Stattdessen erhebt sie schwere Vorwürfe gegenüber den Entscheidungsträgern der Stadt: "Während ich bei Veranstaltungen und am Wahltag von den Menschen große Unterstützung erfahren habe, wurde es in der Partei für mich immer schwerer. Von einem altgedienten Stadtrat wurde mir offen gesagt, in Höchstadt wolle niemand mein Gesicht sehen - und keiner aus der Fraktion hat dem widersprochen".
In der Politik, so findet Enz, sei nichts alternativlos. "Doch in der Jungen Liste diskutiert man nicht mehr gern. Wer die Entscheidung des Bürgermeisters oder seiner engen Vertrauten hinterfragt, hat keinen Platz mehr".
Dabei, so findet Enz, könne angesichts der maroden Straßen im gesamten Stadtgebiet niemand von perfekter Politik sprechen. "Höchstadt steht auch finanziell keineswegs hervorragend dar. Der Haushalt ist vielmehr ähnlich einem Schneeballsystem. Die enormen Investitionen konnten und können nur durch Grundstücksverkäufe finanziert werden. Für Instandhaltung ist überhaupt kein Geld ausgegeben worden. Das rächt sich jetzt, wenn die Steuereinnahmen wegbrechen, doppelt". Deshalb trat Enz für eine Priorisierung ein, ebenso wie für Bürgerbeteiligung bei Millionen-Investitionen. "Bei StUB und Sparkasse war die Junge Liste ein eifriger Befürworter", erinnert sich Enz.
"Doch in Höchstadt war ein Ratsbegehren nicht gewünscht. Man fürchtete, der Bürgerwille könne mit persönlichen Interessen kollidieren". Also entschloss sich Regina Enz dazu, die Junge Liste zu verlassen - und sich ausgerechnet dem stärksten Widersacher im Stadtrat anzuschließen.
Die AfD als Mehrheitsbeschaffer?
Enz' Sitz hinzugerechnet käme die CSU auf neun Stimmen im Stadtrat. Gemeinsam mit den drei Vertretern der Grünen könnte dadurch ausgerechnet AfD-Vertreter Christian Beßler zum Zünglein an der Waage werden: Das neu gewählte Kreistagsmitglied könnte der schwarz-grünen Fraktion in einer möglichen Pattsituation die Mehrheit beschaffen, indem Beßler sie toleriert. Nach den Erfahrungen rund um die Thüringer Regierungsbildung dürfte es für diesen Ansatz bei beiden Koalitionspartnern aber einige Vorbehalte geben.
Der Bürgermeister schießt zurück
Gerald Brehm äußerte sich in einer ersten Stellungnahme am Montagabend schwer enttäuscht vom Abgang seiner einstigen Fraktionskollegin: "Ich bedauere ihre Entscheidung. Persönlich habe ich mich sehr stark für Regina eingesetzt und habe sie als Landratskandidatin unterstützt. Eigentlich sollte sie sich über die Stadtratsarbeit etablieren und dann weiter aufrücken."
Aus diesem Plan wird nichts, stattdessen mischt sich Wut in die Enttäuschung - der Bürgermeister wählt deutliche Worte: "Es ist bemerkenswert, dass Frau Enz sich moralisch so unterirdisch verhält. Sie begeht damit Wahlbetrug. Dass sie ihr persönliches Interesse in den Vordergrund stellt, überrascht mich sehr. Ihr Verhalten ist eine Ohrfeige für alle Wahlkämpfer auf Kreisebene, die viel Zeit und Geld eingesetzt haben, um sie dahin zu bringen, wo sie jetzt ist." Am Donnerstag will sich das Stadtoberhaupt mit der SPD und der Bürgerliste treffen und das weitere Vorgehen für die konstituierende Stadtratssitzung am kommenden Montag besprechen.
Sein Vorhaben ändert sich durch das Wegbrechen von Regina Enz nicht: "Wir haben mit Günther Schulz einen bewährten zweiten Bürgermeister, den ich erneut für dieses Amt vorschlagen werde. Ich hoffe, dass er die Mehrheit dennoch erhält." red