Mindestlohn trennt die Spreu vom Weizen

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Ernst Weichlein befürchtet auf finanzieller Seite keine dramatischen Einschnitte durch den Mindestlohn. Die Einhaltung der höchstzulässigen Arbeitszeit macht ihm mehr Sorgen. Foto: Peter Groscurth
Ernst Weichlein befürchtet auf finanzieller Seite keine dramatischen Einschnitte durch den Mindestlohn. Die Einhaltung der höchstzulässigen Arbeitszeit macht ihm mehr Sorgen. Foto: Peter Groscurth

Gastronom Ernst Weichlein aus Weingartsgreuth hat keine Angst vor finanziellen Konsequenzen des Mindestlohns. Die organisatorische Seite der Sache bereitet ihm Kopfschmerzen.

Erich Weichlein ist mit Leib und Seele Wirt. Seine Welt ist sein Landgasthof im idyllischen Weingartsgreuth. Er wird in der siebten Generation von der Familie betrieben - seit 1784.

"Jede Zeit ist schwer und hat ihre Herausforderungen. Aber in Vergleich zu meinen Vorfahren kann ich nicht sagen, dass wir es schwerer haben", sagt Weichlein. Der 52-Jährige bereitet sich auf den ab 1. Januar gültigen Mindestlohn vor. Künftig verdienen seine Aushilfen 8,50 Euro. Das sind 50 Cent mehr als bisher: "Das tut uns eigentlich nicht sehr weh, das kriegen wir hin." Auch die Preiserhöhungen werden nicht allzu hoch ausfallen. "Da wird es nur eine leichte Steigerung geben."

Was ihm aber beim Thema Mindestlohn Sorgen macht, ist die aufwändige Dokumentation der Arbeitszeiten aller Mitarbeiter. Das bedeutet mehr Büroarbeit und weniger Zeit für die Küche.
Außerdem muss Weichlein bei den Aushilfen genauer auf die Arbeitszeiten achten.

"Fakt ist, dass viele meiner Mitarbeiter noch einen anderen Job haben. Kommen sie von dem, dann muss ich sie fragen, wie lange sie schon gearbeitet haben." Angestellte dürfen nicht länger als zehn Stunden arbeiten. Bei Feiern muss Weichlein wohl in Zukunft genauer auf die Uhr schauen.

"Ich kann nicht mehr so flexibel wie früher mein Personal einteilen. Dann wird es wohl schwerer, Feierlichkeiten um ein oder zwei Stunden nachts ohne großen Aufwand zu verlängern", befürchtet Weichlein. Dieser Aspekt bereitet auch dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Kopfschmerzen. Durch den Mindestlohn werde die Einhaltung der vorgeschriebenen Arbeitszeiten stärker geprüft, so ein Sprecher des Verbands, und er fügt an: "Wir brauchen aber in der Gastronomie flexible Arbeitszeiten." Weichlein erinnert an das Miteinander von Arbeitgeber und Arbeitnehmern: Mit dem Mindestlohn gerate es in Schieflage.


Bumerang?

Er ist sich sicher: "Die umfangreiche Dokumentation der Arbeitszeiten von Aushilfen, die ja auf den Zusatzverdienst angewiesen sind, kann sich für sie zum Bumerang entwickeln." Doch der Wirt aus Weingartsgreuth sieht auch Chancen im neuen Mindestlohn: "Der trennt vielleicht auch die Spreu vom Weizen." Weichlein geht davon aus, dass viele Billiganbieter in der Gastronomie künftig anders kalkulieren müssen und es dann schwerer haben. "Das hilft Betrieben wie uns, die großen Wert auf Qualität legen."

Eine Dehoga-Sprecherin betont, sie könne derzeit nicht abschätzen, ob auf die Billig-Gastronomie eine Entlassungswelle zurolle. "Das liegt in der unternehmerischen Verantwortung", meint sie. Der Dehoga hatte vergeblich versucht, die Einführung des Mindestlohns für seine Branche auf 1. September 2016 zu verschieben. Zuvor sollte es erst 7,50 Euro pro Stunde geben, ab dem 1. September 2015 dann acht Euro. Das aber war der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zu wenig.

Erste Ergebnisse, wie sich der Mindestlohn auf den Arbeitsmarkt auswirkt, werden auf sich warten lassen. Offenbar sollen sie erst nach mehr als einem Jahr vorliegen, zeigt eine Umfrage unter den führenden deutschen Arbeitsmarktforschern.


Lange Wartezeit

"Man kann nicht zum 1.Januar den Mindestlohn einführen, und am Jahresende sind dann die Ergebnisse schon da", sagt Holger Bonin, der leitende Arbeitsmarktökonom vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Das Institut arbeite seit einem Dreivierteljahr an einem aufwendigen Modell, mit dem die Folgen genau erfasst werden sollen.

Erst in "zwei bis drei Jahren" werde es finale Ergebnisse geben, schätzt Bonin.

Auch andere Forscher wie der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Christoph Schmidt, dämpfen die Erwartungen. Doch wie geht es im Landgasthof Weichlein weiter?

Die achte Generation steht dort schon bereit, um die Führung zu übernehmen. Philipp Weichlein hat seine Lehre beendet, wurde zum besten Jungkoch Bayerns gekürt und arbeitet bei Sterne-Koch Alexander Herrmann in Wirsberg. "Jetzt soll er in Ruhe Erfahrungen sammeln, bevor er hier das Ruder übernimmt", so sein Vater stolz.