HC Erlangen-Trainer Bergemann tritt auf die Euphoriebremse

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Kreisläufer Sebastian Preiß ist einechter Zugewinn für das Erlanger Team. Foto: Picturedreams
Kreisläufer Sebastian Preiß ist einechter Zugewinn für das Erlanger Team. Foto: Picturedreams
Frank Bergemann
Frank Bergemann
 

Trotz Niederlage am vergangenen Spieltag stehen die Handballer des HC Erlangen noch immer auf Platz 1 der zweiten Liga. Über den Aufstieg möchte Trainer Frank Bergemann zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht reden.


Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Frank Bergemann: Es war ja schon in den vergangenen Jahren eine stetige Entwicklung. Über die zweite Liga, den Klassenerhalt und dann die Qualifikation für die eingleisige zweite Liga. Jetzt kam eine Situation, die wir uns alle so nicht gewünscht haben, in der ein interner Umbruch hat stattfinden müssen. Der ein oder andere Spieler hat aus verschiedenen Gründen den Weg nicht mehr in dieser Intensität mitgehen können. Wir haben das große Glück gehabt, dass wir sowohl von der Fähigkeit und von der Erfahrung als auch vom Charakter her Spieler verpflichtet haben, die fast perfekt in dieses Mannschaftsgefüge passen.

Inwieweit ist die erste Liga in diesem Jahr das Ziel?
Sagen wir's mal so: Die Entwicklung vom Verein und allen Beteiligten geht in Richtung erste Liga. Der Gedanke ist sicherlich da.
Aber es ist ein weiter Weg bis dahin, und ich will dem Ganzen jetzt keine Zeitschiene verpassen. Klar ist, dass sehr viel getan werden muss - sowohl im sportlichen Bereich als auch bei der inneren Einstellung zu diesem Leistungssport. Man muss sich tagtäglich herausfordern und verbessern. Zudem ist es eine riesige Herausforderung in puncto Organisation und Finanzierbarkeit. Es muss ein stabiler Unterbau geschaffen werden, damit wir die Bindung zu unseren Wurzeln nicht verlieren. Wichtig ist, dass man versucht, permanent weiter zu arbeiten und es auch schafft, Rückschläge wegzustecken.
Unser Ziel vor der Saison war wirklich in erster Linie, aus dem alten Kern der Mannschaft und den Neuzugängen wieder ein funktionierendes System zu bilden. Das hat auch sehr schnell geklappt, vor allem, weil es auch menschlich sehr gut gepasst hat. Wenn es aber nicht rund läuft, dann merkt man sehr schnell, dass noch die Automatismen fehlen. Es ist nicht immer eine klare Linie zu erkennen, wie wir uns das alle vorstellen. Bis jetzt ist alles sehr schnell gegangen, es ist aber auch noch lange nicht abgeschlossen. Auch wenn ich wöchentlich fünf Euro ins Phrasenschwein werfen muss: Wir denken von Spiel zu Spiel. Aber es ist wirklich so, und alles andere hat auch keinen Sinn.

Welche Auflagen gälte es in der Bundesliga zu erfüllen?
Auflagen gibt es auch für die zweite Liga. Die Spielstätte ist da ein entscheidender Faktor. Zudem gibt es Lizensierungsverfahren für beide Ligen. Dann gibt es Auflagen zu Schiedsrichtern und Spieldokumentation. Allein das Lizensierungsverfahren fordert schon viel Manpower - und muss natürlich finanziert werden. Hinzu kommen dann noch die Fahrtkosten und der ganze organisatorische Aufwand. Die Hallenproblematik wird bei uns immer schlimmer, weil wir sehr viele Trainingszeiten benötigen. Da müssen wir uns nach Partnern umsehen, wie zum Beispiel das Sportland Erlangen, wo wir regelmäßig trainieren. Aber auch der Wald ist ein sehr zuverlässiger Partner.

