. Über Jahrtausende kultivierte der Mensch die Kunst, Klänge zu verfeinern. Neben der Knochenflöte und der Trommel, sagt Georg Hagel, sei die Glocke eines der ältesten Musikinstrumente der Menschheit. Der 45-jährige studierte Kirchenmusiker ist hauptamtlicher Organist der Basilika. Klangwelten haben ihn zeitlebens fasziniert, Instrumente ebenso. Die Glocken als Instrumente hat er jedoch erst in den vergangenen Jahren so richtig für sich entdeckt. Er absolvierte einen Glockensachverständigenkurs in Regensburg und kümmert sich seither um das Geläut der Basilika.

Fünf Glocken hängen in den beiden Türmen.
Die Georgs- (2,3 Tonnen schwer) und die Blasiusglocke (1,3 Tonnen) im Südturm sowie Nothelfer- (1,1 Tonnen), "de profundis"- (750 Kilogramm) und Marienglocke (450 Kilogramm) im Nordturm.

Klanglicher Sündenfall

Georg Hagel weiß viel zu erzählen über diese Glocken, die allesamt nicht zum Originalgeläut der Basilika gehören, sondern nach der Säkularisation und nach dem Kirchenbrand angeschafft wurden. Dieses relativ junge Geläut sitzt in Glockenstühlen aus Metall - und das genau ist die Misere. 1989 waren die Glocken aus statischen Gründen auf verkröpfte Stahljoche gehängt worden. Dadurch schwingen die Glocken nicht mehr so weit aus, sie entfalten aber auch nicht mehr ihren einst so vollen, weit ins Maintal hinausgetragenen Klang.

"Das wird jetzt revidiert", sagt Georg Hagel, "denn das hat sich klanglich und technisch als Trugschluss erwiesen". In den nächsten Jahren sollen die stählernen Glockenstühle, die direkt am Turm vermauert sind, herausgeflext und durch Holzkonstruktionen ersetzt werden.

Ein Glockenstuhl habe die Aufgabe, die Eigenfrequenz der Glocke von der Frequenz des Turmes fernzuhalten, erklärt Georg Hagel. Diese Kunst beherrschten die Baumeister des Mittelalters virtuos. Sie wussten, aus welchem Holz sie den Glockenstuhl anfertigen mussten und wie sie die Stämme aufzuschneiden hatten.
Das Eichenholz, das sie benutzten, war zwar teuer - aber nur scheinbar, "denn in Jahrhunderten gedacht, ist das für die Nachhaltigkeit das günstigste". Damals habe man für nachfolgende Generationen gebaut: "Wenn ich in der Gotik einen Eichenstamm so aufsäge, dass der daraus verwendete Balken keine Risse bildet, muss ich im 21. Jahrhundert nicht aufwändig renovieren."

Im Mittelalter, erzählt Georg Hagel, konnte man die Glocken eines Großgeläuts nur einzeln zum Klingen bringen. Die Leute wussten also, was die Stunde geschlagen hat, wenn diese oder jene Glocke zu hören war: Weihnachten, Ostern, Patrozinium, Versehgang, Feuersbrunst oder Krieg.

Erst seit Aufkommen der Elektrik sei es möglich geworden, alle Glocken auf einmal zu läuten - "ob das sinnvoll ist, ist etwas anderes", fügt der Kirchenmusiker hinzu, denn bei dieser Art der Beschallung gebe es nur Ein- oder Ausschalten. "Zu Beginn des Advents kann ich aber nicht läuten wie in der Oster nacht", fügt er hinzu. Dieses Einheitsgeläut klingt in den Ohren des Musikers so, als würde man "ein Fünf-Gänge-Menü in den Mixer geben und das Ergebnis mit dem Strohhalm herausschlürfen".

Zimbelgeläut als Klangkrone

Wie die Meister des Mittelalters möchte Georg Hagel deshalb nachhaltig planen, etwas Bleibendes schaffen. "Wir wollen den Glockenstuhl so auslegen, dass später zusätzliche, kleinere Glocken ergänzt werden können - mit Zimbelgeläute als Klangkrone."

Auch wenn die Verwirklichung noch Jahre, vielleicht Jahrzehnte dauern mag: Erst mit den hölzernen Glockenstühlen, die frei stehen und nicht mit dem tragenden Turm verbunden sind, sei es möglich, die Läutordnung mit Leben zu erfüllen und somit abgestimmte Klangfolgen für unterschiedlichen Fest- und Feiertage ertönen zu lassen.

Konkret schlägt Georg Hagel vor, im Südturm die Mängel am bestehenden Holzglockenstuhl zu sanieren und die verkröpften Stahljoche durch Eichenholzjoche auszutauschen. Im Nordturm sollte der im Mauerwerk verankerte Stahlglockenstuhl gegen einen frei aufliegenden und schwingenden Eichenholzglockenstuhl ersetzt werden.
Zudem müsse ein musikalisch sinnvoller Läuteplan erstellt werden, in dem die Teilgeläute je nach liturgischen Gegebenheiten eingesetzt werden. Für eine Werktagsmesse müssten zum Beispiel nicht mehr - wie bisher üblich - alle fünf Glocken gleichzeitig geläutet werden. Für den Hörer werde so eine klangliche Zuordnung möglich.
In Zukunft könnte das Geläut um einige kleine Glocken ergänzt werden, ergänzt er, "das wäre die Würze in der Klangsuppe". Am Würzburger Dom sei so etwas jüngst bereits umgesetzt worden: "Wer demnächst nach Würzburg fährt, sollte einmal bewusst aufs neue Zimbelgeläut des Doms hören."

Und wer weiß, vielleicht rufen ja auch die Glocken von Vierzehnheiligen bald schon wieder mit volleren Klängen die von fern her nahenden Wallfahrer mit fliegenden Standarten - so wie es im Frankenlied besungen wird.