Das ehemalige Tanzlokal Fontäne ist schon halb abgerissen. Wo ein neuer Supermarkt entstehen wird, wurden einst rauschende Feste gefeiert. Eine Erinnerung an einen bald verschwundenen Ortsteil.
Donnerstags gab's Herz und saure Lunge. Am Freitag Rippla mit Kraut. Samstags lief Deutsche Welle. Und den Baum gab's. Der wurde aus dem Wald bei Nackendorf geholt. Im Hof haben ihn die Stammgäste aufgestellt. Die Fichte, die der Stammtisch "Die Teuermacher" 2003 aufgerichtet hat, war stattliche 18 Meter hoch. "Von der Autobahn zu sehen", titelte der FT damals.
Michaela Schmitt kann sich an die Kerwa in Siemetzhof noch gut erinnern. Sie hat die Zeitungsartikel ausgeschnitten und aufgehoben, die zu ihrem Tanzlokal Fontäne erschienen sind. Von 1996 an hat sie zusammen mit ihrer Familie das Lokal betrieben. Erst als "Café und Pilsbar". Mit der Zeit entwickelte es sich zum waschechten Tanzlokal. Jenen Typ Gastronomie, den es heute immer seltener gibt. Fast jedes Wochenende Live-Musik mit Coverrock und Discofox, Programm bis in die frühen Morgenstunden. Warmes Essen, auch noch zu später Stunde, wenn es anderswo nichts mehr gibt.
Die Schmitts sind keine Gastronomendynastie, wie es sie ja oft gibt. Bevor sie die Fontäne aufgemacht haben, wurden in dem Gebäude Strümpfe hergestellt. Fasit hieß der Betrieb, der alle Arten von Socken produzierte. Bis in den 1990er Jahren der Kostendruck zu groß wurde. Die Herstellung von Textilien "made in Germany" sei einfach nicht mehr rentabel gewesen, sagt Schmitt. Zu billig war die Konkurrenz aus Fernost. Der Name Fasit stand für Franz Schmitt, den Schwiegervater von Michaela Schmitt.
Die Strumpffabrik, in der dann die Fontäne entstanden ist, dürften viele alteingesessene Höchstadter noch kennen. Ebenso den Namen Siemetzhof für die Häusergruppe südlich der Aischbrücke. Bis in die 1960er- Jahre gab es diesen Ortsteil. Die ganze Siedlung, die sich heute in Höchstadt-Süd erstreckt, war noch nicht vorhanden. In der Fontäne wurde die Siemetzhofer Kerwa wiederbelebt. Im September 2004 fand das letzte Fest statt. Bald war dann ganz Schluss in der Fontäne. Die Familie hat das Haus an die Stadt verkauft.
"Ach, der Baum ist schon umgemacht", sagt Schmitt. Die 63-Jährige steht vor der Abrissruine. Am Boden zwischen Dachziegeln liegt der Baum. Keiner der echten Kerwasbäume von damals, sondern ein weiß-blauer Maibaum zur Dekoration. In dem Haus nebenan hat sie mit ihrer Familie gewohnt. Dahinter lag das Lokal. Zu gefährlich wäre es im Moment, zum alten Eingang zu gehen. Vom Abriss türmen sich auf dem Weg überall Dachlatten, aus denen Nägel sprießen.
"Es war schon eine schöne Zeit", sagt Schmitt, die heute in Sterpersdorf wohnt. Aber es sei auch viel Arbeit gewesen. Um 17 Uhr hat die Fontäne geöffnet. Vorher musste geputzt, eingekauft und vorgekocht werden. Dann kamen die Bands. Später die Gäste, hungrig und vor allem durstig. Ihre Tochter Monja Müller hat damals mit angepackt. Ihr Schwiegersohn Edgar half neben seinem Job als Maurer mit im Lokal, ihr Mann Gerhard arbeitete neben seinem Job als Taxifahrer in der Fontäne. "Nachts hat er oft noch die Leut' nach Hause gefahren", sagt Schmitt über ihren Mann, der letztes Jahr gestorben ist.
Kneipenfestival, Fasching, Ballermannfete, Halloweenparty: Einen Anlass zum Feiern hat es in der Fontäne immer gegeben. "Man muss dem Kind ja einen Namen geben", sagt Schmitt. "Man muss sich was einfallen lassen, dann kommen die Gäste." Oft seien sie nach Forchheim oder Erlangen in andere Livemusik-Kneipen gefahren, um sich neue Bands anzuschauen. Viele haben dann bald darauf bei den Schmitts in Siemetzhof gespielt.
Dort, wo früher die Gäste zu "Marmor, Stein und Eisen bricht" tanzten, werden bald die Höchstadter einkaufen gehen. Supermarkt, Drogerie, Bekleidungsgeschäft mit Parkplatz werden entstehen. Es wird ein Einkaufszentrum, wie es heute an vielen Ortseingängen zu sehen ist. Die Menschen werden aus ihren Autos aussteigen, nach einem Euro für den Wagen kramen. Schiebetür auf, durch den Markt, die Tüten in den Kofferraum. Schnell noch im Textildiscounter ein paar Socken kaufen. Manche werden vielleicht einmal innehalten und sich erinnern. An den Biergarten, die durchzechten Nächte. Den Kerwasbaum und an saure Lunge, Rippla mit Kraut und die Deutsche Welle. An den Ort, an dem sie früher tanzten.