Streikwurst schmeckt nur heiß

2 Min
Dicht gedrängt standen die Erlanger Metaller am Donnerstag beim Warnstreik im Erlanger Stadtwesten vor den Siemens-Werkstoren
Dicht gedrängt standen die Erlanger Metaller am Donnerstag beim Warnstreik im Erlanger Stadtwesten vor den Siemens-Werkstoren
Die Bosse schwimmen im Geld. Das sollte ein Sketch der Gewerkschafter vermitteln.
Die Bosse schwimmen im Geld. Das sollte ein Sketch der Gewerkschafter vermitteln.
 
Hunderte Arbeitnehmer waren dem Aufruf zu Warnstreiks gefolgt.
Hunderte Arbeitnehmer waren dem Aufruf zu Warnstreiks gefolgt.
 
Die Streikwurst der IG Metall bekämpfte nur den Hunger, die Wut im Bauch blieb bis zum Ende der Zusammenkunft.
Die Streikwurst der IG Metall bekämpfte nur den Hunger, die Wut im Bauch blieb bis zum Ende der Zusammenkunft.
 
Delegationen aus zahlreichen Firmen trafen sich zum Warnstreik in der Frauenauracher Straße
Delegationen aus zahlreichen Firmen trafen sich zum Warnstreik  in der Frauenauracher Straße
 
Wenn der "Boss" mit Geld um sich wirft. Bis dahin wird es dauern...
Wenn der "Boss" mit Geld um sich wirft. Bis dahin wird es dauern...
 

Hunderte Metaller legten in Erlangen Donnerstagvormittag kurzfristig die Arbeit nieder. Die Arbeitnehmer unterstützen mit ihrem Warnstreik die Forderung der IG Metall nach 6,5 Prozent Lohnerhöhung.

Silvia Heid von der IG Metall übersetzt am Donnerstagvormittag in Erlangen das Angebot der Arbeitgeber aus den Tarifverhandlungen in der Elektro- und Metallbranche in Euro: Bei einem durchschnittlichen Einkommen von 3000 Euro brutto bedeuten drei Prozent 90 Euro. Bar im Geldbeutel bleibe da nicht einmal ein 50-Euro-Schein mehr jeden Monat. "Das reicht nicht", sagt Heid. Mehrere hundert Stimmen brummen, murren und rufen Zustimmung zur Gewerkschaftsforderung nach 6,5 Prozent mehr Lohn.
Dicht an dicht stehen die Menschen beim Warnstreik auf dem Buswendeplatz an der Frauenauracher Straße 80 in Erlangen. Sie sind aus den Werkstoren hinter dem Parkplatz zum Warnstreik geströmt, sie arbeiten für die Mutter Siemens. F80 und Siemens G stehen bei diesem Warnstreik aber nicht allein auf dem schwarzen Asphalt vor dem Unternehmen.
Ihre Kollegen von Sykatec und Thermo Fischer Scientific blasen mit in die roten Trillerpfeifen und auch von Sylvania im benachbarten Frauenaurach ist eine Delegation gekommen. In Bayern stehen am Donnerstag rund 46 000 Arbeitnehmer auf der Straße und streiken.
In Erlangen räkelt sich vorn - bei den Rednern - im blauen Planschbecken Gewerkschafts-Urgestein Bruno Wägner. Mit dem dicken Stumpen in der einen und dem Sektglas in der anderen Hand gibt er den raffgierigen Boss. So überzeugend, dass der Zorn in Wellen durch die Reihen der Streikenden wabert. Silvia Heid und ihr IGM-Mitstreiter Josef Drummer peitschen weiter auf: Ihr dort im Blaumann wart bescheiden in der Krise. Der Bonze hier im noblen grauen Zwirn und Seinesgleichen schwimmen im Geld, es wird immer mehr; und sie wollen nichts davon abgeben.
Klassisch klassenkämpferisch ist auf den ersten Blick die Szene. Auch die verteilte "Streikwurst" hilft nur gegen den Hunger, nicht gegen die Wut im Bauch. Es wird immer enger, die Blaumänner und -frauen rücken näher. Wirklich wütend sind die versammelten Arbeitnehmer aber auch noch auf den zweiten Blick. "52 Milliarden Euro", beziffert Heid Donnerstagnachmittag die Bruttogewinne der Branche letztes Jahr.
0,8 Prozent liegt das Geschäftsergebnis von Siemens Health Care im ersten Quartal unter dem des Vorjahres. Und 2011 sei das erfolgreichste Geschäftsjahr gewesen, das die Firma jemals hatte. Das ruft Health-Care-Mitarbeiter Heinz Urban am Vormittag auf dem Buswendeplatz im Erlanger Westen. Er möchte nicht mehr bescheiden sein, er will beteiligt werden an diesem Geldsegen.
Beteiligung ist das Schlüsselwort für die Streikenden. Drei Punkte sind es, an denen sich die Arbeitnehmer reiben. Sie wollen mehr Lohn, sie wollen weniger Leiharbeit und sie wollen sichere Arbeitsplätze für den Nachwuchs. "Die Zukunft der Jugend darf nicht gegen Lohnerhöhung ausgespielt werden", sagt Heid. "Wer seinen Abschluss gemacht hat, verdient, unbefristet übernommen zu werden." Doch in Bayern gebe es über eine Million mehr Leiharbeiter als vor der Krise. Und von den jungen Metallern stünden nach der Prüfung 80 Prozent ohne Job da.
Am 10. Mai gehen die Tarifverhandlungen weiter. Und die Erlanger Metaller fahren zum Streik. Mit einem Motorrad- und Autokorso von den Standorten im Stadtwesten zur Hauptverwaltung am Roten Platz.