Wie sieht es derzeit mit einer neuen Halle aus?
Es gibt viele Überlegungen und es wird auch schon seit Jahren diskutiert. Etwas Greifbares ist aber noch nicht dabei. Aus sportlicher Sicht versuchen wir aber, uns aus diesem Thema zu verabschieden, weil das kostet nur Energie. Wir müssen uns auf unsere Dinge konzentrieren. Aber natürlich würde es für uns nichts Schöneres geben, wenn wir uns weiterentwickeln, um dann in Erlangen in einer größeren Spielstätte aktiv zu sein. Die Hallenproblematik betrifft in Erlangen ja nicht nur allein den Spitzensport, sondern selbstverständlich auch den Schul- und den Breitensport.

Der Zuspruch des Publikums ist derzeit sehr groß. Wäre es möglich auch größere Hallen zu füllen?
Ich bin da sehr optimistisch. Wir haben in Bayern ein Alleinstellungsmerkmal, was Bundesliga-Handball betrifft. Wir haben Zuschauer, die kommen aus Cham, Regensburg, aus dem Münchner Raum. Ich denke schon, dass da weitreichendes Interesse da ist. Wichtig ist, dass wir guten, erfolgreichen und damit attraktiven Sport bieten. Handball muss seine Rolle finden. Klar, Fußball ist vorne dran, aber ich bin der Meinung, dass Handball versuchen sollte, die Nische dahinter zu besetzen. In Deutschland haben wir die beste Handballliga der Welt. Doch auch die Polen kommen langsam wieder, weil sie jetzt sehr viel Geld in diese Sportart investieren. Und auch die Franzosen legen langsam wieder los - mit Hilfe von Sponsoren aus dem Ausland.

Apropos Sponsoren. Wie steht es um die Finanzierbarkeit des HC Erlangen?
Grundsätzlich bin ich da der falsche Ansprechpartner. Ich denke aber, dass es da bei uns gut aussieht. Es ist jedoch ein immenser Aufwand, das Ganze immer wieder auf die Reihe zu bekommen. Den Etat für ein Jahr auf die Beine zu stellen, ist immer machbar. Aber man muss ja eine Kontinuität haben und immer wieder begeistern.

Im nächsten Spiel geht es zu Hause gegen den ASV Hamm. Wie haben sie ihre Mannschaft auf das Match vorbereitet?
Wir haben erstmal versucht, die Niederlage aus der vergangenen Partie aufzuarbeiten. Da sind einige Dinge nicht so gut für uns gelaufen. Hamm ist so eine kleine Wundertüte. Da wechseln sich überraschende Siege mit überraschenden Niederlagen ab. Sie haben zum Beispiel in Bad Schwartau gewonnen, sie haben Rostock deutlich hinter sich gelassen. Das Team spielt schnellen Handball aus einer aggressiven Deckung heraus. Wichtig ist, wie wir uns selbst präsentieren. Wir können nur punkten und erfolgreich sein, wenn bei uns viele Sachen zusammenpassen. Unser Team lebt von der mannschaftlichen Geschlossenheit. Wenn das nicht funktioniert, dann haben wir unsere Probleme, weil viele Mannschaften individuell zum Teil besser besetzt sind.
Wenn man glaubt, in der Komfortzone zu sein, dann verliert man jede Woche ein paar Prozentpunkte. Klar ist: In dieser Liga gibt es keine Komfortzone. Das haben wir im letzten Spiel gesehen. Da konnten wir unsere Leistung eine Viertelstunde lang nicht abrufen, waren vielleicht nicht konzentriert genug oder nicht leidensbereit genug, und dann macht's bam, bam, bam und man hat verloren. Bis Weihnachten warten noch einige Spiele auf uns, in denen es heißt: jetzt gilt's, jetzt müssen wir uns behaupten und uns beweisen.

Wo hat ihre Mannschaft noch den meisten Nachholbedarf?
Sicherlich in der Körperlichkeit - Körperlichkeit ohne das Tempo zu verlieren. Wenn du jetzt einen Golf GTI durch einen Lastwagen ersetzt, dann gewinnst du auch nicht. Man muss stattdessen den Golf GTI kompakter machen. Man braucht intelligente Spieler, die strategisch und situativ entscheiden können, man braucht schnelle Spieler und man braucht kompakte Spieler, die dem Gegner auch Paroli bieten und im Zweikampf genügend Masse entgegensetzen können. Ich sage immer: Handball ist Zehnkampf mit Ball, wobei eine von diesen zehn Übungen die Entscheidungsfähigkeit ist.